Sonja Jimerson-Schnüriger
Inhaberin und Head Coach KSR Muay Thai Luzern, zweifache Europameisterin,
die erste Frau in der Schweiz, die allein eine Thaiboxschule leitet und einen Profikämpfer trainiert.
Vertrauen ist der unsichtbare Kitt, der uns in Beziehungen und in der Gesellschaft zusammenhält. Doch was passiert, wenn dieser Kitt bricht? Für mich führten wiederholte Vertrauensbrüche, sowohl im Privatleben als auch im Geschäftsbereich, zu einer der prägendsten Entscheidungen meines Lebens.
In meinem Herzen bin ich jemand, der in seiner Grundessenz das Gute in den Menschen sieht. Dieser positive Blick ermöglicht es mir, mit Leichtigkeit und Offenheit Vertrauen zu schenken. Doch gleichzeitig habe ich gelernt, dass mein Bauchgefühl der wertvollste Kompass ist, auf den ich mich verlassen und dem ich vertrauen kann, insbesondere wenn es darum geht, einer fremden Person Vertrauen entgegenzubringen.
Zuverlässigkeit, Integrität, Authentizität, Ehrlichkeit, das Einhalten von Versprechen – das sind die Säulen, auf denen Vertrauen erbaut wird. Doch in dem Moment, in dem wir Vertrauen schenken, machen wir uns auch verletzlich. Es ist, als würden wir einen Teil unserer Kontrolle, einen Teil unseres Selbst, in die Hände eines anderen legen. Und wenn dieses heilige Band zerstört wird, hinterlässt es tiefe Narben. Ja, ich habe solche Narben. Einmal gebrochenes Vertrauen hat mich an den Rand meiner Kraft gebracht, mich verändert, mich aber auch dahin geführt, wo ich heute stehe. Es hat meine Fähigkeiten herausgefordert, mich gezwungen, Selbstvertrauen zu entwickeln, mich auf meine innere Stärke zu besinnen, und mir gezeigt, dass ich resilient bin. Dass ich wieder aufstehen und weiterkämpfen kann, solange ich das Vertrauen ins Leben nicht verliere.
So schmerzhaft diese Zeit auch war und so sehr sie meine Existenz infrage stellte, waren es genau diese Vertrauensbrüche, die mich letztlich dazu brachten, meinen eigenen Weg in die Selbstständigkeit zu wagen, meinen eigenen Weg zu gehen und meine eigene Chefin zu sein.
Früher zweifelte ich, ob ich die Stärke, das Wissen oder die Fähigkeit besass, mein eigenes Geschäft, meine eigene Thaiboxschule zu führen. Doch die wiederholten Enttäuschungen und Verletzungen, die ich durch andere erfahren hatte, wurden zu meiner treibenden Kraft. Sie lehrten mich, dass ich nicht auf andere angewiesen sein sollte, um meinen Wert zu bestimmen oder um meine Träume zu verwirklichen.
Es war ein Akt der Selbstbefreiung und auch des Selbstschutzes. Ein Ort, an dem ich die Kontrolle hatte, an dem ich die Kultur prägen konnte, basierend auf den Werten von Ehrlichkeit, Integrität und gegenseitigem Respekt. Mein Gym wurde zu einer Festung des Vertrauens in einer Welt, die mir oft genug gezeigt hatte, wie zerbrechlich dieses Gut sein kann.
Heute, mit einer Gemeinschaft von 180 treuen Mitgliedern, sehe ich, wie richtig dieser Schritt war. Meine Mitglieder sind nicht nur Kunden, sie sind Zeugen meiner Reise, meiner Widerstandsfähigkeit und meines unerschütterlichen Glaubens an das Gute im Menschen. In unserer heutigen digitalen Gesellschaft, in der Social Media und künstliche Intelligenz dominieren, bekommt Vertrauen eine noch tiefergehende Dimension. Die Welt wurde kleiner, aber die Fragen des Vertrauens wurden grösser. Online-Interaktionen, soziale Medien, die Grenzen zwischen dem, was real, und dem, was digital ist, verschwimmen. Die Herausforderungen des Vertrauens in dieser Ära sind einzigartig, aber sie bieten auch neue Möglichkeiten für Verbindung und Verständnis. Früher habe ich mich gegen die Flut der sozialen Medien gesträubt, doch heute erkenne ich ihre Macht und ihren Wert für mein Geschäft. So sehr ich die sozialen Medien in dem Sinne schätzen gelernt habe, so froh bin ich, dass der direkte, persönliche Kontakt mit meinen Mitgliedern und das tiefe Vertrauensverhältnis zwischen uns das ist, was mein Business ausmacht. Ihr Vertrauen in mich, meine Loyalität ihnen gegenüber bilden das Fundament, auf dem alles steht. Für meine Mitglieder da zu sein, sei es im Training als motivierende Stimme oder als Unterstützung bei persönlichen Krisen und im privaten Leben, ist das, was mich vorantreibt und mir die Kraft gibt, stets weiterzumachen, zu kämpfen, so schwierig die Herausforderungen auch sein mögen. Vertrauen ist wenig greifbar und schwierig zu messen, die Anzahl meiner Stammkunden würde dem Ganzen aber am nächsten kommen und könnte als Parameter für das gemessene Vertrauen in meinem Business angesehen werden. Insbesondere die Beziehung zwischen Kämpfer und Trainer, die ich bei Wettkampfvorbereitungen und an Wettkampftagen erlebe, ist ein intensives Zeugnis für dieses Band. Wettkämpfe sind emotionale Wirbelstürme, in denen das gegenseitige Vertrauen essenziell ist.
Als Sportlerin ist auch das Vertrauen in den eigenen Körper von immenser Bedeutung, welches auch gelernt sein muss. In meiner aktiven Wettkampfzeit habe ich oft an mir und meinem Körper gezweifelt und ihm nicht das nötige Vertrauen geschenkt. Nach 38 Jahren habe ich gelernt, meinem Körper besser zuzuhören, ihm zu vertrauen und stolz auf seine Errungenschaften zu sein. Dies wiederum führt zurück zum Selbstvertrauen, zur Akzeptanz und schliesst den Kreis des Vertrauens. Ein endloser Zyklus im Laufe des Lebens.
Meine Geschichte zeigt, dass Vertrauensbrüche, so verheerend sie auch sein mögen, uns auch zu grösseren Höhen führen können. Sie haben mich gelehrt, nicht nur anderen, sondern vor allem mir selbst zu vertrauen. Und dem Leben.