Rennfahrerin war nie ihr Traumberuf. Die zierliche Laura Kraihamer fährt als zwölfjährige Teenagerin ein Kart und entdeckt ungeahnt und ungewollt ihre grösste Passion: Rennsport.
Heute ist die mittlerweile 32-Jährige KTM-Werksfahrerin und somit eine Profi-Rennfahrerin sowie Ambassadorin für die Schweizer Uhrenmarke IWC Schaffhausen. „Die Leute hielten mich für arrogant. Aber das war nur eine Schutzmauer“, erzählt sie unumwunden in unserem Gespräch. „Ich hab mich unnahbar gegeben, unemotional, unweiblich – weil ich so sehr wollte, dass man mich in dieser Männerdomäne respektiert und ernst nimmt.“
Das Annehmen der eigenen Weiblichkeit und das Erkennen und Wiederentdecken der femininen Seite machte aus der gebürtigen Österreicherin einen neuen Menschen. Und eine noch bessere Rennfahrerin. Eine einfach wunderschöne Heldinnenreise.
Ladies Drive: Laura, wie duftet deine Kindheit?
Laura Kraihamer: Blumig. Ich hatte eine unfassbar erfüllte Kindheit. Ich habe den Luxus gehabt, Eltern zu haben, die selbst sehr viel Drive haben. In meiner Kindheit hat es mir wirklich an nichts gefehlt, habe alles erleben dürfen und fühlte ganz viel Freiheit. Diese Qualität nährt mich noch heute. Aber natürlich hatte auch ich meine Challenges, vor allem als Jugendliche, und zwar ab dem Moment, wo ich in den Kartsport eingestiegen bin.
Na, wieso hast du das überhaupt gemacht? Wie kommt man überhaupt auf die Idee?
(Gelächter)
Ja, das weiss ich eigentlich auch nicht so genau (lacht). Das war ja auch kein Kindheitswunsch oder Traumjob für mich. Ich hab eher per Zufall mal ein Kart ausprobieren dürfen. Und jemand meinte, dass ich das gar nicht mal so schlecht machen würde. Und so bin ich zum Rennsport gekommen. Dass mich das so erfüllen und dass mich das in meinem Leben so lange begleiten würde, hätte ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht gedacht. Meine Eltern sind unfassbar offen und tolerant und von daher war es für mich sehr, sehr ungewöhnlich, dann auf solche Stereotype im Rennsportzirkus zu treffen, auf die ich als junge Frau nicht wirklich vorbereitet war. Weisst du, als Frau im Motorsport landete man so ungefähr in jeder Schublade! Als Blondine, zu einer Zeit, wo kein Mensch eine Frau im Rennsport sehen musste, wo die Frau noch kein Marketing-Tool im Rennsport war. Damals wollte keiner eine Frau sehen und brauchte das auch nicht – das war schon heftig. Aber ich hab tatsächlich erst mit zwölf angefangen, was eigentlich spät ist für den Kartrennsport.
Nun – Talent hast du sicher auch gehabt, das war ja nicht nur pures Glück!
Ich glaube, es ist eine Kombination. Wenn ich mal ganz ehrlich sein darf: Ich habe mit Sicherheit ein Talent für Rennsport, aber ich bin vor allem eine harte Arbeiterin und es ist einfach eine hundertprozentige Leidenschaft, die mich antreibt. Wenn ich diese Leidenschaft und diese Passion nicht hätte, dann wäre ich nie da, wo ich bin. Nie! Weil das einfach übergebührlich viel harte Arbeit erfordert, und dieses Durchhaltevermögen hat mir entsprechend Vorteile verschafft.
Es ist ja auch ein teurer Sport …
Oh, absolut. Rennsport ist ein unglaublich finanziell getriebener Sport, definitiv. Das ist natürlich für einen Sport nie wirklich von Vorteil, das muss man einfach so sagen. Aber schon im Kartsport war das damals finanziell sehr intensiv. Ich bin auch mit 16 rausgefallen aus dem Sport, weil ich einfach die finanziellen Mittel nicht aufbringen konnte. Ich meine, klar hätte ich als Frau gewisse Vermarktungsmöglichkeiten gehabt. Aber ich wollte einfach fahren. Ich wollte als Fahrer gesehen werden. Es ist für mich ein Privileg, dass auch mein Partner IWC mich in ebendiesem Licht sieht – Gender spielt eine nachgestellte Rolle, im Vordergrund steht mein Können.
Als IWC mich angefragt hat, Teil der IWC Racing-Familie zu sein, habe ich mich riesig gefreut. Von meiner ersten Runde in einem Rennwagen an wusste ich, dass ich das beruflich machen wollte, und seitdem habe ich hart daran gearbeitet, jede Herausforderung zu meistern, um meine Träume zu erfüllen. Jetzt mit einer Marke verbunden zu sein, die vom Rennsport genauso begeistert ist wie ich, ist eine absolute Ehre. Ehrlich gesagt hätte ich etliche Kooperationen haben können, wo es wahrscheinlich sekundär gewesen wäre, was ich fahre oder wie gut oder schlecht ich fahre. Das wollte und konnte ich nicht, weil ich fürchtete, dass sonst der Fokus auf den Sport komplett verloren ginge. Doch das führte letztendlich dazu, dass ich diesen so geliebten Sport mit 16 verlassen musste. Erst sechs Jahre später, also mit 22 Jahren, ergab sich eine neue Opportunität, als man mich etwas überraschend für eine KTM-Serie anfragte. Endlich konnte ich meine Passion wieder ausleben – obwohl das erste Jahr in dieser Serie sehr fordernd war.
Und im zweiten Jahr?
Hab ich die Serie gewonnen (lächelt).
Danach gings mit deiner Rennkarriere steil bergauf. Das ist beachtlich. Du hast eben gesagt, dass du einstecken musstest. Wie war das genau?
Nun, ich musste in jungen Jahren lernen, mich emotional zu distanzieren. Ich bin in einem sehr toleranten Familienumfeld aufgewachsen, und plötzlich mit Aussagen konfrontiert zu sein wie „Ah, a grid girl“ oder „Was tut das Mädel da am Rennplatz?“, das war und ist schon hart.
Das tut weh, wenn man etwas so sehr liebt …
Ja. Die Frau im Rennsport hat in ungefähr drei Phasen durchgemacht: von der völligen Inakzeptanz über die Gleichgültigkeit bis „Frau als Marketing-Tool“. Zu Beginn meiner Karriere war es für alle okay, dass ich da war, das war den meisten sowieso eher egal – aber immer wenn ich gut war, brach eine Diskussion los, was kräftezehrend war, plötzlich so exponiert zu sein. Bis 2020, also noch bis vor wenigen Jahren, war ich eine andere Persönlichkeit auf dem Rennplatz. Ich hab mir einen Panzer zulegen müssen, der mich selbst geschützt hat.
Und wie war dein Alter Ego auf dem Rennplatz?
Eher unnahbar, introvertiert, still, arrogant, und vermutlich hab ich sehr hart gewirkt. Ich wusste, was ich will, und diese Distanziertheit hat mir eine gewisse Sicherheit vermittelt. 80 Prozent der Fahrer auf dem Rennplatz verfügen selbst über entsprechende finanzielle Mittel, um hier mitzuspielen. Wenn du aber mal, so wie ich, konfrontiert warst damit, den Sport nicht mehr ausüben zu können, weil das Geld fehlt, dann würdest du alles geben, um das nicht mehr zu verlieren. Und deshalb hatte ich begonnen, eine Mauer um mich herum aufzubauen, die mich geschützt hat. Ich hab mir eine Härte zugelegt, eine Form von Unnahbarkeit. Das hat mir Zeit verschafft zu lernen. Aber es war auch einsam. Man verbringt in diesem Beruf sehr viel Zeit allein in Hotels, ist häufig isoliert, und da kann einen die Einsamkeit schon erdrücken. Vor ein paar Jahren hab ich mir ein Herz gefasst, Emotionen zuzulassen, und konnte so ungeahntes Potenzial entfalten. Aber rückblickend muss ich zugeben, dass ich mich dadurch der Stärken, die ich als Frau eigentlich mitbrachte, fast ein bisschen beraubt habe.
Was hast du für dich gewonnen daraus, dass du diese Mauern aufgebaut hast? Was hast du aber vielleicht auch verloren, wenn du zurückblickst?
Gewonnen? Akzeptanz. Man hat mich respektiert und ernst genommen. Wenn du als Frau im Rennsport halbwegs gute Ergebnisse bringst, dann jubeln alle, als ob du gewonnen hättest. Aber wehe, du machst den kleinsten Fehler, dann fühlt sich auch jeder in seiner Theorie bestätigt, dass du als Frau das nicht hinkriegst und hier nicht hingehörst. Und das haben sie mich auch spüren lassen. Ohne meinen Schutzpanzer hätte mich das vermutlich verzweifeln lassen.
Es ist schlimm, wenn man für das, wofür man brennt und so viel Leidenschaft in sich spürt, so grosse innere Kämpfe ausfechten muss.
Oh ja. Emotionen hat man in vielen Leistungssportarten ohnehin masslos unterschätzt – obwohl sie eine Art wahre Superkraft darstellen. Emotionen können viel bewegen und Energien freisetzen. Du kannst lernen, Emotionen fokussiert und gezielt so einzusetzen, dass sie dich weiterbringen und nicht hemmen. Ich hab mir letztendlich einen Mentaltrainer an die Seite geholt, um das neu zu lernen, um das wieder zuzulassen.
Wie hast du diesen Prozess initiiert?
Konkret ging es um die Fragestellung: Wie kann ich selbstbewusster agieren und mich dabei als Mensch, als Frau vollumfänglich annehmen? Und in diesem Prozess stand mitunter auch das Thema Gender im Fokus. Anstelle der Quasi-Eliminierung meiner weiblichen Seite hab ich gelernt, es zu nutzen – mit all den Stärken, die in mir schlummerten. Das hat mich entscheidend besser werden lassen.
Das ist eine super spannende Parallele auch zu vielen Topmanagerinnen oder Unternehmerinnen, die auch manchmal das Gefühl beschleicht, sie müssten ihre Weiblichkeit zu Hause lassen, um ernst genommen zu werden. Dabei vergessen wir, wie wichtig die mentale Stärke ist.
Im Rennsport sagen wir übrigens, dass die mentale Stärke 90 Prozent des Erfolgs ausmacht. Ich würde behaupten, dass ich, seitdem ich auch meine typisch weiblichen Stärken zu nutzen gelernt habe, nicht nur als Mensch, als Fahrerin, als Sportlerin gewachsen bin, ich weiss nun auch mein ganzes Potenzial voll auszuschöpfen. Und das fühlt sich wunderschön an. Wer Rennsport wie ich auf diesem Niveau betreibt, investiert einen Grossteil seiner Lebenszeit dafür. Das ist als Unternehmerin oder im Topmanagement vermutlich nicht viel anders. Ich war zu keinem Geburtstag meiner Eltern, meiner Freunde da, hab teilweise Hochzeiten verpasst von Menschen, die mir nahestehen. Und gleichzeitig würde ich behaupten, dass die Qualität meines Freundeskreises extrem hoch ist. Und zwar weil du nur noch die Kapazitäten für jene Personen hast, die dir mit Verständnis für deine Passion begegnen. Wenn man so ein hohes Pensum hat, ist da einfach keine Zeit mehr für Oberflächlichkeit. Also sind alle zwischenmenschlichen Begegnungen, die man dann hat und pflegt, entsprechend intensiv. Und das ist schon der absolute Luxus, wenn man sagen kann, dass man echte, wahre Freundschaften geniessen darf.
Du hast gerade auf sehr eindrückliche Art und Weise erzählt, dass du auch ein Stück weit deine Weiblichkeit wiedergefunden hast. Was hast du wieder in dein Leben gelassen?
Emotionen. Offenheit. (Überlegt) Es ist gar nicht mal so trivial, das auszudrücken.
Und Verletzlichkeit? Oder hat das keinen Platz im Rennsport?
Doch. Auch das hat Platz. Ich würde Gelassenheit ergänzen. Und weil du gerade Verletzlichkeit erwähnst: Was ich gewonnen habe, ist eine Stärke mit einer wunderschönen, weichen Komponente. Das ist etwas sehr Weibliches.
Traust du dich denn heute, einfach nur nett zu sein?
Ja. Es ist lustig, dass du das fragst. Früher bin ich über den Rennplatz spaziert und hatte dabei nur einen Gedanken: Keiner darf irgendwie bemerken, falls ich emotional mal nicht auf der Höhe bin, und keiner darf denken, ich bin aus einem anderen Grund hier ausser: Rennfahren. Ich durfte lernen, dass es auch Menschen gibt, die es einfach gut mit mir meinen, dass ich nicht von allen Ablehnung erfahre, sondern dass da jede Menge Goodwill und Unterstützung vorhanden ist. Aber man hat ja auch viele Verlustängste – man unterschreibt einen Werksvertrag und lebt in ständiger Angst, das wieder zu verlieren. Entsprechend spürt man die Konkurrenz zu und mit anderen Fahrern. Aber ich bin gelassener geworden, und zwar hinsichtlich meines Talents, meines Könnens. Mir ist der Erfolg nicht in den Schoss gefallen und ich bin mir dessen gewahr, dass ich es verdient habe, hier auf dem Rennplatz zu stehen. Das kann dir so schnell niemand einfach wegnehmen. Diese Strenge und Härte, die ich mir zugelegt hatte, die kostet einen sehr viel Energie. Und es fühlt sich wundervoll an, heute ein Mensch zu sein, der gelernt hat, sich vollumfänglich anzunehmen. Deshalb nenne ich es meine neue Gelassenheit – diese mentale Stärke hat in mir drin einen Ort der Ruhe und Stille erschaffen, aus dem ich wieder schöpfen kann.
Was hat deine Karriere dir bis jetzt sonst noch alles beigebracht?
Im Leistungssport bist du eben auch unter Leistungsdruck und genau das bringt einen menschlich an seine Grenzen. Am Ende des Tages entdeckst du die besten und die schlechtesten Seiten an dir – aber du musst dich irgendwann damit versöhnen und das akzeptieren, weil all das zu dir gehört und dich ausmacht. Die Wahl, wie ich sein möchte oder was ich davon ausprägen möchte, liegt bei mir. Das ist meine Eigenverantwortung. Ich finde auch, nicht nur die Erfolge, sondern vor allem die Misserfolge machen dich menschlicher, weil du bei diesen Misserfolgen immer die Chance hast, noch ein bisschen empathischer zu werden. Es schult die eigene Toleranz, den Charakter. Wenn ich jetzt an meine Partner KTM und IWC denke – das ist für mich purer Luxus. Weil sie an der Person, dem Menschen, der Fahrerin Laura Kraihamer interessiert sind. Es ist nicht so, dass ich mit diesen Marken arbeite, weil ich eine Frau bin und halbwegs geradeaus fahren kann. Das Frausein ist eine von vielen Komponenten, aber der Rennsport steht im Vordergrund, und genau damit fühl ich mich extrem wohl. Diese Partnerschaften bestätigen mich, dass ich das richtig mache.
Im Sport ist man auch regelmässig mit Misserfolgen konfrontiert – man gewinnt nie jedes Rennen und kann vielleicht so als Sportlerin auch eine viel bessere Resilienz entwickeln. Verrate uns, wie du mit Misserfolgen umgehst … Was können wir von dir lernen?
Ich hab gelernt, auch und gerade diese negativeren Emotionen ganz bewusst durchzuspielen. Wahrzunehmen. Und sagen zu können: „Wow, das fühlt sich jetzt aber richtig schlecht an. Das ist nicht cool!“ – Es ist wichtig, diese Gefühle nicht unter den Teppich zu kehren, weil sie das Potenzial für Wachstum beinhalten. So erlaube ich mir, auch einfach mal nicht ganz so gut drauf zu sein. Ich lasse es zu. Und lasse es los. Damit ich nach vorn blicken kann.
Was rätst du anderen Frauen, die dieses Interview lesen und sich wiederfinden im Negieren der eigenen Weiblichkeit im Businesskontext?
Also grundsätzlich hilft es, wenn man sich als Frau, als Mensch mit seiner Emotionalität auseinandersetzt. Sie stellt eine Quelle für jede Menge Stärke dar, aus der man richtig viel Drive entwickeln kann. Ich wünschte, dass wir den Mut haben, unsere Stärken ausgeprägter, gezielter zu nutzen. Ich bin jedoch auch zutiefst davon überzeugt, dass sich Dinge so entwickeln, wie sie sollen. Wann immer ich an mir zweifle, erinnere ich mich selbst daran, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Welche Abzweigungen ich nehme, ist mir überlassen. Die letzten Jahre haben mir beigebracht, selbstfürsorglich Dinge anzunehmen. Ich bin gespannt, welche Erlebnisse, Erfahrungen, Herausforderungen auf mich warten. Egal was da kommen möge – ich freu mich darauf.
Weiterführende Informationen:
https://www.iwc.com/en/company/partnerships/iwc-racing.html
Laura Krailhammer ist stolz auf einen Partner wie IWC Schaffhausen.
Am 19. Arosa ClassicCar Rennen zeigte das IWC Racing Team eine eindrückliche Leistung. Profi-Rennfahrerin & IWC Ambassadorin Laura Kraihamer steuerte den legendären Mercedes-Benz 300 SL „Gullwing“ über die kurvenreiche Bergstrecke. Copyright @ClassicDriver