Annina Menzi: Steward Ownership

Text: Annina Menzi
Illustration: Istock / Svetlana Larshina

Ladies Drive No. 65: Steward Ownership
Ladies Drive Magazine
Auch das gehört zur Kindness Economy: wie es funktioniert.

Die Rechnung der heutigen Wirtschaft geht nicht auf: Sie rechnet mit unendlichen Ressourcen auf einem endlichen Planeten. Deshalb benötigt sie ein Update. Die Eigentumsstruktur Steward-Ownership betrachtet Profit nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck. Diese Denkweise könnte die Wirtschaft zukunftsfähig gestalten.

Gute Nachrichten aus der Wirtschaftswelt: Viele Menschen möchten sie zu Gunsten von Umwelt und Gesellschaft umkrempeln. Ein Beispiel dafür liefert die ökologische Kreislaufwirtschaft. Vor etwa sechs Jahren steckte diese noch in den Kinderschuhen. Nun gehört sie in vielen Produktionen weltweit zum Alltag. Auch sozial betrachtet belohnen Labels Unternehmen für transparente Lieferketten und faire Löhne. Doch um die Nachhaltigkeit in der Wirtschaftswelt gemäss dem Drei-Säulen-Prinzip zu gewährleisten, bedarf es neben der Umwelt und der Gesellschaft eines dritten Ansatzes: der Wirtschaft selbst. Aufstrebende Vorgehensweisen könnten diesen Bereich so revolutionieren, wie es die Kreislaufwirtschaft bei der Umwelt tut. Eine davon ist das Verantwortungseigentum – auch bekannt als Steward-Ownership. Diese aus Deutschland stammende Eigentumsstruktur machte 2022 international positive Schlagzeilen, als die Outdoor-Marke Patagonia verkündete: «We go purpose instead of public». Im Zuge dessen hat Patagonia das Unternehmen nach Steward-Ownership aufgestellt. Somit rückte die Sinnorientierung von Patagonia rechtlich bindend an erste Stelle. Profite werden seither dafür als Mittel zum Zweck betrachtet und Überschüsse für die Umwelt gespendet. Genau diese neue Denkweise von Steward-Ownership und somit die neue Sicht auf das Eigentum könnten der Schlüssel zu einer enkeltauglichen Wirtschaft sein. Aber weshalb braucht es überhaupt ein Umdenken beim Eigentum, dessen Strukturen und der Machtverteilung in der Wirtschaft im Allgemeinen?

Die heutige Wirtschaft ist ungesund

Wie sieht eine «perfekte Wirtschaft» aus? Darüber scheiden sich die Geister. Unbestritten ist jedoch: Die heutige Wirtschaft, in der finanzielles Wachstum an oberster Stelle steht, ist nicht überlebensfähig. Irgendwann stellt die Natur dafür keine Ressourcen mehr zur Verfügung. Oder aber die Ungleichheit in der Gesellschaft verursacht einen Kollaps des Systems. Das alles mag dystopisch klingen. Der von Menschen verursachte Klimawandel ist aber eine Folge der bisherigen Denkweise jener Wirtschaft, in der Profit oft die einzige Maxime ist.

Grosskonzerne wie Nestlé und Glencore müssen sich den Vorwurf gefallen lassen Mensch und Umwelt für das finanzielle Wachstum auszubeuten. Weiter wird ein Ausverkauf des Mittelstandes beklagt, da internationale Konzerne die kleineren Unternehmen kaufen. Doch auch KMUs, die den kurzfristigen Profit über den langfristigen Zweck stellen, sind Teil des „Problems“.

Ist dies also das Ende der Welt? Nein. Aber es könnte das Ende der Wirtschaft sein, wie wir sie heute können – und das ist gut so. Denn das Ende ist auch immer der Anfang von etwas Neuem. Es gibt bereits zahlreiche Möglichkeiten, wie wir die Wirtschaft heilen und somit zukunftsfähiger gestalten können. Heute möchte ich mit euch das Paradigma des Eigentums neu beleuchten. Denn dieser Hebel kann meiner Meinung nach einen enormen Einfluss auf die Zukunft haben.

Wir müssen mehr über Eigentum sprechen

Um ein Paradigma zu wechseln, müssen wir zuerst ein gemeinsames Verständnis des aktuellen Unternehmenseigentums schaffen. Dieses ist gemäss Definition ein Bündel von Rechten – konkret das Stimmrecht und das ökonomische Recht. Je mehr Unternehmensanteile eine Person besitzt, desto mehr kann sie mitbestimmen und desto höher fällt deren Profit aus. Zusammengefasst: Die Person mit dem meisten Geld verfügt über die grösste Macht. Vielen Aktionärinnen spielt es überhaupt keine Rolle, welchen Zweck ein Unternehmen verfolgt – solange der Profit stimmt. Viele sogenannte «Absentee Owners» steuern die strategischen Geschäfte aus der Ferne in Richtung Profit, ohne den Purpose des Unternehmens zu fördern, zu wahren oder gar zu kennen.

Neues Unternehmenseigentum hört sich weniger verlockend an, als Bäume zu pflanzen. Vielleicht wurde gerade deshalb bis anhin so wenig darüber gesprochen. Vielleicht befinden wir uns deshalb heute in dieser Situation mit Nachholbedarf. Aber genau der Paradigmenwechsel rund um Eigentum könnte die entscheidende Komponente für eine zukunftsfähige Wirtschaft sein. Steward-Ownership ist eine solche Struktur, die die bedingungslose Spirale des Profits und der Zweckentfremdung eines Unternehmens beenden kann.

Steward-Ownership stellt den langfristigen Zweck über kurzfristigen Profit

Die Grundidee von Steward-Ownership ist simpel und doch revolutionär: Ein Unternehmen soll sich selbst gehören. Die Eigentümer:in hält somit quasi die Rolle einer Treuhänder:in. Das Stimm- und Gewinnrecht wird getrennt und somit mögliche Interessenskonflikte konsequent aus dem Weg geräumt. Dabei verpflichten sich Unternehmen zu zwei Prinzipien: Selbstbestimmung und Purpose-Orientierung.

Durch diese Prinzipien steht bei dieser Eigentumsstruktur der langfristige Sinn eines Unternehmens über dem kurzfristigen Profit. Es ist hervorzuheben, dass die Prinzipien rechtlich verankert werden und somit unwiderrufbar sind. Dies hebt Steward-Ownership klar ab von anderen Vorgehen. Die Besonderheit an Steward-Ownership liegt darin, dass es nicht das «wie wir arbeiten», sondern das «weshalb wir arbeiten» ändert. Anstelle des Inhalts konzentriert sich Steward-Ownership auf das Gefäss und die Grundstruktur, die das Unternehmen ausmacht.

Sind Eigentum und Zweck Unternehmens sinnorientiert aufgestellt, folgen weitere Taten in Richtung enkeltauglicher Wirtschaft. Dies belegt auch die Wissenschaft: Unternehmen in Steward-Ownership sind gemäss Studien resilienter, diverser, langlebiger und innovativer. Die Idee von Steward-Ownership hört sich zwar neuartig an. Doch der Weltkonzern Bosch oder das weltweit führende Unternehmen in feinmechanischer Optik, Carl Zeiss AG, sind bereits seit dem 19. Jahrhundert nach Steward-Ownership aufgestellt. Steward-Ownership geht also weit über die moderne New-Work-Mentalität hinaus.

Für diese Organisationen eignet sich Steward-Ownership

Die Rechtsform, Grösse oder Branche eines Unternehmens spielt keine Rolle, um sich für Steward-Ownership zu qualifizieren. Ob innovatives Start-up wie Signal, traditionelles KMU wie Elobau oder Grossfirmen wie Alnatura: Solange der Unternehmenszweck Vorrang hat, ist Steward-Ownership eine passende Eigentumsstruktur.Insbesondere für Familienunternehmen und mittelständische Unternehmen ist Steward-Ownership eine Lösung für deren Nachfolge. Diese Eigentumsstruktur regelt die Nachfolge nicht nur über die Bluts- oder Kapitalverwandtschaft, sondern über die Werteverwandtschaft. Auch für Gesundheits-, und Bildungsinstitutionen, die eine klare Abgrenzung zur kurzfristigen Profitmaximierung suchen, ist Steward-Ownership eine spannende Alternative. Nicht zu vergessen sind auch Sozial-, und Umweltunternehmen aber auch Technologieunternehmen mit ethischen Fokus. 

Wo liegt der Haken? Trotz durchdachtem und jahrhundertelang bewährtem Konzept, ist Steward-Ownership in der Schweiz noch wenig bekannt. Dies birgt je nach Kontext Herausforderungen bei der Kapitalbeschaffung. Traditionelle Finanzierungsquellen müssen die Dynamiken und Risiken von Unternehmen in Steward-Ownership erstmals kennenlernen. Weiter kann eine Einführung von Steward-Ownership in etablierten Unternehmen zeitaufwendig sein. Ausserdem eignet sich Steward-Ownership nicht für Unternehmen, die eine Exit-Strategie verfolgen.

Kurzum: Steward-Ownership ermöglicht es den Kern von Unternehmen, das Eigentum für eine zukunftsfähige Wirtschaft verbindlich zu transformieren. Die grundlegende Idee: Unternehmen sind nicht zum Reichwerden da, sondern um ihren Zweck zu verfolgen. Lasst uns die Idee von Eigentum daher genau anschauen, denn hier liegt ein mächtiger Schlüssel vergraben.


Organisation: Purpose Schweiz

Purpose Schweiz ist die offizielle Anlaufstelle in der Schweiz für Steward-Ownership, eine innovative Alternative zu herkömmlichen Eigentumsformen. Es ermöglicht, die Unabhängigkeit und Sinnorientierung eines Unternehmens rechtlich verbindlich in dessen DNA – dem Eigentum — zu verankern. Das Ziel von Purpose Schweiz ist eine gesunde Wirtschaft, die dem Menschen dient. Neben der Unterstützung von Unternehmen durch Beratung und Finanzierung liegt der Fokus auf Forschung und Wissensvermittlung.

purpose-schweiz.org


Ladies Drive No. 65: Steward Ownership. Annina Menzi. Photo: Jasmin Frei.
Annina Menzi.
Photo: Jasmin Frei.

Annina Menzi

Annina Menzi, Mitbegründerin von Purpose Schweiz, ist seit über zehn Jahren in der New-Work- und Innovationsbranche tätig. Als charismatische Unternehmerin mit Talent zum Brückenbauen, setzt sie sich mit Herzblut für mehr Purpose und Menschlichkeit in der Wirtschaft ein. Durch ihren Entdeckerinnengeist ist Annina seit jeher fasziniert «das neue Normal» mitzugestalten und kann als Vorreiterin zu der Schweizer «Economic avant-garde» gezählt werden. 

Veröffentlicht am April 10, 2024
Weitere Artikel aus der Ladies Drive No 65 (Frühling 2024) Ausgabe
Teresa Valerie Mandl: Pareidolie

Teresa Valerie Mandl: Pareidolie

Wenn wir in Dingen (freundliche) Gesichter sehen
A Space of Kindness

A Space of Kindness

Airbnb, die humane Tech-Company
Tabea Oppliger: Würdevoll

Tabea Oppliger: Würdevoll

Früher hat sie Prostituierte massiert. Heute gibt sie ihnen einen Job. Tabea Oppliger hat mit KitePride ein Unternehmen gegründet, das ehemalige Prostituierte beschäftigt. Denn diese wollen kein Mitleid. Sie wollen eine Alternative. Über Kindness im Sexgewerbe und ein würdevolles Leben nach dem Rotlicht.
Bea Petri trifft Manuela Leonhard

Bea Petri trifft Manuela Leonhard

Manuela Leonhard: geboren 1965 in Romanshorn, Primarschule und Sek in Amriswil, KV-Lehre auf einem Anwaltsbüro in St. Gallen, 13 Jahre Hotel Leonhard Zürich, 7 Jahre Flight Attendant/Mâitre de cabine bei Swiss International Airlines, 18 Jahre Stadtverwaltung Zürich, davon 12 als Assistentin der Stadtpräsidentin.
Ladies Drive No. 65: Rezepte für Gestresste & Ideenlose

Ladies Drive No. 65: Rezepte für Gestresste & Ideenlose

Roher, marinierter Spargelsalat mit Sesam-Granola und Onsen-Ei
Warum inklusive Führung so wichtig ist

Warum inklusive Führung so wichtig ist

Wir am CCDI haben eine Vision: Wir wollen die Gesellschaft gerechter machen.
Laura Stocco: Wenn es dort funktioniert, funktioniert es überall

Laura Stocco: Wenn es dort funktioniert, funktioniert es überall

Laura Stocco, Mitgründerin und CMO von Openversum, ist die Gewinnerin des Recognition Award 2023, den sie im vergangenen Jahr bei unserem 6. Female Innovation Forum 2023 im BMW Group Brand Experience Center in Dielsdorf entgegennahm.
Audi SQ8 e-tron: Superstarker Stromer

Audi SQ8 e-tron: Superstarker Stromer

Auch wenn es noch immer viele Fragezeichen gibt: Die Verkaufszahlen von Elektroautos sprechen eine eigene Sprache. Audi zum Beispiel konnte im vergangenen Jahr 58 (!) Prozent mehr Elektroautos als im Vorjahr verkaufen. Einen – noch – kleinen Anteil daran hat der Audi SQ8 e-tron. Wir haben ihn gefahren.
Ungeteilt statt umverteilt

Ungeteilt statt umverteilt

Bentley Gt V8 Azure
Wicca Botanica

Wicca Botanica

Die Kraft der Heilkräuter
Die Crash-Dummys werden weiblich

Die Crash-Dummys werden weiblich

Ein Verkehrsunfall – der Horror jeder Autofahrerin und jedes Autofahrers. Mercedes-Benz forscht federführend seit über 60 Jahren an der Unfallsicherheit. Dabei kommen sogenannte Crash-Dummys zum Einsatz.
NFTs: Pioneering a Sustainable and Kind Economy

NFTs: Pioneering a Sustainable and Kind Economy

The rise of NFTs (Non-Fungible Tokens) has sparked both excitement and controversy in the world of digital assets.
Dr. Med. Evelyn Mauch: Mayday! Mayday!

Dr. Med. Evelyn Mauch: Mayday! Mayday!

Wieso das Gehirn und unser Körper bei Stress die Kindness verlieren.
Patti Basler: Be Kind

Patti Basler: Be Kind

Die Sprachspielerin in mir übersetzt diese einfache Aufforderung mit: „Sei ein Kind!“ Dabei ist es ein Aufruf zu Freundlichkeit. Wir alle spielen verschiedene Rollen, wir alle tragen im Geschäftsleben unterschiedliche Masken.
ESG: Ein wichtiger Teil der Kindness Economy

ESG: Ein wichtiger Teil der Kindness Economy

Interview mit Alexie Duncker Grosse, ESG Analyst bei S&P Global in Zürich.
Ladies Drive No. 65: Beauty Must Haves

Ladies Drive No. 65: Beauty Must Haves

Eure Beauty Must Haves im Frühling 2024.
Fashion in Ladies Drive No. 65: Inspirational Woman Designers

Fashion in Ladies Drive No. 65: Inspirational Woman Designers

Meet the inspiring woman designers: Ida Gut, Dea Kudibal, Waldorf Zurich, and Kristina Ferenchuk.
Ist Kindness Economy mehr als ein Hype?

Ist Kindness Economy mehr als ein Hype?

Wie man nett und erfolgreich sein kann.
Women of Iran

Women of Iran

“I am a 34-year-old woman who was born in Tehran, Iran, and hold a master’s degree in renewable energy engineering. Despite my educational background, I have followed my passion for art and now work as a painting instructor. I give this interview anonymously.”
Josef Zotter: BIOnier der Kindness Economy

Josef Zotter: BIOnier der Kindness Economy

Josef Zotter zählt zu den besten 25 Chocolatiers der Welt. Er ist bis heute einer der wenigen in Europa, der ausschliesslich bio und fair produziert. Seine wilden, verrückten und provokativen Kreationen bereiten nicht nur Gaumenfreuden.
Dayo Okewale: Against All Odds

Dayo Okewale: Against All Odds

Dayo Okewale was born and raised in Hackney, East London. He lived a street away from “Murder Mile”, in a neighbourhood that we might call “underprivileged”. His talent, curiosity, divine alignment and Pina Coladas at a beach in the Cayman Islands opened many doors: his current role is senior advisor in the House of Lords in the United Kingdom.
Start-up Stories: OiOiOi

Start-up Stories: OiOiOi

Das Leih-Abo für nachhaltige Baby- und Kinderkleidung.
Money – The Killer of Feelings & Kindness? Dr. Mara Catherine Harvey

Money – The Killer of Feelings & Kindness? Dr. Mara Catherine Harvey

When it comes to money, friendship ends, is a very common saying, money kills feelings. So how could the endeavour for kindness economy ever coexist with money and the world of investments?
Patrick Stäuble: A Kind Place

Patrick Stäuble: A Kind Place

Was das Shoppi Tivoli in Spreitenbach so erfolgreich macht.
The Kind Country – ความเมตตา

The Kind Country – ความเมตตา

Wenn wir über Kindness Economy sprechen, müssen wir unbedingt auch über Thailand reden. Für mich eines der Länder, wo Dienstleistung im wahrsten Sinne des Worte gelebt wird.

Ladies Drive Magazin

4x pro Jahr.

Werde Teil der Business Sisterhood und des Ladies Drive Soultribes.
Bestelle das Magazin in unserem Shop.

Ladies Drive No 67 - Herbst 2024

Folgt uns in den sozialen Medien, um in Kontakt zu bleiben und erfährt mehr über unsere Business Sisterhood!

#BusinessSisterhood     #ladiesdrive

Möchtet Ihr mehr News über die Sisterhood & alle Events?

Pin It on Pinterest

Share This