In einer Wirtschaft, in der die meisten Märkte gesättigt sind und sich selbst die Superlative abgenutzt haben, sind „Macher“ gefragter denn je. Was wir aber wirklich brauchen, sind Macher, die unsere Welt weiterbringen, Innovatoren, die Brücken schlagen in eine neue Welt jenseits von Konsumismus und Kapitalismus. Von diesen Machern würde ich erwarten, dass sie ihr Inneres auf Vordermann gebracht haben, das heisst, dass sie charakterstark, unabhängig, kreativ, authentisch und präsent sind. Ich würde hoffen, dass sie die Dinge kritisch betrachten, hinterfragen und auf Gehalt, Wirkung und Nebenwirkungen prüfen. Ich würde mir wünschen, dass sie in einer tiefen Beziehung stehen zu anderen Menschen, zur Gesellschaft, zur Welt, zu unseren Mitbewohnern aus dem Tier- und Pflanzenreich und zum Planeten selbst. Ich würde ihnen gerne nahelegen, sich mit Gleichgesinnten und Komplementären zusammenzuschliessen zu einem perfekten Team, denn die Zeit der geld-, macht- und Publicity-gierigen Einzelkämpfer ist endgültig vorbei. Ich möchte sehen, dass diese von Purpose, Interesse und Wohlwollen Getriebenen ins Gestalten und Umsetzen kommen und so Veränderungen und neue Chancen in die Welt bringen. Also keine Schnellschüsse, sondern Pfeile, die ins Schwarze treffen, sind vorzuziehen.
Die United Nations haben 2016 17 Ziele definiert (die SDGs oder Sustainable Development Goals), welche die Welt eine bessere machen sollten. Traurig ist es, festzustellen, dass bei 15 der 17 Ziele die Entwicklung rückläufig geworden ist in den letzten fünf Jahren. Ohne innere Veränderungen gehen äussere Veränderungen leider nicht, oder wenigstens nicht nach Plan. Deshalb haben die United Nations – respektive über tausend Gelehrte und Experten, unter ihnen führende Hirne in Psychologie und Soziologie – nun 23 IDGs (Inner Development Goals) entwickelt, welche es richten sollen. Die IDGs sind Kompetenzen, Charakteristika und Verhaltensrichtlinien, welche in fünf Gruppen gegliedert sind.
1. BEING als Grundkompetenz
Die erste Gruppe umfasst die Kompetenzen für „BEING“ (die Beziehung zu sich selbst). Es fängt also bei jeder und jedem Einzelnen an und da in seinem oder ihrem Inneren. Über die „Power of Being“ wurde bereits viel geschrieben. Auch darüber, dass Veränderung bei jeder und jedem Einzelnen beginnt und dass der/die Einzige, der/die sich ändern kann, man selbst ist oder dass der Friede im eigenen Herzen beginnt. So trivial sich das anhört, so wahr ist es. BEING umfasst die Kompetenzfelder: Integrität und Authentizität, Offenheit und Lernbereitschaft (Learning Mindset), Selbstwahrnehmung, Präsenz und vor allem ein funktionierender innerer Kompass. Was dabei radikal neu sein soll? In den gängigen Assessments, Kompetenzrastern und Rekrutierungskampagnen wurden diese Aspekte zu grossen Teilen ausser Acht gelassen. Jetzt stehen sie als Grundlage der IDGs. Wie anders wäre die Welt schon – die politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche und gesellschaftliche –, wenn alle Menschen stark wären in diesen Fakultäten! Aber das ist nur die erste Stufe.
2. Ohne unabhängiges, kritisches Denken geht gar nichts!
Die zweite Gruppe ist „THINKING“, d. h. kognitive Fähigkeiten. Dazu gehören das kritische Denken, das Wahrnehmen (und Verstehen) von Komplexität, die Fähigkeit, verschiedene Perspektiven einzunehmen und zu berücksichtigen, Sinn aus den Dingen heraus zu destillieren und überzeugende Visionen zu generieren, sowie Langzeitorientierung. Alles Kompetenzen, die früher an Universitäten gefördert und ausgebildet wurden und die in unseren schnelllebigen kurzzeit- und resultatorientierten Zielvereinbarungs- und evaluationsdominierten Führungsrastern zunehmend unter Druck geraten, denn weder BEING noch THINKING bringt schnelle, sichtbare Resultate – beide sind Voraussetzung.
3. Bezogenheit fördert Umsicht, Verantwortungsbewusstsein und Fürsorge
Die dritte Gruppe ist „RELATING“, das bedeutet, dass wir für andere und die Welt Sorge tragen. Wenn wir in Beziehung stehen, dann geht es uns um das grössere Ganze anstelle von Partikularinteressen und persönlichen Vorteilen. Zu dieser Gruppe gehören die Kompetenzen: Wertschätzung, Verbundenheit, Bescheidenheit, Empathie und Mitgefühl. Wann wurdet ihr letztmals nach diesen Verhaltensnormen beurteilt? Sind das KPIs (Key Performance Indicators oder Schlüsselerfolgsfaktoren) in eurem Unternehmen?
4. Schnell gehst du am besten allein – weit gehst du am besten mit anderen zusammen!
Die vierte Gruppe ist „COLLABORATING“, also Sozialkompetenzen, die eine gute Zusammenarbeit ermöglichen. Diese Faktoren sind im Äusseren schon viel wahrnehmbarer, und dazu gehören: Kommunikationsfähigkeit, das Talent, gemeinsam zu gestalten (Co-Creation), aber auch eine einbeziehende Haltung (wie sie für erfolgreiche Diversität essenziell ist), interkulturelle Kompetenz, Vertrauen und die Kompetenz, Menschen zu mobilisieren für eine gemeinsame Sache oder ein gemeinsames Ziel. Erst wenn alle diese vier Gruppen in einem Grad vorhanden sind, der gut genug ist, werden Aktionen wertvoll.
5. Erst im Tun werden Absichten zu Nutzen und Resultaten
So ist denn die fünfte und letzte Gruppe: „ACTING“, im Sinne von die Veränderungen zustande bringen, denn ohne dass etwas getan wird, bleiben die besten Absichten Ideen und Konzepte, die in Buch- oder Blog-Form andere allenfalls inspirieren, die letztlich aber wenig Wirkung zeigen. Zu dieser Gruppe gehören die Fähigkeiten und Charakteristika Mut, Kreativität, Optimismus und Durchhaltevermögen.
Die neuen IDGs sind definitiv ein Gamechanger! Es bleibt nur zu wünschen, dass die IDGs ihren Weg ganz schnell in viele Unternehmen und in die Politik finden, denn wir brauchen sie alle: die Macher, die Umsetzer und die Perfektionisten, damit unsere Welt eine schöne und gesunde wird, in welcher wir gerne und lange leben wollen.