31. 60. 160.
Das sind die „Business-Masse“ von Alisa Jahnke. 31 Jahre alt. 60 Millionen Euro Umsatz. 160 Mitarbeitende. Das schaffte die junge deutsche Schönheit alles innerhalb von sieben Jahren. Da staunt so mancher Mitbewerber nicht schlecht und wir ebenso. Alisa ist die neue Generation Unternehmerinnen. Schön. Natürlich. Schlau.
Und irgendwie überdrüber multitaskingfähig und fast schon eine Art neue Superwoman, denn die Co-Founderin der Schmuckmarke PURELEI hat auch noch zwei kleine Kinder. Wir treffen uns zum Interview. Alisa sitzt im Auto. Zwischen zwei Meetings. Ich befürchte, dass dies kein entspanntes Gespräch wird, und frage, ob sie den Termin lieber verschieben wolle. „Nein, alles gut. Ich hab Zeit“, lacht sie entspannt und lässt ihre langen Haare über die Schulter fallen. Und schwupps hab ich mich wieder mal verliebt in einen Menschen, der genau das tut, was er liebt, und liebt, was er tut.
Während des Bachelorstudiums ging’s für ein Jahr nach Hawaii. „Mensch! Hätte ich auch mal machen müssen“, schiesst es mir durch den Kopf. Alisa strahlt entspannt in die Kamera und lacht: „Mein CV ist ziemlich kurz. Ich war Werkstudentin bei SAP, um Erfahrungen zu sammeln, aber nur kurz. Ich hab eigentlich in meinem Leben noch nie was anderes gemacht als PURELEI.“ Tja. Wer das Unternehmerinnen-Gen hat, der hat es eben. Mitbekommen hat sie es vom Papa, der als Physiotherapeut und Osteopath eine eigene Praxis betrieb. Er war es auch, der versucht hat, ihre Sinne in puncto Unternehmertum zu schärfen. „Er sagte mir immer wieder, wenn ich irgendwann mal die Chance hätte, was eigenes zu machen, solle ich diese Chance ergreifen. Sei aufmerksam, schau genau hin, irgendwann kommt vielleicht mal was, und du musst das dann erkennen.“ Weise Worte. Doch Worte allein können auch im Nirwana verhallen. Es braucht auch jemanden, der sie hört, und Alisa war dieser Jemand. Im Alter von 15 Jahren spielte Alisa Tennisturniere. Der Vater war es, der ihr damals den Trainerschein bezahlte, damit sie eigene Tennistrainer-Stunden geben könne. „Und das war auch etwas, das mich sehr geprägt hat: Ich war 16 und trainierte Gruppen mit älteren Jungs. Musste lernen, mich da durchzusetzen. Leadership, Empowerment hab ich ganz spielerisch mitgekriegt“, so die heutige Unternehmerin bescheiden.
Mit 16 stand Alisa somit finanziell bereits auf eigenen Beinen, was mich sehr an meine eigene Karriere erinnerte, denn auch ich hatte in demselben Alter die Chance, beim damals ersten baden-württembergischen Privatradio als Freelancerin anzufangen. Zu spüren, dass man sich mit dem selbst verdienten Geld ein grosses Stück Unabhängigkeit und Freiheit erarbeitet, hat wohl auch die junge Deutsche beflügelt. Doch auch die Mamma hat der 31-Jährigen zur unternehmerischen Freiheit verholfen. „Sie meinte, ich soll jetzt mal ruhig mein eigenes Ding machen – und sie hat mich gehen lassen. Heute arbeitet sie übrigens in der Finanzabteilung von PURELEI.“ Alisa beschreibt die Beziehung zu den Eltern mit vertrauensvoll. Sie habe ihr das Urvertrauen ins Leben und in die Menschen geschenkt, das sie so geerdet hat wachsen lassen.
Vertrauen gehört auch zu den Kernwerten ihres Unternehmens PURELEI. „Ich sage meinem Team immer wieder: Wir müssen eine Connection zu unseren Kundinnen und Kunden haben, zu unserer Community. Wir sind zum Beispiel immer für die Kundschaft da, auch auf Instagram. Das sind die Basics. Wir machen aber auch regelmässige Community-Events – drei- bis viermal pro Quartal. Mal in kleineren und mal in grösseren Gruppen. Und Vertrauen baust du genau da auf, wo du in den Dialog gehst, und das kann man bei diesen Offline-Events tun“, sprudelt Alisa begeistert, und ihre Augen leuchten. „Vor ein paar Wochen habe ich eine kleine Gruppe von Kundinnen zum Abendessen eingeladen, und auch da haben wir so viel Vertrauen erschaffen. Natürlich posten wir das dann auch auf Social Media – und unsere Kundinnen tun dasselbe. So multiplizieren sich die Communities und Follower.“ Ich sagte doch eingangs bereits – Alisa ist schlau. Gemäss dem Motto „das eine tun, das andere nicht lassen“ bedient sie die hoch skalierbaren Social-Media-Kanäle mit genauso viel Leidenschaft wie die kleinen, feinen Events. „Menschen kaufen von Menschen, weil Vertrauen da sein muss“, bringt sie es abschliessend auf den Punkt. Wie wahr. Und jede Kundin, die auf einem Event ist, dies postet, ist wie eine weitere Vertrauensbotschafterin für die Marke, was wiederum bei der Neukunden-Akquise hilft. Der vor vielen Jahren beschriebene Trend von „Recommended by a Friend“ – übersetzt: Wir folgen Empfehlungen unserer Freunde mehr als gut klingenden Marketingbotschaften – ist mitunter auch dank der sozialen Medien Realität geworden. Wir haben begonnen, den Marketingmassnahmen vieler Marken zu misstrauen, weil wir wissen, dass sie nur ein Ziel verfolgen: Sie wollen bewirken, dass wir Geld ausgeben. Das ist ja grundsätzlich nichts Schlechtes, aber viele Menschen fühlen sich manipuliert und vertrauen eben lieber einer Freundin, die eine Marke, einen Service bereits für sich entdeckt hat.
Bei PURELEI, so erzählt sie freudig, spräche man zudem nicht von einer Kundenbestellung. Sondern? „Von einem Glücksmoment“, verrät die Unternehmerin mit einem geheimnisvollen Lächeln auf den Lippen. „Unser Schmuck soll ja einen Glücksmoment auslösen, wenn man ihn in Händen hat und wenn man ihn trägt, deshalb tun wir als Unternehmen alles dafür, dass es eben auch zu diesem Glücksmoment kommt.“
Doch wie kreiert Alisa mit ihrem Unternehmen Vertrauen – online? Geht das überhaupt? – „Ich finde, das geht“, antwortet sie und ergänzt flugs: „Wir zeigen immer wieder unsere Mitarbeitenden, sie sind auch unsere Models für die Schmuckkollektionen. Ich möchte sichtbar und nahbar sein für unsere Community. Zudem empowern wir auch alle Mitarbeitenden, in den sozialen Medien aktiv zu sein und sich zu zeigen.“ Wenn man weiss, wer hinter der Marke steht, wer verschickt mein Paket, wer kreiert es, ist eine Marke nicht mehr anonym, sondern besteht aus Fleisch und Blut, was ebenfalls Vertrauen fördert.
So ähnlich ist es mittlerweile auch in der Medienbranche. Früher war den Verlegerinnen und Verlegern teilweise ziemlich wurscht, wer ein Magazin liest, wer es produziert – Hauptsache, es wurde gekauft. Als wir von Ladies Drive 2009 mit Events angefangen haben, weil wir unsere Community persönlich kennen wollten, haben uns viele ausgelacht. Weitergemacht haben wir trotzdem, weil wir wussten, dass man seine Kundschaft kennen muss, dass man ihnen zuhören darf, und wenn man das konsequent tut, unfassbar viel lernt über ihre Bedürfnisse, Probleme, Herausforderungen. Genau das weiss auch Alisa. „Wir müssen unsere Kundinnen und Kunden so gut kennen wie unsere besten Freunde“, sagt die Entrepreneurin mit unbeirrbarer Selbstverständlichkeit. „Bei diesem Dinner in kleiner Runde hat mir eine der Kundinnen, eine Krankenschwester, erzählt, wie wichtig ihr unser Schmuck ist. Insbesondere die Ohrringe. Weil sie ja sonst keinen Schmuck tragen darf, und mit einer Maske sähen ja alle genau gleich aus. Da hab ich erst verstanden, wie wichtig für sie Ohrringe sind. Das hätte ich in einer Marketingumfrage vermutlich nie erfahren.“
Ich wundere mich während unseres Gesprächs, woher diese starke Verbundenheit mit der Community, diese glasklare Strategie, die irgendwie gar keine ist, weil sie bei ihr so natürlich erscheint, woher also all das stammt, und ich vermutete, dass vieles mit dem Jahr in Hawaii zu tun hatte. „Ich finde das so schön – das hat mich noch nie jemand gefragt“, entgegnet Alisa, und ihr Gesicht strahlt noch mehr als zuvor schon. „Ich hatte schon einen Arbeitsvertrag für einen Job in München auf dem Tisch, hab den dann aber sausen lassen, damit ich das Auslandssemester für die Uni auf Hawaii machen konnte. Ich hab das alles Hals über Kopf gemacht – hatte keine Unterkunft, kannte niemanden, bin ans andere Ende der Welt gereist, ich war 21 Jahre alt. Aber das hat mich so was von wachsen lassen. Diese Zeit hat unfassbar viel mit mir gemacht. Ich hab zudem so eine tiefe Liebe zur Natur entwickelt, die hat mich verändert. Wenn ich heute gestresst bin, geh ich in den Wald. Das hat Hawaii mich gelehrt. Dass die Natur uns so viel Energie zurückgeben kann. Und noch was Drittes – das Aloha-Feeling. Das bedeutet ein respektvoller und liebevoller Umgang, den man auf Hawaii lebt. Das habe ich mit zurück nach Europa genommen. Es ist ein zentraler Bestandteil von mir und von meinem Unternehmen.“ Wir plaudern noch eine Zeit lang über ihre Kinder und Tattoos, bevor Alisa ins nächste Meeting entschwindet. Zurück blieb für mich das starke Gefühl, dass Menschen wie sie Teil des neuen Megatrends der Kindness Economy sind (mehr dazu dann in unserer Frühlingsausgabe 2024 sowie in der Kolumne von Oona Horx Strathern in dieser Ausgabe). Ja. Wir können Profit machen. Wir denken an Menschen, die an einem Produkt arbeiten. An die Natur, deren integraler Bestandteil auch wir selbst sind. Und wir verbinden das mit ganz viel Sinnstiftung und mit grossem Wohlwollen unserer Kundschaft gegenüber. Auf mehr solcher wundervollen, starken Frauen freue ich mich.