Patricia Kastner
Entrepreneur, Business Angel & Co-Founder of Contentserv
NEUDEFINITION
Die Pandemie war wie eine Katharsis für mich.
Genau zum ersten Lockdown im März 2020 ist meine langjährige, sehr intensive Beziehung schmerzlich zu Ende gegangen. Ich hatte auf der einen Seite dadurch viel mehr das Bedürfnis nach Freundinnen und neuen Perspektiven, aber die meisten Freundinnen und Bekannten haben sich komplett zurückgezogen – aus Angst vor einer Ansteckung. Viele hat es durch diese bewusste Isolation eigentlich noch härter getroffen als mich – ich habe in dieser ungeplanten Auszeit dann sehr viel für mich getan, zumal ich davor nie Zeit hatte für ein richtiges Hobby, fürs Reiten, Sport machen, Malen mit meinen vier Kindern, Lesen … Das war eine sehr kostbare Zeit für mich, die mich und mein Umfeld komplett anders aufgestellt hat. Covid hat viele Beziehungen verstärkt, aber auch viele erkalten lassen, da ich mit einigen guten, langjährigen Freundinnen zum Teil immer noch nicht den Kontakt habe wie vor der Pandemie und sich diese Menschen und meine Beziehung zu ihnen auch stark verändert haben. Covid hat daher entweder zusammengebracht oder auseinandergetrieben.
Diese Brüche haben mich sehr überrascht – ich sehe, dass es viele Menschen um mich gibt, die gut mit den veränderten Bedingungen umgegangen sind und aus dieser Zeit eher gestärkt hervorgegangen sind. Aber leider auch sehr viele, die Covid komplett aus der Spur geworfen hat. Viele Beziehungen gingen in meinem Bekanntenkreis zu Bruch, da man sich so auf der Pelle sass oder komplett anders mit Covid umging. Covid war ein Katalysator für viele Ängste und Sorgen, und Personen mit Resilienz, innerer Mitte und Flexibilität waren definitiv weniger bis gar nicht betroffen. Andere hingegen hat es hart getroffen, insbesondere jene, die psychisch instabil waren.
Die Pandemie war aber auch ein wenig ein Nebenschauplatz für mich, da ich mich wieder neu definieren „durfte“ nach der gescheiterten Beziehung. Ich habe beispielsweise sehr gute Bücher gelesen und YouTube-Videos gesehen, die indirekt auch die richtigen Antworten auf Covid hatten, wie Jorge Bucay („Wer bin ich? Wohin gehe ich? Und mit wem?“) und Robert Betz („Willst du normal sein oder glücklich?“). Am Ende war Covid mit seiner Auszeit aber vor allem für mich persönlich die Möglichkeit, um mich selbst wieder zu spüren, Kraft zu tanken und mit vielen guten Gesprächen festzustellen, dass die neu gewonnene Freiheit etwas sehr lebenswertes ist und ich nicht mehr in das Hamsterrad vor Covid zurück will.
Wie können sich die Gesellschaft und unsere Gemeinschaft nach all dem, was passiert ist, heilen, und wie finden wir wieder zusammen? Das ist eine sehr schwierige Frage – ich glaube, dass die Spätfolgen noch viel schlimmer sind als die derzeitig sichtbaren. Was passiert mit unseren Kindern, die nicht so sorglos aufwachsen konnten wie wir? Hier wurden starke Ängste geschürt und das soziale Miteinander massiv gestört. Ich kenne so viele in meinem Bekanntenkreis, wo die Kinder nicht mehr die sind, die sie mal waren. Hier muss massiv in den nächsten Jahren von Familie, Schule, Gesellschaft und Politik gegengesteuert werden. Auch die Spätfolgen der Wirtschaft werden uns die nächsten 30 Jahre beschäftigen. Das ist ein grosser Veränderungsprozess, der gemanagt werden muss mit Flexibilität, Resilienz und Perspektiven.
Ich denke, dass es hilft, dass man hier offen über die einzelnen Probleme spricht und aufzeigt, wie die Einzelnen das persönlich gelöst haben – daher Perspektiven und Lösungen anstelle von Totschweigen.
Als Fazit war diese Pandemie bislang für mich selbst per se durchaus heilend, da ich Zeit hatte, mich auf mich zurückzubesinnen und aus dem täglichen Hamsterrad zu entfliehen. Zwischenmenschliche Wärme entgegen allen Richtlinien und Regeln zu erleben war für mich besonders heilend – denn gerade in solchen Zeiten ist es wichtig, dass man sich nicht allein fühlt. Daher war ich sehr froh, dass ich vielen wichtiger war, als sich streng nach dem Protokoll der Politik zu richten.