Ladies with Drive: Circle of Young Humanitarians – Die Entscheiderinnen und Entscheider von morgen

Text: Dörte Welti

Young Ladies with Drive: Circle of Young Humanitarians - Jessica Eberhart, Kay von Mérey und Leonie Basler
Auf die Generation Z wird medial viel eingeprügelt. Die zwischen 1996 und 2010 Geborenen sind mit den digitalen Medien aufgewachsen, werden deswegen als realitätsfern angesehen und verhalten sich gerne mal renitent, derzeit besonders, wenn es um Klima-Aktivismus geht.

Einerseits traut man ihnen (noch) keine Reife zu, um sich ernsthaft zu engagieren, andererseits setzt man grosse Hoffnungen auf sie, weil sie jene Generation sind, die gravierende Fehler der älteren Generation aushalten, aber auch ausbügeln müssen. Jessica Eberhart, Kay von Mérey und Leonie Basler zeigen, was die Generation Z auch kann: ihre Skills nutzen, um die Welt ein bisschen besser zu machen. Ein Gespräch mit der Präsidentin des Circle of Young Humanitarians (CYH), Kay von Mérey. 

Young Ladies with Drive: Circle of Young Humanitarians - Jessica Eberhart, Kay von Mérey und Leonie Basler
Young Ladies with Drive: Circle of Young Humanitarians – Jessica Eberhart, Kay von Mérey und Leonie Basler

Kay von Mérey ist am rechten Zürichseeufer aufgewachsen. Sie machte ihre Matura in Zürich, kam schon früh mit Menschen in Kontakt, die beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz IKRK arbeiten. Kay entwickelte einen Traum: eines Tages selbst mal beim IKRK tätig sein. Nach der Matura machte sie ein Zwischenjahr, wo sie unter anderem beim Österreichischen Roten Kreuz und in einem Krankenhaus in Ecuador Freiwilligenarbeit leistete. Anschliessend studierte sie in St.Gallen an der HSG Internationale Beziehungen. Ihre Bachelorarbeit hatte in der Folge mit dem IKRK zu tun. Dann kam die Chance, tatsächlich beim IKRK einzusteigen, und Kay begann, als Trainee im Fundraising-Team im Headquarter des IKRK in Genf zu arbeiten.

Während der ganzen Zeit wurde ihr immer bewusster: Die humanitären Themen sind ihrer Generation fern. In der Coronazeit im Homeoffice formierte sich dann eine Idee: Was, wenn man eine Bewegung gründet, die eine Brücke schafft zwischen jungen Menschen und humanitären Organisationen? Kay teilte die Idee mit verschiedenen Freunden und klopfte das Interesse ab. Sie stellte fest: Das Interesse an humanitärer Arbeit ist gross, aber kaum einer der Gefragten wusste so richtig, wie sich damit beschäftigen. Kay holte schliesslich zwei engagierte Freundinnen ins Boot, Jessica Eberhart und Leonie Basler. Die drei entwickelten die Idee weiter, schlugen sie den Vorgesetzten des IKRK vor und bekamen eine Aufgabe: Sie sollten beweisen, dass so ein Circle funktioniert. Weil immer noch die Pandemie wütete, organisierten sie einen Online-Event, an dem zwei IKRK-Fachleute anwesend waren. Kay, Jessica und Leonie konnten 200 User aufbieten, ein Erfolg, der sie zum einen motivierte, ihren Circle of Young Humanitarians CYH auch tatsächlich zu gründen, und zum anderen dem IKRK bewies, dass ein Interesse besteht. Darauf wurde der CYH als politisch neutraler, gemeinnütziger Verein in Zusammenarbeit mit dem IKRK gegründet. Wir trafen eine voll motivierte Kay, die als Präsidentin des CYH fungiert, zum Gespräch. 

Ladies Drive: Ihr seid junge Frauen mit hervorragender Ausbildung – könntet ihr nicht einfach auch in die Wirtschaft gehen und Karriere machen? Andere gründen Start-ups, die sie skalieren und gewinnbringend verkaufen können. Eure Idee klingt erst mal nach viel Arbeit und wenig bis gar kein Lohn …

Kay von Mérey: Unser Weg begann mit einer Vision, jedoch war uns noch nicht klar, wohin uns diese Reise führen würde. Wir begannen mit kleinen Events, wo jeweils einfach das IKRK vertreten war. Doch im Laufe der Zeit hat sich das Bild erweitert, sodass wir im letzten März sogar eine Konferenz mit 300 jungen Menschen organisieren konnten, an der neben dem IKRK als Schirmherrschaft auch renommierte Organisationen wie Médecins Sans Frontières, UNICEF und das UNHCR mitgewirkt haben. Derzeit werden wir mit wertvollen Erfahrungen, einem spannenden Netzwerk und persönlicher Entwicklung entlöhnt. Ein prägnantes Beispiel war die Gelegenheit, auf dem 50-jährigen Jubiläum des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe vor 600 Menschen, darunter Bundesrat Ignazio Cassis, zu sprechen.

Nicht jedem ist das Gutmenschsein gegeben. Wo kommt dein humanitäres Denken eigentlich her?

Es sind eine innere Motivation und bis zum gewissen Grad auch Erfahrungen. Wir sind viel gereist, also meine Eltern mit uns Kindern, und mir ist oft aufgefallen, wie gross die Schere aufklafft zwischen Menschen wie uns, die sehr privilegiert sind, und anderen, die Not leiden. In meinem Zwischenjahr konnte ich bei verschiedenen Projekten Einblick bekommen, zum Beispiel auch bei Smiling Gecko des Künstlers Dr. Hannes Schmid in Kambodscha oder in einem Krankenhaus in Ecuador, das hat mich geprägt. Es gibt auch noch einen familiären Hintergrund: Die Mutter meines Vaters ist während des Zweiten Weltkrieges von Ungarn hierher in die Schweiz geflüchtet und hat sich später, als die Flüchtlinge 1956 aus Ungarn kamen, beim Roten Kreuz engagiert. Mit dem CYH versuchen wir etwas gegen die Missstände, Krieg und Gewalt auf der Welt zu unternehmen.

Meine Generation, so sie denn in der westlichen Welt geboren ist, ist mit einem gewissen Gefühl der vermeintlichen Sicherheit aufgewachsen, wir haben Waffenstillstand erlebt und gelebt und den Fall des Eisernen Vorhangs. Jetzt wird die Welt zunehmend unsicherer, sie ist in Aufruhr. Wie wollt ihr das in den Griff bekommen?

Es wäre übertrieben zu behaupten, dass wir mit dem Circle of Young Humanitarians den Anspruch hätten, so was in den Griff zu bekommen. Unsere Hoffnung ist vielmehr, dass wir durch Sensibilisierungsarbeit mit dem CYH einen Beitrag leisten können, der sich effektiv durch den Spillover-Effekt ausbreitet.

Kannst du den erklären?

Das ist wie ein Schneeballsystem: Junge Leute hören von CYH oder erfahren davon zum Beispiel über Social Media. Sie nehmen vielleicht an einem Event teil, erzählen anderen davon, inspirieren dadurch wieder andere. Je mehr sie an Events teilnehmen, desto grösser ist die Wirkung in ihrem Umfeld, bei den eigenen Eltern, Freunden, Coworkers. Dann beginnen sie, sich zu engagieren, spenden Geld oder Zeit, indem sie sich wiederum bei uns engagieren. Und das immer wieder aufs Neue. Auf diese Art und Weise sind wir in kürzester Zeit auf 40 Studierende und jungen Berufstätige angewachsen.

Wofür benötigt ihr Finanzierung? 

Unser Ziel ist es, Menschen durch Events zu erreichen. Dies erfordert finanzielle Ressourcen. Zudem müssen wir die Kosten decken, um unsere Arbeit zu ermöglichen, wie z. B. Microsoft Teams- und Website-Lizenzen. Derzeit möchten wir von der Foundingphase in die Phase der Professionalisierung übergehen.

Wie soll die Professionalisierung aussehen?

Bisher arbeiten alle 40 Leute ausschliesslich auf freiwilliger Basis. Es wäre schön, wenn wir parallel eine professionelle Struktur schaffen könnten, die sich um die Weiterentwicklung des CYH kümmert. 

Eine kritische Frage sei erlaubt: Humanitäre Organisationen und jetzt auch ihr mit dem CYH sind eigentlich die Aufräumer, sie kommen dann zum Zug, wenn andere Mist gebaut haben. Müsste man nicht früher einwirken, in ganz grossem Stil, damit Not gar nicht erst entsteht? Auf politischer Ebene zum Beispiel?

Einverstanden, dass es ganz verschiedene Kräfte braucht. Darum gibt es ja auch diverse humanitäre Organisationen, wie zum Beispiel Human Rights Watch, die tatsächlich auf die Missstände aufmerksam machen, die auch mal laut werden. Es ist aber auch wichtig, dass es die neutralen Organisationen wie das IKRK gibt, die den Auftrag haben, Opfer und Täter gleich zu behandeln. Trotzdem halten wir die Arbeit an der Basis für wichtig, weiterzutragen, was die Kriegsregeln sind, was das humanitäre Völkerrecht ist etc. Unser Ansatz beim CYH fokussiert auf Sensibilisierung und somit auf Prävention, um Not gar nicht erst entstehen zu lassen. Wir verstehen uns also nicht als „Aufräumer“, sondern versuchen, proaktive Mitgestalter einer besseren Welt zu sein.

Was kann der CYH leisten?

Alle, die im Moment aktiv dabei sind, bringen ihre verschiedenen Skills ein, das Feld ist riesig. Wir haben Zeit, uns zu engagieren und so viele Advocat Leaders und Donors von morgen wie möglich ins Boot zu holen. Es gibt Studien, die aufzeigen, dass, wenn man sich schon in jungen Jahren mit humanitärer Arbeit auseinandersetzt, man später, wenn man ein grösseres Einkommen hat, eher bereit ist, zu spenden. Für die IKRK ist es so auch ein Langzeitinvestment, uns jetzt ihre Zeit zu schenken und uns zu beraten und zu unterstützen.

Was sind die grössten Schwierigkeiten, mit denen ihr konfrontiert seid? 

Unwissenheit, Misstrauen und ein Gefühl der Ohnmacht. Unsere Altersgenossen denken, sie könnten ja eh nichts ändern. Wir werden aber die Entscheiderinnen und Entscheider sein, die in der Zukunft eine Rolle spielen und viel ausrichten können, um die Welt zu einer etwas besseren zu machen.


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Veröffentlicht am September 27, 2023

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