Das Bargespräch Vol. 55 im The Dolder Grand in Zürich begann mit Roland Landolf, Inhaber des Unternehmens Gerda Spillmann Swiss Cosmetics, das wir dankenswerterweise auch zu unseren Unterstützern zählen dürfen.
Roland Landolf liess in einem sehr offenen und ehrlichen Interview mit der Gründerin der Bargespräche, Sandra-Stella Triebl, tief blicken und gab zu, dass manche Positionen von aussen betrachtet cooler wirken, als sie tatsächlich seien. Cool im Sinne von unbeschwert, oft sei es nicht einfach, mit den jeweils äusseren Umständen und ihren Konsequenzen auf die innerbetrieblichen Zustände umzugehen. So habe er es erlebt als Manager von Novartis in Indonesien, als das Land durch einen Machtumsturz in kürzester Zeit im Chaos versank und er zum Wohle seiner Mitarbeiter Massnahmen ergreifen musste, damit alle gesund und unversehrt blieben. Manchmal seien es auch Denkweisen, die zu Umstürzen führten, und wenn man dann gar nicht mehr leiten kann, was geleitet werden sollte, sei es Zeit, Dinge zu ändern. An einem Punkt sei er, Vater von vier Töchtern, nicht mehr glücklich gewesen. Als Angestellter. Und habe sich drum für eine Selbstständigkeit entschieden, ein gesunder und mutiger Schritt, den er nie bereut habe. „Ich habe anfangs mehr gearbeitet als vorher“, gab der smarte Manager zu, „aber ich habe immer Licht am Ende des Tunnels gesehen und hatte einen guten Chiropraktiker!“
Wie viel Medizin mit den Schlagworten des Abends gesund, glücklich, leistungsfähig zu tun haben kann, konnte niemand so anschaulich vermitteln wie Gast Nummer zwei, der Facharzt für Plastische Chirurgie Dr. Artur Worseg aus Wien. Genau, DER Dr. Worseg. Der mit den Wölfen heult, schliesslich sind Prominente, Stars und Sternchen seine Klienten. Superzufriedene übrigens. Aber er rechnet auch gern unverblümt mit seiner Branche ab. Und schafft Gegenmassnahmen, um in dem Trubel nicht unterzugehen. Worseg: „Das tägliche Theater mit der High Society würde ich nicht überleben, wenn ich nicht mein eigenes Leben simpel gestalten würde.“ Er habe sein Privatleben auf einige wenige Faktoren heruntergebrochen. Seine Kritik zum Thema Schönheitsoperationen bezieht sich vor allem auf den meist unreflektierten Zugang zum Fach. „Mit einer einfachen Busenvergrösserung sind die Probleme der Klienten oft nicht gelöst“, weiss Worseg aus Erfahrung und meint damit auch, dass der Mensch mehr ist als die Summe seiner Selbstoptimierung. Wenn das Glück an einer Beauty-OP hänge, sei es eine Tragödie. Ihm helfe auch eine gewisse Routine, um nicht durchzudrehen, dazu gehört Aufstehen um halb fünf Uhr morgens, eine Stunde lesen, eineinhalb Stunden laufen, meditieren, Kampfsport. Das helfe zwar nicht, Probleme verschwinden zu lassen, aber sie nicht zu bewerten und richtig einzusortieren. Warum immer alle in Sandra-Stella Triebls Gegenwart so tief blicken lassen, weiss der Himmel, aber Dr. Worseg gab sogar zu, sich manchmal schlecht und als Täter zu fühlen. Er würde das aber kompensieren können, indem er die individuellen intensiven Gespräche mit seinen Kunden ausdehne, um sicherzugehen, er habe die Motivation jedes Einzelnen, sich unters Messer zu legen, richtig verstanden. Ein Misstrauen, derartige Ehrlichkeit würde lediglich nur zur marketingwirksamen Imagebildung eines grundehrlichen Schönheitschirurgen eingesetzt, ist hier völlig unangebracht.
Ausdehnen wollen hätte man auch das nächste Gespräch, denn die quirlige Dr. Tanja Volm will 120 Jahre alt werden, und wenn man ihr so zuhört, möchte man dabei an ihrer Seite sein, die ganze Zeit. Sie ist Frauenärztin und Health Care Consultant, weil sie in der Beratung von Spitälern und Institutionen das Gefühl hat, viel mehr für die Patienten tun zu können als als Ärztin in eigener Praxis oder gar an einem Krankenhaus. Auf Nachfrage wollten erstaunlich wenige der über 240 Gäste im Saal ebenso alt werden, jeder hat irgendwie Angst, vor allem krank alt zu werden. „Alt werden bedeutet, in erster Linie als ganzer Mensch gesund zu bleiben“, verdeutlichte Dr. Volm ihre Sichtweise. Dafür müsse man notabene auf seinen Körper achten, sich bewegen, gut essen, sich regenerieren und – ganz wichtig – gute soziale Bedingungen und Beziehungen schaffen und pflegen. Negatives sei hinter sich zu lassen, und es sei zu versuchen, in jedem schlechten Erlebnis auch etwas Gutes oder sogar Freude zu entdecken. Sie prägte einen Satz, der alle Chancen hat, auf einer nächsten T-Shirt-Edition von Ladies Drive zu landen: „Man stirbt sowieso, aber dann lieber mit 120 als mit 80.“
Wie alt Dr. Ina Schmidt werden möchte, zu der Frage kam es gar nicht, denn die Philosophin und Gründerin der Denkräume hat uns als nächster Gast alle mit ihrer Sichtweise über Stress fasziniert. „Es ist im Leben wichtig, die eigenen Grenzen kennenzulernen“, ist das Credo der Vordenkerin, „dann kann man den Rahmen der Möglichkeiten optimal gestalten.“ Klingt nach Stress? Im etymologischen Kontext beschreibt Stress den Zustand, wenn Gesteinsplatten einem Druck nicht mehr standhalten. Stress ist also da, wenn es eigentlich zu spät ist. Viel wichtiger sei also der Zustand davor. Was ist gesund, wann ist gesund kein belastungsfähiger Zustand mehr, und ist Stress überhaupt die Bedingung für Erfolg? „Furchtbar dämlich“, findet Dr. Schmidt, „wir benutzen Floskeln, um etwas auszudrücken, überlegen nicht, was wir sagen, und wo bleibt die Übereinstimmung mit dem, was man wirklich denkt?“ Wahrlich philosophisch, aber keinen Millimeter zu hoch angelegt, die Messlatte, es sei lediglich das eigene Glück, das individuelle, was man hoch hängt. Sie gab noch zu bedenken, dass wir uns in einem Zustand metaphysischer Obdachlosigkeit befänden, und wie schon Sandra-Stella Triebl des Öfteren verlauten liess, würde die schnelle Welt nicht mehr langsamer. Vielleicht aber sei es an der Zeit, Platon hervorzukramen, der riet, man sei das beste Selbst, um einer Gesellschaft zu dienen. Wir sollten darüber nachdenken, was uns der ganze Zirkus wert ist.
Das fragt sich der letzte und mit grösster Spannung erwartete Gast ganz sicher nicht (mehr). Roger Schawinski weiss, was er sich und der Gesellschaft wert ist. Zwei Jahre lang hat er sich geziert – oder nicht getraut? –, die Einladung von Sandra-Stella Triebl an ein Bargespräch anzunehmen. Natürlich war die Floskel „in die Höhle der Löwinnen kommen“ nicht weit, einer wie er ist das Frotzeln gewohnt. Aber jetzt war er da, ganz un-Schawinski-mässig zurückhaltend und ganz der Gast, der seinen Gastgeber respektiert. Er fühle sich nie gestresst, prahlt der Radiopionier, er würde alles effizient erledigen, ein heisser Tipp. Die Suche nach immer neuen Leidenschaften halte den 74-Jährigen fit, eine neue Leidenschaft sei ein Neuanfang, das könne alles Mögliche sein, er würde wissen, ob es sich lohnt, wenn er es sieht. Über Neuanfänge kann er jetzt unverblümt reden; dass man seine TV-Sendung abgesetzt hat, habe ihn ungefähr einen Tag lang gekränkt, auch das ein guter Tipp, dass man sich mit solchen banalen Dingen wie Rückschlägen nicht zu lange aufhält. Er sei als Journalist Unternehmer geworden und habe das geschätzt, ein Fakt, dem Sandra-Stella Triebl nur zustimmen kann, sie geht denselben Weg. Erfolgreich. Der rastlose Roger betätigt sich körperlich, raucht nicht, isst richtig und bleibt geistig rege, man brauche Disziplin zum Glücklichsein. Altern ist kein Thema, ein Satz, dem man dem immer polarisierenden und trotzdem – oder gerade deswegen – charismatischen Schawinski abnimmt. Er nannte aber auch konkrete Faktoren, die ihn glücklich machen: „Wenn ich Sendungen mache, die mich beglücken, wenn ich Menschen treffe, die mich berühren – das macht mich glücklich.“ Volltreffer, genau so war dieser Abend summa summarum im Ballsaal des Dolder Grand.
Mit einigen nachdenklichen Worten verabschiedete sich Sandra-Stella Triebl für den Abend. Bei aller Euphorie über die unfassbar abwechslungsreichen Gespräche liess sie das Thema des Abends noch einmal ernst werden, denn im Jahr 2018 haben in der Schweiz 33.000 Menschen versucht, sich umzubringen. Eine halbe Million Mitbürger lebt mit Suizidgedanken. Wir verbrennen unser Humankapital, wenn wir uns weiter nur über den Leistungsgedanken definieren. „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“, gab Sandra-Stella Triebl zu denken und entsandte die Gäste des Abends mit dem Wunsch, etwas mehr Demut vor dem Leben zu entwickeln, zur nächsten Hauptsache des Abends, nämlich dem Networking, dem Teilen der Erfahrung. Teilen mache glücklich, egal ob Geld, Leben oder Macht. Und manchmal, so wie an diesem wunderbaren Bargespräch und all denen, die in den nächsten 70 Jahren noch mindestens folgen, weil wir alle 120 werden, auch das Teilen von Champagner.
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