Das klingt jetzt etwas sehr platt und peinlich als Einstieg. Aber es soll verdeutlichen, dass mich Traditionen, Strukturen und gesellschaftliche Korsette herzlich wenig interessiert haben. Ich habe die Chancen wahrgenommen, die sich boten. Habe «Ja» gesagt, statt: «Oh, ich glaube, das kann ich nicht.» Wenn ich immer ängstlich gedacht hätte, die Schweiz ist konservativ und Frauenkarrieren gegenüber feindlich – ich wäre nirgendwo gelandet. Der Fokus ist entscheidend. Sehe ich nur die Probleme oder sehe ich die Chance? Habe ich eine Idee von mir, wer ich sein will, ist die Richtung klar. Das Ziel kann sich im Laufe des Lebens ändern, aber ich bleibe mir treu. Sich treu bleiben und beruflich wie gesellschaftlich verwirklichen, wünsche ich allen Frauen hier in der Schweiz. Insbesondere den Jüngeren, denn es gibt inzwischen genügend gute Rollenvorbilder, denen man nacheifern kann. Die daraus resultierende Befriedigung und der Stolz auf sich, wenn man was erreicht hat, kann einem niemand nehmen.
Daher ist das 50 Jahre Jubiläum zum Frauenstimmrecht eine respektvolle Referenz an die Frauengenerationen, die das erkämpft haben. Aber das Jubiläum hat nichts mit der heutigen Generation zu tun. Denn daraus kommt keine Kraft und Energie für die Herausforderungen, die sich uns jetzt stellen. Es ist eher ein Menetekel, eine Warnung, was passiert, wenn eine vormals moderne Gesellschaft (Einführung der direkten Demokratie 1848) stehen bleibt und sich auf ihren Lorbeeren (Abstimmen dürfen nur Männer) ausruht. Deswegen meine nächste Provokation: Wenn sich das Leben nur noch um die persönliche Fitness und den dellenfreien Po für das Instagram-Profil dreht, dann muss man sich nicht wundern, wenn es mit der seriösen Karriere, mit der Übertragung von Verantwortung und somit auch Macht, hapert. Karriere zu machen, heisst sich in den Wettbewerb mit Wissen, Fähigkeiten, Ausdauer und Durchsetzung zu werfen. Wer das scheut, wer das nicht will, weil man sich nur mit sich selbst beschäftigen möchte, darf sich nicht beschweren, wenn sich karrieremässig auch da nichts bewegt. Einen Jagdhund, den man zur Jagd tragen muss, braucht man nicht.
Ein Beispiel zu diesem Thema: AllianceF ist die grösste und wichtigste politische Interessenvertretung für die Anliegen von Frauen zum Thema Gleichberechtigung. Der Dachverband will das Jubiläum zum Frauenstimmrecht mit einem Event am 1. August auf dem Rütli feiern. Dieser historische Ort ist sehr passend, um an die direkte Demokratie zu erinnern, die nur den Männern zustand. Wäre das jetzt die einzige Feierlichkeit, die sich AllianceF ausgedacht hätte, wäre ich enttäuscht, denn da passiert nichts. Es wäre ein typischer Mimimi-Anlass. Absolut grossartig finde ich hingehend die Initiative, die AllianceF gestartet hat, um Hatespeech zu stoppen. Sie programmieren einen «Bot Dog» der sexistische und erniedrigende Kommentare in Social Media und in Online-Medien aufspürt. Damit wollen sie aufzeigen, mit welchem Hass Frauen im Netz konfrontiert sind und es wird Counter Speech dagegen eingesetzt. Die Programmierung des Algorithmus läuft und der «Bot Dog» wird realisiert. Das ist der Weg, von dem ich spreche. Die engagierten Frauen von AllianceF fokussieren sich nicht auf die beschämende Vergangenheit, sondern arbeiten an einer besseren, gleichberechtigten Zukunft. Helvetia ruft. Feiern wir unsere Grossmütter und Mütter. Aber engagieren wir uns weiter mit Ehrgeiz, Kreativität, Unternehmertum und Weitsicht, damit wiederum unsere Enkeltöchter stolz auf unsere Frauengenerationen sein können.
Über die Autorin:
Riccarda Mecklenburg, designierte Präsidentin vom Verband Frauenunternehmen VFU, Inhaberin von CrowdConsul, Founder von What the Hack, Stiftungsrätin Zürcher Journalistenpreis wohnt in Weiningen bei Zürich. Man findet Riccarda auf CrowdConsul.ch, erreicht sie per Email unter: riccarda@mecklenburg.ch oder über http://linkedin.com/in/riccarda-mecklenburg-0793951a