Die Frage ist die dritte von dreien aus dem Buch „Das Café am Rande der Welt“ von John Strelecky, die Sandra-Stella Triebl an den vergan- genen Bargesprächen ihren Gästen auf dem Podium stellte. Dass inzwischen längst John Strelecky selbst auf die Eventreihe aufmerksam geworden ist, dass die Idee, diese Fragen zum Thema der Bargespräche zu machen, den Autor selbst auf den Plan rief und was für ein faszinie- rendes Gespräch zwischen Sandra-Stella Triebl und Strelecky daraufhin zustande kam, können Sie auf unserem Ladies Drive-Blog www.ladiesdrive.tv nachlesen.
Das Bargespräch Vol. 66 fand einmal mehr vor über 150 Gästen in den beiden obersten Stockwerken des Jelmoli-Kaufhauses in Zürich statt. Vor ausgebuchtem Haus stellten sich vier ganz unterschiedliche Persönlichkeiten der nicht ganz bequemen Frage, ob sie denn ein erfülltes Leben führen würden.
Sprengstoff in jeder Hinsicht bot der erste Gast, Katrin Stauffer (mehr über die #krassefrau kann man im Ladies Drive Magazin No. 49 vom Februar 2020 nachlesen, wir haben sie als eine „Women with a purpose“ dort bereits vorgestellt). Sie ist Minenräumerin von Beruf, jagt Minen auf der ganzen Welt in die Luft, was nicht unerheblich zur Aggressionsbewältigung beitragen würde, wie die Bernerin nicht ohne Galgenhumor erklärte. Ausgerechnet Afghanistan war ihr letzter Einsatzort; kurz bevor in Kabul das Chaos ausbrach, reiste Katrin Stauffer wieder zurück in die Schweiz. Sie führe sehr wohl ein erfülltes Leben, sagte Katrin Stauffer, denn sie habe längst herausgefunden, was sie glücklich macht: sich immer wieder selbst herauszufordern, aus dem warmen, weichen Schweizer Kokon herauskatapultiert zu werden und in Krisengebiete zu reisen. Das bewirke, dankbar zu sein, für das, was man hat. Einen tiefgrün- digen Tipp hatte die Schweizer Minenräumerin für das Auditorium parat, nämlich den Mut zu haben, man selbst zu sein und zu bestimmen, was man nicht will. Und dass es die einfachen Dinge des Lebens sind, die am Ende für Erfüllung sorgen, wie zum Beispiel mit dem Partner einfach einen Abend vor dem Fernseher zu verbringen, das mache dankbar und bescheiden. Abgesehen davon sei ein Minenfeld eines der sichersten Terrains, versichert sie. „Da überlassen wir keinen Zentimeter dem Zufall, denn alles andere wäre nicht nur töricht, sondern tödlich.“
Dass in der Schweiz hingegen offensichtlich nicht alles so toll ist, erfährt Andrea Rutishauser, CEO von BWI (Beratung Weiterbildung Inspiration) fast täglich. Sie coacht Menschen, die nicht weiterwissen, weil sie zum Beispiel ihren Job verloren haben, etwas, das im vergan- genen Jahr nur allzu vielen passiert ist. Sie knüpfte direkt an die Aussagen von Katrin Stauffer an, hat in ihrer langjährigen Tätigkeit erfahren, dass man, wenn man mit sich selbst nicht im Reinen ist, ständig in Furcht lebt, was als Nächstes passieren kann. Als ihren persönlichen Luxus bezeichnete Andrea Rutishauser, abends ihren Kindern etwas vorlesen und mit ihnen im Bett einschlafen zu können. Ein Stück erfülltes Leben, dem sichtbar sehr viele Gäste des Abends beipflichten konnten.
Etwas gwundriger wurde man, als Philipp Keel auf die Bühne kam. Der Diogenes-Verleger Schrägstrich Autor Schrägstrich Künstler gab zu, dass die Welt voller grosser Namen – im elterlichen Haus des Sohnes von Verlagsgründer Daniel Keel († 2011) gingen Persönlichkeiten wie Patricia Highsmith, Friedrich Dürrenmatt und Donna Leon ein und aus – nicht spurlos an ihm vorübergegangen sei. Bis anhin sei die Welt für ihn in Ordnung gewesen, bis Sandra-Stella Triebl mit der Frage nach dem erfüllten Leben in seines gekommen sei. Er habe nicht mehr schlafen können, kokettierte der Sprachgewandte, weil er sich diese Frage bisher nicht gestellt habe. Für ihn stehe „erfüllt“ gleich für „Fülle“, und er müsse sich ständig die Frage gefallen lassen, ob er nicht zu viel mache. So richtig eine Antwort auf die eine wie die andere Frage hat Philipp Keel jedoch – noch – nicht gefunden. Jedenfalls gab er keine schlüssige Antwort – anders als die, dass er es als grosse Kunst erachte, das Mass der Dinge im Leben zu finden. Man wünscht es ihm, aus tiefstem Herzen. Mehr zu seinem (gut gefüllten) Leben lesen Sie in dieser Ausgabe auf Seite 22.
Vielleicht sollte sich Philipp Keel von Nancy Wayland, vierter und letzter Gast an diesem Abend, coachen lassen. Die CEO der SVA Aargau hat nämlich im Gegensatz zum umtriebigen Verleger keine gefüllte Agenda. Sie lässt sich bewusst und strukturiert Freiräume in ihrem anspruchs- vollen Job, füllt diese mit Menschen, für die sie sich Zeit nimmt. Auf die Art und Weise sei sie nie gestresst, höchstens Budgetprozesse wie die tagesaktuellen wegen der vielen Krisenfälle würden nicht ganz stressfrei ablaufen. Man konnte spüren, dass hier eine Führungsper- sönlichkeit sass, die sich eine ganz wunderbare Methodik für ihre Position im Unternehmen erarbeitet hat, die nicht alltäglich ist, aber für sehr viel Zufriedenheit und Ruhe auf dem Schiff sorgt, und die nicht davor zurückschreckt, auch mal ganz andere Führungsprinzipien und Methoden der Personalführung einzusetzen, die andere wohlmöglich als „esoterisch“ abtun würden.
Ein erfüllender Abend, einmal mehr, den Sandra-Stella Triebl mit einem „Hoch auf alle Frauen“ schloss, denn die Business Sisterhood würde in ihrem Universum von Unternehmen und Netzwerken den grössten Umsatz darstellen. Vor diesem Hintergrund fiel es Nina Müller, CEO von Gastgeber Jelmoli und persönlich anwesend, leicht, die Frage nach einer Verlängerung der Kooperation für weitere Barge- spräche im Jahr 2022 zu bejahen. Auch Umsatz oder selbiger in Aussicht gestellt kann, darf und soll zu einem erfüllten Leben beitragen. So sehen wir uns im Sommer 2022 wieder – zu den Bargesprächen im Jelmoli Zürich.
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