Tanja Klein, Gründerin des Modelabels kleinbasel, setzt sich aktiv gegen die negativen Auswirkungen der Textilindustrie wie Fast Fashion, umweltschädliche Produktionspraktiken und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen ein. Wir fragen nach ihrem Warum und wie genau sie das macht.
Ladies Drive: Tanja, du bist in Basel eine Institution, und seit den 1990er-Jahren in der Modebranche tätig, die allermeiste Zeit davon selbstständig. Warum setzt du mit all deinem Schaffen einen so deutlichen Kontrapunkt zur Fast Fashion?
Tanja Klein: Das kommt aus meiner eigenen Geschichte. Ich habe als ganz junge Bekleidungsgestalterin, also Schneiderin, gelernt, wie schon meine Mutter und Grossmutter. Da erfährt man unmittelbar, wie viele Stunden es braucht, um ein Kleidungsstück zu nähen, und wie viel Handwerk da drinsteckt. Später habe ich eine Weile in einem grossen Unternehmen Kleider designt für die sogenannte Fast Fashion. Du weisst schon, so Null-Acht-Fünfzehn-Sachen, bei denen wir dann University of Los Angeles draufgeschrieben haben. Wir haben die Kleidungsstücke gezeichnet und diese dann zur Agentur gefaxt, und einige Zeit später kamen die fertig genähten Kleidungsstücke in einer Kartonschachtel aus Asien in unser Büro in Basel. Dazwischen war alles eine Blackbox. Wer sass da an den Nähmaschinen? Unter welchen Bedingungen arbeiteten die Frauen dort? Denn sind wir ehrlich, es ist ein klassischer Niedriglohnjob für Frauen! Dieser ganze Prozess war für mich fragmentiert. Da verbindet sich nichts mehr mit mir. Es fühlte sich leer und unsinnig an. Im Alter von 24 gründete ich mein erstes eigenes Atelier, damals für Haute Couture. Das heisst, eine Kundin kommt, und wir entwickeln und schneidern das perfekt sitzende Kleidungsstück für sie. Alles sind Massanfertigungen und Einzelstücke, angefangen beim Entwurf über das Schnittmuster bis zur Verarbeitung. Das habe ich leidenschaftlich gern gemacht. Irgendwann wollte ich meine eigene Modelinie machen und liess mich noch zur Fashion Designerin ausbilden. Und nach ein paar anderen Stationen mache ich das seit 2002.
Was machst du heute?
Wir designen, kreieren und vertreiben Kleider und Ledertaschen für Frauen und Männer. Wir produzieren zwei Kollektionen pro Jahr. Wir entwickeln die Kleider und Taschen hier in Basel im Atelier, die Kleider werden in Kroatien angefertigt, die Ledertaschen im Tessin. Ein wichtiger Grundsatz ist die Wertschätzung gegenüber den Materialien und der Arbeit. Wegwerfen war für mich nie eine Option. Da wir unsere Schnittmuster selbst erstellen, fällt praktisch kein Abfall an. Sollte doch mal etwas übrig bleiben, machen wir daraus Produkte wie Mini-Portemonnaies oder Schlüsselanhänger. Ich setze auf hochwertige, langlebige Stoffe aus Überproduktionen, sogenannten Dead Stock. Wir verwenden nur das, was bereits da ist, und drucken neue Stoffe nur in genau der benötigten Menge. Durch digitale Schnittoptimierung vermeiden wir Stoffreste nahezu vollständig.
Erzähl mir mehr über Dead Stock, bitte!
Dead Stock sind Stoffe, die als Reste bei den grossen Designlabels anfallen. Da kommen Händler zu uns ins Atelier, und ich kaufe die Stoffe, welche der kleinbasel-DNA entsprechen. Wir überlegen, welche davon wie in unser Farb- und Materialkonzept passen, welche Modelle wir damit kreieren. Mir ist es wichtig, Mode zu schaffen, die nicht nur schön aussieht, sondern auch verantwortungsvoll und mit einem klaren Bewusstsein für unsere Umwelt produziert wird. Übrigens haben wir auch eine Stoffkartei, die über die Jahre stets gewachsen ist. Da kommt beispielsweise eine Kundin und sucht sich ein Modell aus unserer Kollektion aus, möchte aber anderen Stoff – dann machen wir das für wenig Aufpreis. Wir passen das Schnittmuster an, und dann wird dieses Modell in Kroatien genäht. Die Manufaktur ist ein kleiner Familienbetrieb. Wir kennen dort alle und pflegen einen engen, herzlichen Kontakt mit ihnen. Mindestens einmal im Monat hängt dort der Patron die fertigen Stücke an die Kleiderstange in sein Fiat Ducato-Lieferwägeli und fährt die ganze Strecke bis zu kleinbasel. Zu Hause führt seine Frau derweil die Schneiderei. Wir bezahlen faire Löhne und wertschätzen in allem, was wir tun, Mensch und Umwelt.
In der Schweiz kauft eine Person durchschnittlich 20 Kilogramm Kleidung pro Jahr, von denen ein grosser Teil kaum getragen wird. Rund 6,5 Kilogramm pro Person und Jahr landen in der Altkleidersammlung. Die Arbeitsbedingungen in der Produktion dieser Kleidungsstücke sind oft prekär. Fast Fashion hat dazu geführt, dass Kleidung zunehmend als Wegwerfartikel betrachtet wird. Kleine, nachhaltige Labels können das Problem der Überproduktion und Verschwendung nicht lösen, aber sie sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Fotos: Phil Jeker
Hair/Make-up: Najat Zinbi
Model: Mahyal. Metro Model Agentur Idee und Styling: Kleinbasel by Tanja