Über den Mut, seinem Purpose zu folgen

Interview: Claudia Gabler

Ladies Drive Online. Claudia Doron: Über den Mut, seinem Purpose zu folgen.
Sie kam, sah, und eröffnete eine Fussballschule im Kongo. Wie es ist, seinem Herzen zu folgen, und warum es dafür nicht viel, ausser Entschlossenheit braucht, weiss Claudia Doron. Die Initiatorin von „A River Of Hope“ über Projekte, die einen finden, Herausforderungen, die einen heimsuchen und warum es sich am Ende doch lohnt, seiner Bestimmung zu folgen.

Ladies Drive: Wie kommt man als Schweizerin auf die Idee, ein Schulprojekt für mittlerweile über 500 Kinder in der Demokratischen Republik Kongo zu starten?

Claudia Doron: Ich bin im Appenzellerland aufgewachsen. Mein Jugendtraum war es, als Flight Attendant bei Swissair zu arbeiten. Ich dachte zwar, da kommen nur die Schönen und Schlanken hin, aber ich wollte es trotzdem versuchen. Ich ging nach Neuseeland, um Englisch zu lernen, kam zurück und es hat geklappt. Bei einer Reise nach Nairobi haben wir einen Kindergarten besucht, den die Swissair unterstützt. Ich war hin und weg! Damals habe ich mir gesagt: Eines Tages eröffne ich irgendwo auf der Welt eine Schule.

Ladies Drive Online. Claudia Doron: Über den Mut, seinem Purpose zu folgen.

Dazwischen sind ein paar Jahre vergangen. Was ist in dieser Zeit passiert?

Das Leben kam dazwischen! Ich habe Hotelmanagement studiert und eine Familie gegründet. Als meine Kinder älter waren habe ich eine Coachingausbildung gemacht. Dabei habe ich bemerkt, was alles zugedeckt in mir schlummerte. Plötzlich war klar, dass ich jetzt bereit bin, eine Schule zu gründen. Es war zwar nicht der perfekte Moment, aber den gibt es in meinen Augen auch nicht wirklich.

Wie bist du vorgegangen?

Um in der Schweiz einen gemeinnützigen Verein zu gründen, braucht man drei Personen. Das waren ich, mein damaliger Mann und mein Vater. Die haben am wenigsten Fragen gestellt, denn ich kannte die Antworten ja selbst noch nicht (lacht). Ich wusste, ich musste zuerst ein Gefäss kreieren. Und dieses Gefäss war River of Hope. Ich habe es nach der Biografie meines Schwiegervaters bekannt. Er war Holocaust-Überlebender, hat bei der UNO gearbeitet und Grassroot-Projekte in Afrika, Asien und Südamerika lanciert. Es hat mich so berührt, dass ein Mann, der selbst so unfassbar gelitten hat als Kind, als Erwachsener so viel Hoffnung geschenkt hat. Er hat mir erlaubt, meine Organisation nach seiner Biografie zu benennen.

Du hattest eine Organisation und einen Namen dafür, aber noch kein Projekt. Wie ist das Projekt zu dir gekommen?

Es gibt nichts Mächtigeres als eine Idee, deren Zeit gekommen ist, hat Viktor Hugo mal gesagt. Eine Kollegin, die mit einem Guaymi-Indianer verheiratet ist und im Reservat in Costa Rica lebt, hat mir erzählt, dass ihre Schule ein Loch im Dach hat. Das zu flicken kostet 500 Dollar, und die haben sie nicht. Ich habe gesagt: „Ich flicke dein Dach!“ Dafür habe ich bei uns im Dorf einen Kinderflohmarkt organisiert. Freunde haben mitgeholfen, Kuchen zu backen und Kaffee zu verkaufen. Am Ende des Tages haben wir 530 Franken eingenommen und das Dach konnte repariert werden. An dem selben Flohmarkt hat mich eine Kongolesin angesprochen. Sie hat gesagt, sie braucht jemanden wie mich, der ihrem Bruder in der Nähe von Kinshasa hilft, die Kinder mit Fussball von der Strasse zu holen. Ich habe geantwortet: „Ich helfe gerne, aber ohne Budget.“ Nach dem Flohmarkt musste ich meinen Sohn vom Fussball abholen. Und da habe ich plötzlich dem Coach gesagt: „Ich eröffne eine Fussballschule in Kongo.“ Es war stimmig und genau das, was ich gesucht habe. Es kam eine andere Mutter dazu, die sagte sie sei Grafikerin und mache mir ein Poster, um Material zu sammeln. Innerhalb von zwei Wochen hatten wir 10 m3 an Material gesammelt: Fussball-Dresses von ganzen Mannschaften, über 100 Paar Fussballschuhe und Fussbälle. Am 1. Februar 2010 habe ich River of Hope gegründet. Mitte Mai flog nach Kinshasa – ohne Geld aber mit 46kg Fussballmaterial. Wir haben ein Eröffnungsmatch bei einem Waisenhaus von Don Bosco organisiert. Ich suchte nach einem Projekt, welches bereits von der lokalen Bevölkerung aufgegleist wurde, und genau das fand ich vor. Es ist wichtig zu zeigen, dass man aus dem, was schon da ist, etwas machen kann und nicht einfach nur Geld schiebt. Wir haben also einfach angefangen zu spielen und eine Mannschaft zu gründen. Als ich nach Hause kam, habe ich mich mit einer Familienstiftung in Liechtenstein getroffen. Der Stifter war so begeistert von dem Projekt, dass er mir drei Wochen später bereits 50‘000 Franken überwiesen hat.

Daraus ist mittlerweile ein Schulzentrum für 500 Schüler:innen inklusive Krankenstation entstanden. Macht dir die Dimension manchmal Angst?

Wir haben mit Nichts angefangen, sind am Projekt gewachsen und haben viel gelernt. Daher macht es mir keine Angst, aber Respekt habe ich schon. Wir haben fünf Hektar Land gekauft, darauf Schulzimmer gebaut und eine Unterkunft für Lehrpersonen. Wir haben eine große Küche mit Speisesaal, der gleichzeitig als Kirche und Eventraum für 100 Personen dient. Wir haben 800 Bäume gepflanzt und wir sind völlig autonom unterwegs, was die Strom- und Wasserversorgung betrifft. Das ist nicht immer einfach, denn wir sind eine öffentliche Schule und die Lehrpersonen haben das Recht auf einen Lohn vom Staat. Sechs Primarlehrer, die bei uns arbeiten, bekommen ihren Lohn. Aber die 17 Sekundarlehrpersonen zählen zu den 80.000 im Land, die im Moment keinen Lohn bekommen. Das ist ein riesiges Problem und bringt uns im Moment komplett aus dem Gleichgewicht. Denn die Spenden, die wir eigentlich für den weiteren Ausbau der Schule und Krankenstation einsetzen wollten, müssen wir jetzt aufwenden, um die Lehrpersonen zu motivieren, jeden Tag zur Arbeit zu kommen – auch wenn sie nicht den vollen Lohn bekommen. Das ist eine Krisensituation, für die wir nichts können. Aber wir wollen die Schule als staatlich anerkanntes Institut weiterführen, damit sie nachhaltig und selbsttragend sein kann. Stiftungen zahlen nicht gerne für Betriebskosten. Sie möchten Projekte initiieren und aufbauen. Aber es ist beachtlich, dass trotz ausfallender Stunden und mehr Selbststudium die ganze Maturaklasse bestanden hat. Der Projektleiter, der auch als Lehrer arbeitet, konnte einen Grossteil abdecken. Das zeigt, welch enormes Engagement vor Ort herrscht.

Hast du manchmal ans Aufgeben gedacht?

Aufgeben war nie eine Option. Ich habe statt dessen viel in das Coaching der Mitarbeitenden investiert. Am Anfang hiess es: „Wir beten, und du findest die Lösung.“ Ich habe geantwortet: „Betet, das ist wichtig, aber bitte denkt auch mit. Ihr müsst Lösungen finden und Ideen kreieren.“ Sie haben geantwortet: „Wir sind nicht für das Mitdenken geboren. Wir waren eine Kolonie. Uns wurde immer gesagt, was zu tun ist.“ Und genau diesen Mindset sind wir gerade am ändern. Ich bin nicht gekommen, um eine neue Abhängigkeit zu schaffen. Ich möchte, dass die Projektleiter vorort so eigenständig wie möglich agieren. Das Geld fliesst leider nur in seltenen Fällen direkt von der Stiftung in die Schule, aber wenn es möglich ist, dann ist das eine tolle Chance für die lokalen Projektleiter, um zu lernen wie man auch auf diesem Gebiet Verantwortung übernimmt. Wir planen sorgfältig und in Etappen, und es ist noch nie Geld verloren gegangen.

Wie gehst du mit Niederlagen um?

Ich folge meinem Weg, meiner Idee, bleibe authentisch und vertraue mir selbst. Wenn etwas nicht klappt, habe ich es wenigstens probiert. Es gibt nichts Schlimmeres, als Dinge zu bereuten, die man nie ausprobiert hat. Ich kann mein inneres Feuer, meine Leidenschaft, meinen Traum verwirklichen. Klar klappt nicht alles auf Anhieb oder ihm gewohnten Schweizer Tempo. Aber wir arbeiten hier auch mit Menschen, die weder lesen noch schreiben können. Ich kann nicht wie eine Maschine reinmarschieren und alles auf einmal verändern. Veränderung braucht Zeit und Geduld. Deshalb haben wir die Frauen ins Boot geholt, und mit ihnen ein Analphabetinnenprogramm gestartet. Es sind oft die Frauen, die helfen, etwas zu verändern.

Was sind deine Glücksmomente?

Wenn ich die Kinder sehe, die im Schulzimmer mitmachen oder in der Pause im Schatten der Bäume im Park spielen. Wir haben keine Teenager-Schwangerschaften mehr, weil wir viel Aufklärung machen. Wir unterrichten von der ersten bis zur zwölften Klasse. Die Oberstufe hat eine technische Ausrichtung. Die ersten Schulabgänger arbeiten bereits Primarlehrer oder absolvieren ein Praktikum als Elektriker auf Baustellen, um Solaranlagen zu installieren. Die Bäume, die wir gepflanzt haben, haben mittlerweile einen richtig dicken Stamm, den man umarmen kann. Die Vögel sind zurückgekommen. Das Center lebt und ist einfach schön. Es hat buchstäblich Wurzeln geschlagen. Der ganze Aufwand trägt Früchte.

Welche Schritte hast du als nächstes geplant?

Im Moment setzen wir Spenden dafür ein, den Schulbetrieb aufrecht zu erhalten. Das hat für uns höchste Priorität. Wenn wir das hinter uns haben, fliesst das Geld zurück in die Krankenstation. Gleichzeitig investieren wir in Projekte, die Geld einbringen, wie zum Beispiel nachhaltige Tierhaltung. Wir schulen die Dorfbewohner, damit sie ein regelmässiges Einkommen generieren.

Wo können wir dich als Ladies Drive Business Sisterhood unterstützen?

Ich arbeite gerne mit Expert:innen-Teams zusammen. Das Solarprojekt der Schule habe ich zum Beispiel mit der Technischen Fachhochschule in Buchs realisiert. Dasselbe gilt für Wasserpumpen, Küchen usw. Und ich wünsche mir Partner, die helfen, dass die Schule besser und schneller wachsen kann. Kongo wird oft als Kriegsgebiet abgestempelt, das macht es nicht einfacher, als kleine Organisation an Gelder zu kommen. Eine grössere Organisation hätte hier andere Möglichkeiten.

Was empfiehlst du unseren Leserinnen, die auch einen Lebenstraum haben, aber sich nicht getrauen, diesen zu verwirklichen?

Ich habe einen Workshop kreiert, der genau diese Fragestellung adressiert. Er beinhaltet die einzelnen Schritte von der Idee bis zur Implementierung und richtet sich an alle, die den Wunsch haben, ein Projekt zu verwirklichen. Ich empfehle, klein anzufangen und zu schauen, mit wem man darüber spricht. Oft zerstören die Gesprächspartner den Traum. Wenn ich zugehört hätte, was mir die Leute alles gesagt haben, hätte ich das Projekt nie begonnen! „Du spinnst ja!“ „In den Kongo? Das ist ja viel zu gefährlich!“ „Die brauchen nur das Geld und dann läuft nichts.“ Ich habe darauf geachtet, wem ich was erzähle und einfach weitergemacht. Fällt die Idee auf fruchtbaren Boden, wächst sie über alle Hindernisse hinaus. Fang einfach an, und habe keine Angst vor dem Scheitern. Auch wenn du scheiterst, wächst du daran. Du musst nicht von Anfang an alle Antworten haben. Ich möchte mit dem Workshop Mut machen, es zumindest mal durchzudenken. Dann sieht man, was alles dazu gehört, und kann später Menschen suchen, die einem helfen.

www.claudiadoron.com/coaching/non-profit/

Infos und Dokfilm “Look Beyond”:

www.claudiadoron.com/river-of-hope/

www.ariverofhope.org

Der Dokfilm „Look Beyond“ wurde beim LA Independent Women Film Award selektioniert. Zwischen 2010 und 2023 konnte Claudia Doron 1 Mio CHF sammeln. Von der Yves Rocher Foundation erhielt sie den 2. Preis für ihr Kommitment im Kongo.

Veröffentlicht am August 25, 2024

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