Was da nicht alles zu finden ist in der Schatzschatulle – zum Beispiel, was die Top-Suchfrage bei Google letztes Jahr in der Schweiz war – „Was koche ich heute?“, dann viel Corona und dann auf Platz vier „Wie viele Einwohner hat die Schweiz“ (nein, Einwohner:innen kam leider nicht vor). Finanzen? Im Jahr 2021 scheinbar null interessant, bei den Top-Suchbegriffen dominierte klar Fussball, „Euro 2021“, gefolgt von „Corona Schweiz“.
Das scheint sich jetzt zu ändern. Gemäss Google Insights steigt das Interesse an Finanzthemen dieses Jahr markant. So sind z. B. Suchanfragen nach „warum“ und „teuer“ allein in den letzten sechs Monaten weltweit um 20 Prozent gestiegen, und Begriffe wie „Lebenshaltungskosten“ („cost of living“) haben um 60 Prozent zugelegt. Bei der Wirtschaftslage ist dies eher keine Überraschung.
Sparen wird zunehmend mit Nachhaltigkeit kombiniert
Dass bei Google auch die Suchanfragen zum Energiesparen zugenommen haben, mag vielleicht nicht überraschen, was spannender ist, ist, dass der Spardruck auch zu einem Umdenken in Richtung nachhaltigen Konsums zu führen scheint: Die Anfragen nach Begriffen wie „second hand“ oder „reuse“ (Wiederverwendung) explodieren förmlich. Das zeigt sich auch in den steigenden Zahlen von Secondhand-Apps für den Wiederverkauf von z. B. Mode – gemäss Studien von www.thredup.com wird erwartet, dass der Secondhandmode-Markt bis 2026 um 124 Prozent auf 218 Milliarden Franken zulegen wird, im Jahr 2022 sollen es noch mal 24 Prozent sein.
Die Circular Economy – jetzt ein wirklich globaler Trend
Wenn alle Menschen auf der Welt so leben würden wie in den USA, dann bräuchten wir fünf Erden. Für einen Lebensstil wie in der Schweiz 2,4 (www.overshootday.org).
In unserer heutigen Wirtschaftstätigkeit nehmen wir Ressourcen von der Erde, stellen daraus Produkte her und werfen sie schliesslich nach Gebrauch als Abfall weg – ein linearer Prozess. Die Circular Economy oder Kreislaufwirtschaft stellt darauf ab, dass Abfall gar nicht erst entsteht. Die Ellen-MacArthur-Stiftung (ellenmacarthurfoundation.org), welche sich mit Themen der Kreislaufwirtschaft seit Jahren auseinandersetzt, definiert dies als „Systemlösungsrahmen, der globale Herausforderungen wie Klimawandel, Verlust der Biodiversität, Abfall und Umweltverschmutzung angeht“. Es geht darum, erneuerbare Energieformen und ressourcenschonende Materialien zu finden, Produkte und Dienstleistungen so zu erstellen, dass sie möglichst ressourcenschonend und abfallmindernd sind, und gleichzeitig die Regenerationsfähigkeit der Natur zu fördern. Dazu entstehen ganz unterschiedliche Themenfelder wie z. B. Biodiversität, Städtebau, Klima, Finanzen, Ernährung, Abfallentsorgung, Mode, Plastikherstellung.
Das Potenzial für die Gesellschaft, Wirtschaft und den Planeten ist riesig, gemäss WEF in Davos ist die Circular Economy „the business opportunity of our time“ (WEF, Mai 2022). Die Circular Economy schafft neue Arbeitsplätze, ermöglicht innovative Geschäftsmöglichkeiten und hilft gleichzeitig dem Klima. Innovative Beispiele gibt es z. B. in der Materialentwicklung, so hat Holcim mit Susteno einen Zement geschaffen, welcher zu 20 Prozent aus Bauabfällen besteht, die Swiss fliegt bereits seit 2021 mit nachhaltigem Kerosin und geht mit aerodynamischen „Sharklets“ an den Flügelspitzen neue Wege bei der Senkung des Treibstoffverbrauchs. Neben unternehmerischen Massnahmen geht die Idee viel weiter, z. B. für Stadt- und Lebensplanung. Im Circular Cities Barometer kannst du z. B. die Rangliste der Städte und deren Massnahmen nachschauen – Nummer eins ist Seattle, gefolgt von Kopenhagen, an dritter Stelle Zürich.
Wie du Circular für deinen (Finanz-)Alltag nutzen kannst
Egal ob die nächste Handtasche vielleicht als „Used“-Anschaffung stattfindet oder du weiter gehst, dein Auto verkaufst oder beim Car-Sharing-Pool anmeldest oder die Bohrmaschine ausleihst, anstatt sie zu Hause zu lagern – mit zunehmendem Interesse gibt es jede Menge Tools und Angebote, die das Tauschen, Mieten, Recyceln und Upcyceln im Alltag einfacher machen und eine positive Sofortwirkung auf dein Budget und die Umwelt haben. Wer z. B. wissen möchte, wie gut und ethisch eine Marke ist, kann bei www.goodonyou.eco oder www.codecheck.info nachschauen. Wer gern seinen persönlichen Earth Overshoot Day erfahren will, kann das auf www.footprintnetwork.org tun.
Für alle, die neben dem Alltag auch anlegen möchten, hier drei Ideen:
Zur Circular Economy gibt es bereits Fonds und Exchange-Traded-Fonds, z. B. von Blackrock, RobecoSam oder den BNP Paribas Circular Economy Leaders ETF.
Bewusst Aktien kaufen von Unternehmen, welche sich mit der Kreislaufwirtschaft auseinandersetzen oder viel in Forschung und Entwicklung investieren und entsprechende Prinzipien in der Strategie verankert haben.
Gezielt nach innovativen Start-ups suchen, welche neue Applikationen für Recycling und Sharing entwickeln oder Materialien erfinden.
Ideen, Wissen und Inspiration gibt es auf www.circular-economy-switzerland.ch, der News-Plattform zur Kreislaufwirtschaft in der Schweiz.
Wahrscheinlich ist es so, dass es in unserer Natur liegt, dass wir einen ausreichend grossen Anreiz brauchen, um unser Verhalten nachhaltig zu ändern. Die Idee der Circular Economy ist überhaupt nicht neu. Was neu ist, ist, dass die Idee jetzt mit steigendem Spardruck, Inflation, Energiesorgen und gestiegenem Umweltbewusstsein immer mehr um sich greift. So ähnlich wie die Pandemie einen Boom für digitale Kommunikation, digitales Lernen und digitales Bezahlen ausgelöst hat. Jetzt könnte ein ähnliche, anhaltende Bewegung stattfinden, und da nicht nur im Alltag, sondern auch mit einer Anlage dabei zu sein, könnte doch sehr spannend sein.
Linksammlung zum Thema:
www.circular-economy-switzerland.ch
Vestaire Collective: https://fr.vestiairecollective.com
Mädchenflohmarkt: www.maedchenflohmarkt.de
Reawake (Schweizer Anbieter): www.reawake.ch/en
Olga Miler
ist Ökonomin und Unternehmerin mit Spezialgebiet Finanzen. Für ihre transformative Arbeit in der Finanzindustrie erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen.Als Expertin spricht sie regelmässig auf internationalen Konferenzen und schreibt als freie Kolumnistin bei „Watson News“. Nach ihrer erfolgreichen Karriere bei verschiedenen Banken hat sie ein eigenes Start-up gegründet, SmartPurse (smartpurse.me/de-ch) – eine Finanztraining-Plattform, die unabhängig, praktisch und mit viel Humor digitale Kurse, Workshops und Coachings zum Thema Geld und Finanzen anbietet. In ihrer Freizeit unterstützt Olga als Board Member die Cherie Blair Foundation for Women.