Wie das geht, humorvoll und trotzdem seriös ein Business führen? Muss man überhaupt lustig sein, und kann man Humor lernen? Die 180 Gäste des Bargesprächs Vol. 58 von Mitte September im Jelmoli Zürich erlebten nicht nur einen entspannten Abend, sondern auch einen, der voller Tief- und Scharfsinnigkeit steckte. Schuld daran: die tollen Gäste, die sich Initiantin und Gastgeberin der Bargespräche Sandra-Stella Triebl auf das Podium eingeladen hatte.
Den Auftakt bestritt Sophie Vann-Guillon, CEO und Créatrice von Valmont Cosmetics. Ein Ausbund an Energie, hatte die Beauty-Enthusiastin vor dem Podiumsgespräch vermutet, sie sei als erster Gast vorgesehen, um die Audience anzuheizen. Das war zwar nicht wirklich die Intention von Sandra-Stella Triebl, funktionierte aber trotzdem ganz famos! Sophie Vann-Guillon becircte die Anwesenden mit ihrer Geschichte von dem schüchternen Mädchen, das sie anscheinend war, und dass sie einen grossen Geist in einem kleinen Kopf hatte, nicht wissend, wie sie sich ausdrücken sollte. Sophie Vann-Guillon baut auch in ihre Teammeetings Humor ein und versucht, die Welt nicht so verbissen zu sehen. Down sei sie praktisch nie und wenn, dann gäbe es einen Drink oder zwei, sie gärtnert zum Ausgleich und denkt pragmatisch. Einen Satz kann man sich hinter die Ohren schreiben: Wenn ein Ziel nicht funktioniert, hat sie ein anderes, sie hält sich nicht mit Lamentieren auf, findet an jeder Situation etwas, das lustig oder verrückt ist. Und: Raus mit dem, was einem nicht passt. Wir glauben sofort, dass eine Sophie Vann-Guillon kein Blatt (mehr) vor den Mund nimmt, wenn ihr etwas nicht passt. Zur Not ruft sie sich selbst zur Ordnung, Sophie gab zu, im Lockdown das ein oder andere Mal mit sich selbst gesprochen zu haben, und erntete dafür erleichterte Lacher, anscheinend ging das nicht nur ihr so!
Auch schüchtern will Nina Müller als Mädchen gewesen sein, obwohl man sich das bei der redegewandten CEO von Jelmoli heute überhaupt nicht vorstellen kann. Die gebürtige Österreicherin erfüllt seit Mai diesen Jahres das traditionsreiche Kaufhaus mit ihrem Charme und gab an, dass es in so verrückten Zeiten, wie auch als Leader von heute ganz allgemein, auch mal ganz gut tue, sich selbst nicht so ernst zu nehmen. Humor erleichtere so manche Situation, eben auch die der letzten Monate. Allerdings habe sie ein optimistisches Gen in sich, das helfe dann schon, wenn’s stürmt und tobt, und das tat es zweifelsohne heftig in den vergangenen Monaten, genau dann, als sie ihren Job antrat. Nina Müller hat Schlagzeilen gemacht. Und es braucht schon mehr als nur eine Prise Gelassenheit und Humor, um über sich selbst neid- und missgunstgeschwängerte Kommentare, wie sie sie erleben musste (wir wiederholen an dieser Stelle keine Widerlichkeiten), zu lesen. Zum Glück ist Nina Müller gelassen und souverän, weiss, was sie wert ist, und ist stolz, bei Swiss Prime Site, Besitzerin der Liegenschaft Jelmoli, die erste Frau in der Geschäftsleitung zu sein. Ihr Rezept: Auch mal sagen, wenn sie einen schlechten Tag hat und nicht gestört werden will, und ab und zu auch mal über sich selbst lachen, das täte gut.
Die dritte Frau auf dem Podium war Rechtsanwältin Vera Niedermeyer. Die Neo-Unternehmerin hat sich mit PN Experience selbstständig gemacht, nachdem sie jahrelang überlegt hat, warum die Standardantwort auf die Frage „Wie geht es dir?“ immer „Gut“, und das in den meisten Fällen einfach glatt gelogen ist. Wenn man das Gefühl hat, das Ende der Fahnenstange erreicht zu haben, steht PN Experience einem mit Retreats zur Seite. Ihr Rezept: klares Denken; wenn man tot sei, sei man tot, und dann ist es egal, was man auf der Welt erlebt hat. Also raus mit den miesen Gefühlen, rein mit der Zuversicht und vor allem dem Wissen, dass es wahrlich nicht immer eine Krise braucht, um endlich aktiv an einem oder mehreren Problemen zu arbeiten. Vera Niedermeyer scheint sich gefunden zu haben, sie erzählte, wie schlecht es ihr zeitweilig selbst ging, bis sie die Lösungen ihrer Probleme aufgearbeitet hatte. Und jetzt hilft sie anderen weiter. Auch mit heiterer Gelassenheit.
Heitere Gelassenheit ist ohnehin der Leitspruch des letzten Gastes an diesem Abend. Jonny Fischer war eigentlich der einzige wirklich nervöse Typ an diesem Abend, er gab zu, noch nie, also wirklich noch nie, nie, nie in seinem Leben mit so vielen Frauen auf einmal konfrontiert worden zu sein. Jonnys Dauerthema ist, dass er immer für seine Bühnenfiguren gehalten wird und ständig lustig sein soll, als Comedian und Hälfte des Duos Divertimento sei das doch selbstverständlich. Ist es nicht. Jonny Fischer bekundete, schockverliebt in Sandra-Stella zu sein, etwas, was sein Mann vielleicht nicht ganz so gern hört, aber es ist rein beruflich. Sandra-Stella Triebl konnte Jonny Fischer nämlich bereits für ihre Stella Interviews auf Youtube gewinnen, eine der lustigsten und tiefgründigsten Begegnungen ihrer Karriere, wie sie bekannte. Jonny Fischer ist ein Phänomen, hatte eine turbulente Kindheit in einer Freikirche, die ihn alles andere als zu einem lustigen Menschen hätte machen können. Doch er hat es geschafft, sein altes Leben versöhnlich abzuschütteln, hat hart an sich selbst gearbeitet, nicht ohne viele Rückschläge, durch die er gehen musste, inklusive einem Totalzusammenbruch 2012. Man muss mit sich selbst im Reinen sein, sagte Jonny Fischer, dann könne man auch dem Gegenüber gegenübertreten. Schönes Bild. Worte hat der Mann, ganz viele, und er schreibt sie sogar auf, seine Story in Retrospektive, indem er an all die Orte gegangen ist, die in seinem Leben eine Rolle gespielt haben. Heilend sei das gewesen, Ballast habe er abwerfen können, und die Lockdown-Kilos, die schafft er auch noch.
Der Abend im Jelmoli klang auf zwei Ebenen aus, dem flexiblem Jelmoli-Team sei Dank, sonst hätte der Anlass so nicht stattfinden können. Die gute Laune blieb, keine Spur von postpandemischem Humorverlust, den Sandra-Stella Triebl in der Aussenwelt erlebt. Antrieb für die gute Laune: die gelebte Businesssisterhood, die Gästen wie Gastgebern unheimlich viel Kraft gibt, auch wenn der Druck gross ist und man nur zu gern „I’m not Superwoman!“ in die Welt schreien möchte. Tun Sie’s, oft und heftig, und verzeihen Sie sich Ihre Schwächen. Dann wird der Rest wie an diesem herrlichen Spätsommerabend um einiges leichter.
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