Annabella Bassler


Dr. Annabella Bassler ist seit 2012 Chief Financial Officer des Medienkonzerns Ringier AG.
Die 44-jährige gebürtige Deutsche initiierte 2019 die Ringier-Initiative EqualVoice, deren Ziel es ist, Frauen in der Berichterstattung sichtbarer zu machen und ihnen die gleiche Stimme zu geben.
Chance auf Dankbarkeit
Die Pandemie hat uns alle unerwartet und teilweise auch unvorbereitet getroffen. Und kaum jemand von uns hätte wohl im März 2020 gedacht, dass wir uns auch über ein Jahr später noch in dieser unsicheren Situation befinden. Doch neben all den negativen Folgen – gesundheitlich, sozial, wirtschaftlich und kulturell – durfte ich während Covid-19 auch positive Seiten erleben. Neben mehr Zeit mit meiner Familie durfte ich auch eins meiner Herzensprojekte voranbringen: unsere Ringier-Initiative EqualVoice.
EqualVoice wurde 2019 lanciert und hat zum Ziel, Frauen in den Medien sichtbarer zu machen. Wir wollen Frauen und Männern die gleiche Stimme geben. Studien haben gezeigt, dass weltweit acht von zehn Medientexten von Männern handeln. Auch in der Schweiz ist dieses Bild nahezu nicht anders. In der Schweiz handelt nur einer von vier Artikeln von Frauen. Genau dort setzt EqualVoice an: Mithilfe von künstlicher Intelligenz misst Ringier in den Artikeln aller Publikationen, wie oft Frauen zu Wort kommen. Trotz Homeoffice und Social Distancing konnte EqualVoice im vergangen Jahr an Fahrt aufnehmen, und wir können bereits jetzt eine erste positive Bilanz ziehen: So konnte die „Handelszeitung“ beispielsweise ihren EqualVoice-Factor von 17 auf 24 Prozent steigern.
EqualVoice ist ein wunderbares Beispiel für die Solidarität und Menschlichkeit, welche sich während dieser Pandemie immer wieder zeigt. Nur gemeinsam als Team können wir Grosses erreichen und unsere Gesellschaft voranbringen.
Auffallend war auch das Bedürfnis nach Leadership in dieser Zeit. Einmal mehr war es wichtig, nicht nur besonnen zu agieren, klar zu kommunizieren und alle auf die Reise mitzunehmen, sondern vor allem auch zuzuhören und sich in alle hineinzuversetzen – sich selbst nicht ausgenommen. Die Rolle des/der Leaderin war nicht nur als Strategin oder Visionärin oder Macherin zu verstehen, sondern vor allem auch als Coach. Es wurde einmal mehr deutlich: Nur wer bereit ist, seinen Teams die Steigbügel zu halten, damit alle auf die Pferde konnten, und klar das Ziel nannte, der hat den Ritt gewonnen. Denn allein bringt keine/keiner die Pferde ins Ziel. Und diese Art von Leadership basiert in erster Linie auf Vertrauen, Kollaboration und gegenseitiger Wertschätzung. Leadership nach Covid-19 bedeutet für mich nicht nur Führungskräfte und Managerinnen. Leaderin der Zukunft ist jede und jeder von uns – jede und jeder in ihrer/seiner Rolle – unabhängig von der beruflichen Stellung.
Trotz der positiven Seiten von Covid-19 vermisse ich natürlich auch den persönlichen Austausch. Sowohl im Privatleben mit meinen Freunden oder der Grossfamilie als auch im Berufsalltag mit meinem Team oder meinen Kollegen und Kolleginnen. Ich vermisse es, spontan Freunde einzuladen oder unbeschwert einen Ausflug mit meinem Sohn zu unternehmen.
Doch trotz allem: Ich bin in erster Linie dankbar. Dankbar dafür, dass meine Familie gesund ist und zusammenhält. Dankbar, eine Aufgabe zu haben, bei der ich so viel mit meinem hervorragenden Team bewegen kann. Menschen bei Ringier, mit denen wir jedes Hindernis sicher und gut meistern. Dankbar für meine Freunde, die trotz Distanz immer nah waren. Und auch dankbar für die Herausforderungen, die wieder einmal zeigen, dass man an ihnen trotz gewisser Tiefschläge auch wachsen kann.
Freiheit bedeutet für mich nicht mehr nur die freie Bewegung und Entscheidung, wohin ich gehen will. Es geht darum, die Möglichkeit zu haben, seine Träume zu verfolgen und gemeinsam als Team Grosses zu erreichen. Nur gemeinsam können wir die Welt verändern. Ich erhoffe mir, dass wir diese Pandemie auch als Chance sehen können. Eine Chance, um bestehende Ungerechtigkeiten aufzuheben, Diskriminierung zu eliminieren und gemeinsam in eine diversere Zukunft zu starten. Eine Chance, Solidarität zu leben und Dankbarkeit zu zeigen. Eine Chance für unsere Kinder, in einer gerechteren Welt mit mehr Menschlichkeit aufzuwachsen und der Möglichkeit, stets ihren Träumen folgen zu dürfen.