Prof. Dr. Uwe Seebacher: Faulheit als Superkraft

Interview: Claudia Gabler
Fotos: Lukas Beck

Ladies Drive No. 70. Prof. Dr. Uwe Seebacher: Faulheit als Superkraft
Ladies Drive No. 70 Cover (Sommer 2025): Der Lebensstil für mehr digitale Achtsamkeit und Fokus

Warum sollten wir nicht mehr, sondern besser arbeiten? Und was hat Faulheit mit ­kluger Selbstführung zu tun? Bestseller-Autor und Professor Uwe Seebacher plädiert in seinem jüngsten Buch „Effizient faul“ für ein neues Denken: weniger Hustle, mehr Fokus. Ein Gespräch über Produktivität, Pausen – und das gute Leben.

Ladies Drive: Uwe, dein Buch „Effizient faul“ trifft einen Nerv. Innerhalb von einer Woche führte es die Bestseller-Listen an. Was steckt hinter dem Titel?

Uwe Seebacher: Der Titel ist provokant – aber bewusst. Denn Faulheit ist für mich keine Schwäche, sondern ein Zeichen von Intelligenz. Wer effizient faul ist, weiss, wann genug genug ist, arbeitet klug statt hart – und gönnt sich Pausen, um auf die nächste gute Idee zu kommen.

Du bist Vater, Unternehmer, Professor, hast 66 Bücher geschrieben. Wie bekommst du das alles unter einen Hut?

Ich lasse weg, was nicht wichtig ist. Ich automatisiere, was sich wiederholt. Ich strukturiere radikal – beruflich wie privat. Effizient faul zu leben, heisst: Ich arbeite präzise, aber nie länger als nötig. So bleibt Zeit für die Menschen und Dinge, die wirklich zählen.

Aber du gibst trotzdem zu: Du liebst Perfektion?

Absolut. Ich will saubere Hemden, ein ordentliches Zuhause, eine klare Agenda. Aber ich verbinde Perfektion mit Pragmatismus. Ich bügle beim Fernsehen und korrigiere und recherchiere im Freibad oder am Beach. Keine Minute wird verschenkt – aber auch keine verkrampft durchgeplant, wie ich anhand vieler kleiner Alltagsbeispiele im Buch veranschauliche.

Warum hat Faulheit so ein schlechtes Image?

Weil wir in einer Leistungsgesellschaft leben, in der „Ich bin so beschäftigt“ als Statussymbol gilt. Viele glauben, dass sie mit körperlicher Hektik von deren geistiger Windstille ablenken können – aber das geht nicht und ist sehr gefährlich für die Fleissigen und Kompetenten. Vor dem Hintergrund meiner eigenen leidvollen Erfahrung beschreibe ich im Buch genau, wie man Schwurbler erkennen und entlarven kann und wie man sie effizient und effektiv managen kann, um sich selbst vor ihnen zu schützen. Wahre Stärke liegt im Bewusstsein und Loslassen. Faulheit ist nicht Stillstand – sie ist kreativer Freiraum. In der Ruhe entstehen die besten Ideen.

Du meinst: Ohne Faulheit keine Innovation?

Ganz genau.

Und was tust du, wenn etwas ewig auf deiner To-do-Liste steht?

Das passiert nicht, denn wenn etwas ewig auf der Liste stehen würde, läge der Fehler schon davor. Da kommt das Nein-Sagen ins Spiel und das Priorisieren. Immer wieder kommt die Frage, was zu tun ist gegen übervolle Mail-Postfächer. Ich bin dann der Party-­Crasher, weil es nicht am Postfach selbst liegt, sondern schon lange davor – bei den zugrunde liegenden Aufgaben, Prozessen, Rollen und Verantwortlichkeiten – und dem Nein-Sagen. Wer sein Postfach nicht im Griff hat, ist selbst ein Schwurbler und hat noch nicht begonnen, sich selbst und seine Arbeit und sein Team effizient faul aufzustellen – das hat dann mit Prokrastination zu tun.

Was wirklich wichtig ist, bleibt präsent – im Kopf oder im Herz. Der Rest ist Ballast. Ich plane Aufgaben strategisch und strukturiert. Bei mir bleibt nichts monatelang liegen, und mein Mail-Postfach ist immer auf dem aktuellen Stand. Jeder und jede, die mit mir in Kontakt ist, weiss, wie schnell ich antworte und reagiere. Ich weiss, das erschreckt die Leute manchmal, aber ich habe gern einen aufgeräumten, leeren Tisch.

Du setzt stark auf Templates. Warum?

Templates sind mein Schweizer Taschenmesser. Sie sparen Zeit, bringen Struktur, verhindern Missverständnisse. In Konzernen habe ich erlebt, wie viel Energie durch unklare Anfragen verloren geht. Heute gibts bei mir nichts ohne ausgefülltes Template – egal ob Workshop, Meeting, Projekt­idee oder Marketingbriefing.

Was ist dein Lieblings-Template?

Die klassische To-do-Liste. Sie ist simpel, aber effektiv. Ich notiere Aufgaben, prio­risiere nach Aufwand, Wirkung und Komplexität – und streiche durch. Dieses kleine Häkchen hat psychologische Power. Es be­­lohnt. Es zeigt: Ich bin wirksam.
Viele Menschen fühlen sich schuldig, wenn sie nichts tun. Du auch?
Früher ja. Heute teilweise, aber ich weiss: Diese Schuldgefühle sind hausgemacht. Wir glauben, produktiv sein zu müssen – immer. Doch Kreativität entsteht im Leerlauf, nicht im Dauerstress. Ich habe gelernt, dem Müssiggang zu vertrauen. Und er hat mich nie enttäuscht.

Also: Erfolgreich durch Faulheit?

Ja – wenn sie effizient ist. Ich sage bewusst: Nur der faule Mensch kann wirklich effizient sein. Er sucht den kürzesten Weg, die klügste Lösung. Faulheit ist eine Art natürlicher Innovationsfilter. Ich bin nicht stolz auf meinen Fleiss – sondern auf meine Klarheit.

Was empfiehlst du Perfektionistinnen?

Verinnerlicht das Pareto-Prinzip: 80 Prozent des Ergebnisses entstehen in 20 Prozent der Zeit. Die restlichen 20 Prozent kosten dich 80 Prozent deiner Energie – oft für Details, die kein Mensch bemerkt. Gut genug ist oft besser als perfekt. Und du gewinnst Lebensqualität.

Apropos Lebensqualität: Wie wichtig ist dir Nichtstun?

Essenziell. Nichtstun ist Teil meiner Arbeit. Unsere Gehirne brauchen Pausen. Ich mache regelmässig Spaziergänge, gehe Joggen, schaue aus dem Fenster oder auf das Meer, lasse Gedanken treiben. Das ist kein Luxus – das ist produktives Loslassen, nein noch besser, das ist Leben!

Wie viel Nichtstun sollte man einplanen?

Nicht in Minuten. In Haltung. Der richtige Moment zum Innehalten ist, wenn du merkst, dass du dich im Kreis drehst oder wenn du in der Brust so ein Pulsieren oder Pochen merkst. Einfach, wenn es zu viel wird. Beginnt wieder, auf euch und euren Körper zu hören. Ich sage immer: Plane so viel Nichtstun ein, dass du dich auf deine Arbeit freust, wenn du zurückkommst.

Dein bester Tipp für mehr Effizienz im Alltag?

Beobachte, wo deine Zeit wirklich hingeht. Tracke eine Woche lang deine „Dauert eh nur kurz“-Momente. E-Mails, Social Media, kleine To-dos – sie summieren sich zu Stunden. Wer das erkennt, kann bewusst gegensteuern.

Wie bleibst du bei diesem Effizienzfokus empahtisch in der Kommunikation?

Da ich meine Arbeit sehr gut plane und vorbereite, habe ich eben keinen Stress, weder physisch noch mental, und kann daher auch jedem und jeder – fast – immer gleich das so wichtige Ohr schenken. Ich höre dann aber nicht – wie viele heutzutage – zu, um zu antworten, sondern um zu „hören“ und zu „verstehen“. Das ist in der heutigen Zeit in den Worten anscheinend nur ein kleiner, aber in der Wirkung ein enormer und wenn nicht sogar der entscheidende Unterschied. Ich bin klar – nicht kalt. Ich verlange strukturierte Anfragen, arbeite mit Vorlagen, bitte um präzise E-Mails statt spontaner Anrufe. Aber ich höre zu, schätze mein Gegenüber, halte Rückfragen aus. Effizient faul zu sein, heisst: nicht emotionslos, sondern ­zielfokussiert.

Welche sind deine drei Quick Wins für ein effizient-faules Leben?

  1. Lerne, Nein zu sagen. Deine Zeit ist kostbar – du darfst sie schützen.
  2. Arbeite mit Templates. Sie sind deine stille Effizient-Faul-Kraft im Alltag.
  3. Feiere Mini-Erfolge. Ein abgehaktes To-do ist mehr als ein Häkchen – es ist ein kleines Fest deiner Selbstwirksamkeit.

Buchtipp: „Effizient faul“ von Prof. Dr. Uwe Seebacher, Verlag edition a, 2025.

Uwe Seebacher forscht seit mehr als 30 Jahren zur Effizienzsteigerung und Entscheidungsoptimierung und berät Firmen wie Allianz, den Chemiekonzern Bayer in Leverkusen oder die Europäische Union.
Die meisten Menschen, auch Spitzenmanager, verschwenden zu viel Energie, lautet sein Befund. Wer sein Tun gut strukturiert, kann mit kleinem Aufwand grossen Erfolg erzielen. Seebachers Anleitungen dafür sind hochaktuell in einer Welt, die zunehmend Leistung verlangt und viele damit überfordert. Sie helfen, Energie effizient einzusetzen, sei es in der Schule, im Job oder in der Freizeit.
Erhältlich über orellfuessli.ch oder amazon.com


Creator
Claudia Gabler
Beitragsautorin

Quelle: Claudia Gabler: „Prof. Dr. Uwe Seebacher: Faulheit als Superkraft“, Ladies Drive Magazin, Nr. 70 (2025), S. 44-46.

Veröffentlicht online am 2 Juli, 2025
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