„Das Privileg Ihres Lebens ist es, zu werden, wer Sie wirklich sind.“ – C. G. Jung

Text: Dr. Med. Evelyn Mauch, MhBA
Bild: Ladies Drive

Ladies Drive No 66. Kolumne. Dr. Med. Evelyn Mauch.
Ladies Drive Magazine
Es ist Samstag Nachmittag. Der Anstandsbesuch im Pflegeheim Silberlocke steht an. Von gesellschaftlichen Zwängen getrieben, schleppt man sich lustlos in die Institution, deren Raumluft von „letzter Reise“, Abschied und Trauer geprägt ist.

Vor der Tür des Bewohners angekommen, werden die Schultern gestrafft, tief ausgeatmet, die Zähne zusammengebissen, das Lächeln an der Gesichtsperipherie festgetackert und freundlich säuselnder Small Talk initiiert. Doch anstatt eines dankbaren Empfangs erfolgt ein erboster Rausschmiss vonseiten des dementen Bewohners, der nur noch über rudimentäre verbale Kompetenzen verfügt. Wie kann das sein? Was ist passiert?

In dem geschilderten Fall wird der Bewohner bei ausgeprägter demenzieller Entwicklung, die ihn fast sämtlicher sprachlicher Fähigkeiten beraubt hat, primär auf die nonverbalen Signale der Kommunikation zurückgreifen. Kleinkinder wie auch demenz­erkrankte Personen verfügen über eine ausgeprägte Stärke in Bezug auf die nonverbale Kommunikation. Sie sind es auch, die unverblümt ihre emotionale Resonanz auf nonverbale Signale zeigen. Bezugnehmend auf obiges Beispiel: Wer würde nicht – zumindest innerlich – heftig reagieren, wenn ein Besucher uns gegenüber bis in die Haarspitzen nonverbale Ablehnung, Trauer oder Mitleid signalisiert?

Um Körpersprache wahrnehmen zu können, ist zunächst unser Sinnesorgan Auge mit der Verbindung über den Sehnerv an die visuelle Hirnrinde gefragt. Im Verlauf ist vor allem das Erkennen und Beurteilen der Mimik im Fokus. Dies erfolgt über den Schläfenlappen des Gehirns, insbesondere in der sogenannten Spindelwindung (Gyrus fusiformis). Wahrnehmung von Gesichtsausdrücken geht nicht ohne Emotion, weshalb hier nun das limbische System an den Tisch rückt.

Szenenwechsel:

Mit regungslosem Gesicht wird im Casino Royal am Pokertisch gespielt – keine Miene wird verzogen. Um dies durchzuhalten, ist unsere Stirnrinde im Einsatz. Was im Glücksspiel eine erfolgversprechende Taktik sein kann, ist im realen Leben fatal. Zwingen wir uns, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, oder sind einfach nicht authentisch, so irritiert dies unser Gehirn. Vor allem der sogenannte Nucleus accumbens, ein Teil der Basalganglien, ist durch den Mangel an Authentizität irritiert. Spürbar ist dies dadurch, dass man sich unwohl oder gar gestresst fühlt. Des Weiteren führt die Inkongruenz von Gefühlen und Körpersprache zu einem Konflikt in der zerebralen Emotionszentrale, was zu einer gesteigerten Aktivität des Mandelkerns führen kann. Dieses Areal ist besonders bei Stress und Angst aktiv.

Ganz im Gegensatz dazu könnte der populäre Spruch „Fake it until you make it!“ als Möglichkeit der Verwirklichung einer selbsterfüllenden Prophezeiung gesehen werden. So zu tun, als ob, bis man es kann, sollte jedoch nicht mit mangelnder Echtheit einhergehen. Damit diese Transformation gelingen kann, ist es von immenser Bedeutung, dass die Authentizität gewahrt bleibt. Man gibt nicht einfach plakativ vor, etwas zu können ohne Substanz dahinter. Um die für das eigene Wohlbefinden essenzielle Kongruenz und Kohärenz von Emotionen und Körpersprache zu wahren, braucht es zum Gelingen dieses Manövers die Imagination der angestrebten Fähigkeit. Man stellt sich selbst bildlich vor, eine Fähigkeit oder Kompetenz bereits zu besitzen; man stellt sich vor, wie es sich anfühlen wird, wie man sein wird, wenn „you make it!“ eintritt. Die Verknüpfung von Imagination und dem Erspüren der damit einhergehenden Gefühle ist von grundlegender Bedeutung. Fähigkeiten werden so nicht oberflächlich durch vorgegebene Körpersprache dargeboten. Der Slogan kann genutzt werden, um durch „so tun, als ob man es schon kann“ neuronale Verknüpfungen im Gehirn zu bahnen. Dies ermöglicht, das Selbstbild in die gewünschte, angestrebte Richtung zu schieben. Angenommen, eine erwachsene Person hat in ihrem gesamten Leben noch keinen Kopfsprung ins Wasser gemacht. Indem sich diese Person vorstellt, wie es sich anfühlen würde, vom Beckenrand elegant, Kopf voraus in den Pool zu gleiten, vollziehen sich im Gehirn bereits entsprechende synaptische Prozesse, die dazu führen, dass das Vorgestellte tatsächlich machbar ist.

Alles beginnt im Kopf:

If you can dream it, you can do it!

Walt Disney

Würde der Besucher am Samstagnachmittag im Altersheim sich nun Entsprechendes vorstellen: Er hat die Person als gesunden Menschen sehr geschätzt und fühlt nun nach, wie es wäre, sich einfach nur auf das Wiedersehen zu freuen; immerhin hat er überhaupt noch die Möglichkeit, den Bewohner zu besuchen! Mit dieser Vorstellung im Kopf weicht das vorhergehende Gefühl von Abneigung, Trauer oder Mitleid einem ehrlichen, liebevoll, freundlich zugewandten Gefühl. Dieser Emotion passt sich die Körpersprache an, die der Bewohner entsprechend wahrnehmen würde; der Verlauf des Besuches wäre ein ganz anderer.

Es lassen Schein und Sein sich niemals einen, nur Sein allein besteht durch sich allein. Wer etwas ist, bemüht sich nicht zu scheinen. Wer scheinen will, wird niemals etwas sein.

Friedrich Rückert

Veröffentlicht am Juli 24, 2024
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