Die sozialen Medien sind gekommen, um zu bleiben. Wir haben das Gefühl, es geht nicht mehr ohne, der Druck, immer und überall präsent zu sein, ist riesig. Was sagen Expertinnen und Experten sowie Influencerinnen dazu, wie gehen sie mit den sozialen Medien um, was raten sie uns? Ein Abend voller Fragen, der neue aufwirft – eine never ending Story?
Wir haben es nicht kommen sehen (wollen?), was die sozialen Medien mit uns machen. Es ist wie mit vielen Dingen im Leben: Etwas Neues wird erst argwöhnisch beäugt, dann ausprobiert, man gewöhnt sich an die Präsenz und schwupps ist man fast abhängig davon, fühlt sich sogar benutzt, gestört, möchte das einst so hoch gepriesene am liebsten wieder loswerden. Die Idee der ersten Stunde sei denn auch korrumpiert worden, fasste Sandra Stella Triebl, Gründerin des Ladies Drive-Universums, Chefredakteurin des Ladies Drive Magazins und Talkmasterin auch dieses 72sten Bargespräches das Gefühl in Worte, das wohl 99 Prozent von uns beschleicht angesichts dessen, was Facebook, Instagram, TikTok und wie sie alle heissen auslösen.
Fakt ist: Sogar die meisten Gründerväter distanzieren sich inzwischen Oppenheimer like von ihrer Ursprungsidee. Es ist keine Verschwörungstheorie, sondern bewiesen, dass Soziale-Medien-Suchtverhalten bewusst gefördert wird. Eine Tatsache, die für ein allgemeines Unwohlsein sorgt.
Bodenlose Dummheiten
Nicht ganz wohl war auch dem ersten Gast, trotzdem hat es sich Marc Bodmer nicht nehmen lassen, zum Bargespräch zu erscheinen. Er nennt sich Cyberculturist und ist als Journalist auch Kollege.
Nach jahrelangem über die sozialen Medien recherchieren, sie beobachten, darüber schreiben und sich mit allem, was im legalen und im Darknet so abgeht, zu beschäftigen, zieht Marc Bodmer die vorläufige Bilanz, dass in den letzten Jahren kein anderes Medium so viel Hass generiert habe und der Begriff «sozial» der blanke Hohn sei. Das Potenzial sei riesig, weiss der Fachmann, ein Bewusstsein, dass sicher alle im erneut bis auf den letzten Platz ausgebuchten Folium im Papiersaal in der Sihlcity teilten. Den meisten Netzwerken, in denen wir uns bewegen, fehle es an einem eigentlichen Zweck und die Leere würde mit Bullshit gefüllt. Einzig positiv bewertet Marc Bodmer LinkedIn als Businessnetzwerkplattform. Marc Bodmer konnte an diesem Abend viele Vermutungen bestätigen, die wir alle hegen, was finanzielle Triebfedern, den inflationären Einsatz von Algorithmen und politischen Missbrauch – er nannte als Beispiel die Vorkommnisse in Myanmar im Umgang mit ihrer ethnischen Minderheit, den Rohingya passiert ist – sozialer Medien betrifft. Manipulation durch soziale Medien – eine Tatsache, die wir wissen und offensichtlich dulden. Deprimierende Erkenntnis aus seinen Ausführungen: Es gibt derzeit nicht einmal eine künstliche Intelligenz, die Deep Fakes (das sind Videos oder Fotos, die verfremdet werden durch Gebrauch real existierender Profile) entlarven könnten.
Bewusstsein schärfen
Professorin Sonja Utz ist nicht so demotiviert: Für die Leiterin des Everyday Media Labs, Leibniz-Institut für Wissensmedien, ist klar, dass wir uns bewusster werden müssen, wie, wann, für was und womit wir die sozialen Medien nutzen und füttern.
Sie hat eine Langzeitstudie gemacht über die Auswirkungen zum Beispiel von Newsfeed-Algorithmen. Aber mehr, als dass die Studie bestätigt, dass die Feeds gesteuert sind und wir damit mit, dass Social Media eine gefährliches Pflaster für Verschwörungstheorien ist und dass die Filter-Bubble oder Echo Chamber (das ist, wenn der Algorithmus uns nur noch News zeigt, die wir mögen, egal wie schlecht, falsch oder gut sie sind) existiert, ist bei diesen Studien bisher nicht herausgekommen. Gefühlt bestätigen diese, und übrigens viele andere Studien zu Social Media Auswirkungen auch, das, was wir intuitiv wissen (sollten). Sonja Utz hält es mit Pragmatismus: Kein Medium sei per se böse oder gut.
Jugendliche stärken
Medienkompetenz ist denn auch das, was die dritte Gästin Gisèle Pinck an diesem Abend fordert. Wir und die Jugendlichen müssten lernen, mit den sozialen Medien richtig umzugehen. Und dass ein intaktes Selbstwertgefühl vor so manchem Unbill schütze. Medienkompetenz von Jugendlichen soll auch eine Kampagne fördern, die von Yves Saint Laurent YSL unterstützt wird – YSL ist auch ein Partner der Ladies Drive Bargespräche – und die Gisèle Pinck als Programmleiterin von Herzsprung, einem Nationalen Programm zur Stärkung der Beziehungskompetenz, initiiert hat. «Abuse is not Love» ist einer der wichtigsten Merksätze dieser Kampagne, es sei wichtig, missbräuchliches Verhalten, das auch soziale Medien als Werkzeug benutzt wie Tracking zum Beispiel, zu erkennen.
Einfluss einer Influencerin
Als vierte gelangte eine Überraschungsgästin zu uns. Martina Faron nennt sich Digital Creator und ist Influencerin mit beinahe 22’000 Followern.
Weil sie eine Krise durchlebte, die sie selbst durch zu viel Social Media-Präsenz erlitten habe, erhofften wir uns von der Stylistin Tipps im schlauen Umgang mit Instagram & Co. Ihr einziger Ratschlag aber war, wir sollten unser wahres Ich sein, sonder empfinde man irgendwann – wie sie selbst in den vergangen Wochen und Monaten – nur noch Leere. Sie, Martina Faron, sei jetzt total motiviert, zu ihrer kleinen Körpergrösse zu stehen und sich im Netz nicht mehr grösser machen zu wollen. Sie will anderen Frauen, die auch so gross sind wie sie, zu einem stylisheren Äusseren verhelfen. Was ja auch irgendwie sympathisch ist.
Gekommen, um zu bleiben
Fazit: Das wird nie wieder weggehen. Also die sozialen Medien. Und wir sowieso nicht, wenn wir auch zeitweise (meno)pausieren, die nächsten Bargespräche für den Rest des Jahres sind etwas familiärer gestaltete Bargespräche Privé (nur für Mitglieder zugänglich – bei Interessen schreibt uns auf office@swissladiesdrive.com).
Ein paar praktische Tipps haben die Gespräche im Bargespräch Vol.72 dennoch ergeben.
- Tipp 1: Man kann Algorithmen überlisten, in dem man Hashtags folgt, die einen wirklich interessieren.
- Tipp 2: Nichts posten, mit was man nicht auch auf einem Plakat über den Paradeplatz sehen könnte.
- Tipp 3: Zurückhaltung ist weise.
- Und Tipp 4 ist eine Erkenntnis: Vertrauen ist eine kostbare Währung, die in der kommenden Zeit eine never ending Wertsteigerung erfahren wird. Wir vertrauen darauf, dass auch die nächsten Bargespräche das Kaleidoskop an Themen, mit denen es sich auseinanderzusetzen lohnt, bereichern werden.
LadiesDrive.World/Bargespraeche