Freundlichkeit ist (…) eine offenkundig falsche Münze: Mit einer solchen sparsam zu sein, beweist Unverstand.
Schopenhauer
Haben Sie schon einmal bemerkt, wie Ihr Backofen Sie ansieht? Was spüren Sie, wenn der Ofen sein grosses Maul öffnet und Ihren Kuchen verschluckt?
Haben Sie einen Fiat 500 zu Hause, der Sie anlacht, wenn Sie morgens in die Garage gehen? Oder werden Sie das Gefühl nicht los, dass Ihr Sportwagen Sie jeweils grimmig mustert, bevor Sie einsteigen?
Hierfür gibt es einen Fachbegriff, die sog. Pareidolie, ein Phänomen der Sinnestäuschung: wir sehen in Dingen und Mustern vermeintliche Gesichter – und das ist kein Zufall.
Unsere Mimik ist der wirksamste und am weitesten verbreitete Kanal für den Ausdruck von Gefühlen. Unser Gehirn verfügt sogar über einen dezidierten Bereich, um Gesichter zu erkennen. Interessant an diesem Bereich, der in der Grosshirnrinde sitzt ist, dass er im Gegensatz zu dem für Ortserkennung zuständigen Bereich, in seiner Grösse mit zunehmendem Alter relativ zum Gesamtvolumen des Gehirns zunimmt. Diese Region, die gleichzeitig sehr nahe am «emotionalen Zentrum» des Hirns liegt, erlaubt es uns, Gesichter viel schneller zu identifizieren als Objekte.
Bauen Designer nun Gesichtszüge in Produkte ein, können sie rasch ein emotionales Erlebnis für Nutzer generieren und sogar Vertrauen aufbauen – es ist fast unmöglich, dass wir ein Gesicht ignorieren. Auch bei Logos funktioniert das, wie man bei der Gamingplattform Discord sehen kann (www.discord.com) – hier handelt es sich um einen Gamecontroller mit klaren Gesichtszügen.
«Gesichter» im Produkt können Emotionen transportieren und damit dessen Gebrauch angenehmer und die Produktleistung besser machen.
Im konventionellen Autobau wurden diese «Gesichter» aufgrund von Käufervorlieben jüngst immer grimmiger (denken Sie an die fast schon aggressive BMW Doppelniere). Meist jedoch sollen menschliche Züge im Produkt beim Nutzer positive Emotionen, wie Empathie, Freude oder Animation schüren. Interessanterweise auch bei selbstfahrenden Autos – diese sind tendenziell freundlicher im Design als nicht-autonome KFZ, was damit argumentiert wird, dass der Fahrer, da er nicht mehr selbst fährt, Kontrolle abgeben muss. Es ist also wichtig, vorgängig Vertrauen durch «Freundlichkeit» im Erscheinungsbild aufzubauen. Freundlichkeit in dem Sinne, jemanden (oder etwas) zu schützen oder zu seinem Wohlergehen beizutragen.
In einer umfassenden Studie von Noble, et al. (2022) erregten Produkte, die glückliche, wütende und überraschte Emotionen zeigten, mehr Aufmerksamkeit und weckten mehr Interesse als andere Emotionskategorien. Bei der Kaufentscheidung zeigten die Verbraucher eine signifikante Präferenz für «glückliche» Produkte und eine Abneigung gegen Produkte, welche Traurigkeit und Ekel zeigen.
Rational gesehen helfen uns menschliche Züge in Produkten, Gebäuden oder sogar in der Natur dabei, aus Objekten schnell Sinn zu machen oder unser Bedürfnis nach Interaktion und sozialer Einbindung zu stillen. Frühere Studien zeigen, dass wir Produkte bevorzugen, die eine symbolische Bedeutung haben, welche mit unserem Selbstverständnis – oder dem, wie wir gerne sein wollen – kongruent geht.
Daraus ergeben sich verschiedene Möglichkeiten, Emotionen wie «Freundlichkeit» über ein Produkt zu transportieren (Desmet 2012):
- Man entwickelt zum Beispiel ein Produkt welches es dem Nutzer erleichtert, liebenswürdig zu sein – so kann man m.H. vom eigenen Smartphone einer anderen Person helfen, den Weg zu finden.
- Das Produkt selbst ist sympathisch – eine warme Bettdecke gibt uns das Gefühl, «aufgehoben» und gemütlich zu sein.
- Das Produkt symbolisiert Freundlichkeit – zum Beispiel, indem es uns mittels seiner Optik an eine freundliche Person erinnert.
Der Einbezug von freundlichen und ansprechenden Merkmalen in ein Produkt kann eine unterbewusste Verbindung herstellen und die wahrgenommene Zuverlässigkeit des Designs und der Marke, die es repräsentiert, erhöhen. Gerade bei Neuheiten ist dies relevant.
Wichtig zu bemerken ist bei alldem: nicht für jedes Produkt bietet es sich an, «menschliche» Züge einzubauen. Entscheidend ist immer, welchen Zweck Sie mit so einer Massnahme verfolgen. Wollen Sie ein wirklich fesselndes Produkterlebnis schaffen, ist Pareidolie allerdings auf jeden Fall eine Erkundung wert.
Dr. Teresa Valerie Mandl ist gebürtige Deutsche und wohnhaft in Zürich. Seit 2003 führt sie mit T.V.T swissconsult ihre eigene Firma im Bereich Unternehmensberatung für Innovationsmanagement, Produkt- und Dienstleistungsentwicklung. Darüber hinaus ist sie u. a. Dozentin an der Hochschule Luzern sowie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.