180 Gäste, Frauen mehrheitlich, aber doch auch ein gutes Dutzend Männer (der Aufruf, die Männer mitzubringen, zeigt laaaaaangsam Wirkung), waren ins Theater Casino Zug gekommen, um diese Frage gemeinsam zu diskutieren. Und einem Quartett an höchst unterschiedlichen Gästen zuzuhören, die sich ebenfalls offen mit dieser Überlegung auseinandergesetzt haben. Definitiv heruntergebremst wurde gleich der erste Gast, sie kam nämlich gar nicht bis nach Zug. Prof. Dr. Jacqueline Otten lebt in Hamburg, und die Trend-Researcherin und Zukunftsforscherin fiel einem gecancelten Flug der SWISS zum Opfer. Zum Glück war Gastgeberin und Initiantin der Bargespräche, Sandra- Stella Triebl, für alle Eventualitäten vorbereitet, sodass die gebürtige Niederländerin Otten flugs per Zoomcall zugeschaltet werden konnte.
Jacqueline Otten hat in ihrem Leben schon so manches Chaos bewältigen müssen, aber nach eigenen Angaben noch nie so eines wie das, das im März diesen Jahres auf den Lockdown folgte. Hatte sie als Trendforscherin das nicht vorhersehen können? Nein, hatte sie nicht, auch sie ist keine Superwoman. Was sie aber kann, ist, Projekte designen, und so betrachtet Jacqueline Otten die Pandemie als grosses Experiment, in dem sie einen Podcast startete. Wie schätzt man die Zukunft ein, wenn sie unvorhersehbar wird? Die Lösung: Die Zukunft ist jetzt. Immer jetzt. Wir müssen das, was wir wollen, nicht lange diskutieren, sondern anpacken und umsetzen. Und bei allem Slow-Down-und-Speed-Rausnehmen ist Jacqueline Otten eines ganz wichtig: Ändert die Perspektive, schaut euch die Probleme und die Gegebenheiten aus verschiedenen Blickwinkeln an, Serendipity, findet die Lösung auch mal per Zufall. Und never, wirklich never slow down your brain!
Wenn Dr. Annette Luther-Wyrsch und ihr Umfeld langsamer machen würden, hätte die Welt ein Problem, denn Roche, wo sie Secretary to the Board of Directors ist, liefert alle Covid-19-Tests. Tests, die man vor der Pandemie so nicht hatte und die erst entwickelt werden mussten. In „no time“ sozusagen. Luther-Wyrsch hat zwei Teenager zu Hause, die strukturiert werden wollen im Lockdown, plus das schnell wachsende Business beim Pharmakonzern, und ausserdem ist sie noch Bankrätin bei der Zuger Kantonalbank, doppelt und dreifach beschleunigt also. Weil sie aber der Meinung ist, dass der, der nicht wagt und auch mal Fehler einkalkuliert, nie gewinnt, hat sie den extra Stress, den Videocalls und -konferenzen mit sich brachten, weggesteckt. So, wie sich Annette Luther- Wyrsch an diesem Abend präsentierte, nahm man ihr ab, dass auch für sie, ähnlich wie für ihre Vorrednerin, die Zukunft im Hier und Jetzt ist. Dass man deswegen besser mit Unsicherheiten umgehen kann, wenn man sich auf das Jetzt und nicht auf Unvorhersehbarkeiten fokussiert. Einen Gratistipp gab’s dann on top: Ab und zu mal Nein sagen, ab und zu mal auf etwas verzichten. Das kann man lernen.
Eine völlig neue Sichtweise auf das Thema Slow Down oder nicht hat uns an diesem Abend Benedikt Germanier beschert. Er hat nämlich gar nicht erst gelernt, schnell zu sein (ausser auf Skiern oder auf dem Tennis-Court), sondern war immer einer, der langsamer lernte als die anderen, auch wenn er sich noch so bemühte. Er denke mit dem Bauch und nicht mit dem Kopf, sagte der CEO von Zai, und das hört man von Männern erfahrungsgemäss eher selten. Und Benedikt Germanier offenbarte uns ein Paradoxon, das man sich mal auf der Zunge zergehen lassen muss: Er baue schnelle Ski, indem er sich Zeit nimmt. Für ihn war es keine Frage, in den letzten Monaten runterzufahren, sondern weiterzumachen. Aber nicht wie gewohnt. Er suchte ein neues grosses, riesengrosses Areal, wo er mit seinen acht, neun Leuten mit sicherem Abstand weiterhin kreativ sein kann. Benedikt Germanier ruht in sich, und das hat er nicht zuletzt einem Lehrer zu verdanken, der dem wegen seiner geistigen Langsamkeit arg zusammengestutzten Jüngling irgendwann mal die Gewissheit gab, dass er sich so, wie er ist, akzeptieren könne. Darum konnte Benedikt auch gut jahrelang als Stratege in der Finanzindustrie arbeiten, vor Zai wohlgemerkt. Und da hat er etwas ganz Nützliches gelernt: wie man erfolgreich(er) wird, indem man langsam aus schlechten Ideen rausfindet. Wenn wir eines gehabt hätten, hätte er dafür das Ladies Drive „Hurry Slowly“- T-Shirt in Männergrösse verdient!
Mal Pause machen ist das Stichwort für Myriam Zumbühl, der letzte Gast an diesem Abend. Die CEO von Harvest Productions hatte sich nichts sehnlicher gewünscht, als ein Sabbatical machen zu können, Hiken, ein Retreat, einen Film drehen, irgendwas, um mal abzubremsen und das Leben zumindest für eine Weile langsamer anzugehen. Das bekam sie, selffulfilling prophecy vom Feinsten, aber anders. Wie das ist, von hundertachtzig auf null, hatte sie bereits erfahren, als sie, die erfolgreiche Radio- und Fernsehmoderatorin, zu viel Druck beim Sender verspürte und mehr oder weniger von heute auf morgen ging. Von aussen betrachtet erklärte man sie für verrückt, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere zu gehen, sie jedoch hatte das Gefühl, an eine gläserne Decke zu stossen. So wollte sie nicht sein, bis ans Ende ihres Lebens, nämlich beständig unter Strom und nonstop im roten Bereich. Myriam gründete einen Verein, der „Lifegarden“ heisst, mit dem Zweck, Menschen zu befähigen, ihre Resilienz zu stärken. Die Fähigkeit, Krisen aus eigener Kraft zu bewältigen. Psychischen Widerstand aufzubauen. Sie will das in Form eines Vita-Parcours für den Kopf für alle Menschen zugänglich machen, die Eröffnung ist für Sommer 2021 geplant. Sie lud ein zum Mithelfen, Dabeisein, bei dem, was sie macht, indem man Myriam einfach mal anruft oder schreibt: Community ist das Zauberwort. Von wem sie gelernt hat? Von Willi, dem vielleicht besten Käser der Welt, ein Film über ihn ist grad fertig geworden, produziert von Harvest Productions, wortwörtlich etwas gründen, etwas anbauen, was Sinn macht. Myriams „happy place“: die Badewanne. 20 Minuten im Bett meditieren macht ihr Freude, und jeden Tag drei Dinge finden, die glücklich machen. An diesem Abend sei das ihr roter Lippenstift gewesen, die Einladung überhaupt und die rund 170 „badass ladies“, von denen sie hier und jetzt umgeben sei.
Das Stichwort zum Fazit, der Abend bot so viel mehr als nur drei glückliche Dinge. Dennoch darf man in keinem Moment die Kranken vergessen und die, die an Corona verstorben sind. Corona hat uns eine holprige Strasse ausgerollt, die wir gehen müssen, uns aufgerüttelt, durchgeschüttelt. Mit der starken Sisterhood, die das Swiss Ladies Drive-Netzwerk allen bietet, werden wir das schaffen, davon war und ist die Gastgeberin des Abends, Sandra-Stella Triebl, überzeugt. Es gibt Wege, mit der Situation fertig zu werden, wer Hilfe braucht, darf sich an uns alle wenden, jeder teilt hier gern sein Wissen. Und wer einen Moment des Lächelns braucht, der dürfe sogar Sandra-Stella Triebls (dementen) Dad anrufen. Der hat seiner Tochter nämlich auf die Frage, ob und wie er die Covid-19-Pandemie verstehe und bewältige, geantwortet: sie sei die schönste Tochter der Welt.
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