Mental Health. Die pastellfarbenen Emotionen

Text: Joan Billing

Ladies Drive No 53. Mental Health. Die pastellfarbenen Emotionen. Joan Billing. Design: Jochen Holz – Glas Vase „Lustre“. Foto: Jochen Holz
Design: Jochen Holz – Glas Vase „Lustre“. Foto: Jochen Holz
Ladies Drive Magazine
Unsere Gesellschaft ist mitten in einer Transformation, dabei steht das neue Jahrhundert unter dem Thema „Emotionen“ und einer neuen „Selfcare“.

„Selfcare“ das Thema des neuen Jahrhunderts

Seit der Pandemie wird unser Leben von aussen geregelt und wir erleben, wie unsere alten Werte schwanken. Unsere Gesellschaft befindet sich in einer Transformation. Dabei hat die Pandemie die Digitalisierung, Demokratisierung und Individualisierung der Gesundheit in den Vordergrund gebracht. Seit uns unsere Endlichkeit bewusst wurde, ist uns auch bewusst, dass die Gesundheit eines Menschen nicht nur vom Funktionieren seiner körperlichen Gesundheit abhängt, sondern auch von seiner „Mental Health“. Dabei sind unsere Seele und die damit verbundenen Emotionen der Schlüssel dieser Gesellschaftstransformation. „Selfcare“ ist das Thema des neuen Jahrhunderts, begleitet von drei Trendentwicklungen: „Purpose“ – der tiefere Sinn und Zweck –, „Mindfulness“ – die Achtsamkeit mit der neuen Bedeutung, im aktuellen Moment zu leben und diesen bewusst und aufmerksam mit allen Sinnen wahrzunehmen – und „Holistic Health“ – der Trend der ganzheitlichen Gesundheit. Doch wir alle wissen, wie schwer es ist, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen, zu beschreiben, gar zu benennen oder mit anderen zu teilen. Selbst wenn wir das gleiche Gefühl haben, ist die Range der Emotionen breit. Hier eröffnet Design eine ganz neue Dimension. Über die Optik zeigt Design uns neue Lösungswege auf, wie wir unsere Emotionen besser wahrnehmen und verstehen können. 

Pastelltöne – Bögen, Rundungen im Interieur

Eine ganz junge Generation von 22-jährigen Designstudenten beschäftigt sich intensiv mit unseren Emotionen und mit schweren Themen wie Tod, Trauer, Schmerz, Sinnhaftigkeit und Unsicherheit. Die Studenten entwickeln dafür Apps, Podcasts, Blogs, CGI-Animationen, Websites, Produkte mit neuen grafischen Optiken. Dieses neue „Design Thinking“ ist ein Ansatz, der zu Lösungen von Problemen und zur Entwicklung innovativer Ideenansätze führt. Damit machen sie als erste Generation Emotionen für uns ganz neu visuell sicht- und greifbar. Sie denken und interpretieren Formen, Farben und Materialien dabei neu und spiegeln damit die Transformation unserer Gesellschaft. Es wird plötzlich ganz normal und alltäglich, über seine Gefühle und den eigenen Gemütszustand zu sprechen. Dieser andere Umgang und das ungewohnte Bewusstwerden der Emotionen haben die Pastelltöne und ihre Farbverläufe in unsere Interieurs und Fashion gebracht. Wir finden sie aber auch in Food, Beauty, Grafik und Packaging, ergänzt von einer runderen, cleaneren, reduzierteren und weicheren Formensprache. Bögen, Rundungen, Fransen haben die Innenarchitektur erobert, ob bei Spiegeln, Durchgängen oder Möbeln. Diese werden experimentell in Pastelltöne wie Mauve, Flieder, Blassmoosgrün, Lavendel, Kaugummirosa, Pastelltürkis oder Pistazie getaucht. Dadurch wirken die Oberflächen und Haptiken softer und leicht infantil. Auch Samt und Plüsch werden neu entdeckt und vermehrt in Interieurs eingesetzt. Der leichte und frische Umgang mit Design Research bietet für die Designer sowie für unsere Gesellschaft neue, spannende Lösungen für die Zukunft. Dabei ist der „Design Thinking“-Prozess zukünftig ein zentrales Element, um besser mit unserer jetzigen Unsicherheit und Transformation umgehen zu können. 

Pastellfarben – die poetische Art der Kommunikation

Durch neue Bedürfnisse entstehen neue Produkte. Die neuen Farben der Designer erinnern an herrlich gewirbelte Zuckerwatte und fordern uns auf, die Dunkelheit der letzten zwölf Monate abzulegen. Lavendel, Mint und weitere Pastellfarben dominieren dabei nicht nur die neue Fashion Collection von Versace, wo Männer in fliederfarbene Anzüge, hellblaue Socken und mintgrüne Hemden gesteckt werden. Auch die Möbel des Designstudios Soft-Geometry aus San Francisco spiegeln diese neuen, leicht skurrilen Pastellwelten wider, die mit weichen Geometrien, reduzierten und geschwungenen Kanten spielen. Bei der Zusammenarbeit von Soft-Geometry mit dem Studio Spot Studio entstanden für ihre Möbel fantastische neue 3D-Bildwelten in Pastell. Das Spot Studio, das Nicolás Cañellas leitet, ist ein junges künstlerisches Kreativstudio mit Sitz in Barcelona. Es ist auf Grafikdesign und 3D-/CGI-Trends spezialisiert und erstellt mutige, neue Welten. Es kreiert für Firmen High-End-Bilder, Markenbilder, Animationen und Bühnenbilder von Anfang bis Ende und macht sie so digital fit. Dabei führt in einem einzigartigen Designprozess der Dialog zwischen CGI und Fotografie zu einer poetischen Art der Kommunikation und zu neuen Ideen. Auch die Vase des deutschen Glasbläsers und Designers Jochen Holz, der seinen Master in Keramik und Glas am Royal College of Art in London absolvierte, könnte man unter dieser pastellfarbenen Designentwicklung positionieren. Er bezaubert uns mit einer Glasvase, die uns an eine Seifenblase erinnert und die er für das „Townhouse Takeover“ des Modedesigners Peter Pilotto in London designte. Das Schweizer Designstudio Kueng Caputo spielt schon länger mit pastellfarbenen Farbverläufen bei seinen Hockern, wie der Sand Chair Series. 

„Heavy Mental“ – eine App, die Emotionen sichtbar macht

Im Kontext des Megatrends „Mental Health“ ist auch das Projekt „Heavy Mental“ an der Zürcher Hochschule der Künste, Departement Design, im Forschungsbereich Care Futures von Angel Rose Schmocker des Studienvertiefungs-Masters von „Trends & Identity“ entstanden. Dabei handelt es sich um eine App zur veränderten Ästhetik und Repräsentation des psychischen Leidens bei Jugendlichen. In der Schweiz leidet jeder fünfte Jugendliche an einer psychischen Erkrankung, was enorme Folgekosten verursacht. Die Pandemie verstärkte dies zusätzlich. Die Hälfte aller psychischen Störungen, die bei Erwachsenen diagnostiziert werden, manifestieren sich bereits vor oder während der Pubertät. Doch die wachsende Gruppe von Digital Natives hat damit einen ganz eigenen Umgang gefunden. Sie kommunizieren, inszenieren, visualisieren und ästhetisieren ihre psychischen Befindlichkeiten intensiv im digitalen Raum von Instagram, WhatsApp oder Facebook. Das Thema „Mental Health“ wurde durch die Digitalisierung zu Normalität und Alltäglichkeit. Hier setzt die App „Heavy Mental“ an, welche sich an der Schnittstelle zwischen Psychologie, Beratungspraxis und Design bewegt. Anhand von vier ausgewählten Emotionen, die die eigene momentane Verfassung spiegeln, generiert die App ein farbiges 3D-Mood-Image. Dabei entstehen fantastisch schöne, im Raum fliegende, virtuelle 3D-Gefühlsobjekte. Skulpturen wie von einem Künstler geschaffen. Diese Visualisierung gibt der Thematik eine spielerische und lustvolle Leichtigkeit und weckt das Bedürfnis, möglichst viele dieser schönen Gefühlsskulpturen zu generieren. Jeder wird zum eigenen Künstler seiner Gefühle, die in der digitalen Galerie tagebuchartig gespeichert werden können, um so die eigenen Emotionen und Stimmungen zu dokumentieren und zu reflektieren. Diese App wird zukünftig im Rahmen der Präventionsarbeit der Pro Juventute eingesetzt, und der Prototyp kann unter vimeo.com/462951721 angeschaut werden.

„Holistic Health“ – Trauer am Arbeitsplatz

Die WHO definiert Gesundheit als einen Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und zählt den Besitz des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu den Grundrechten jedes menschlichen Wesens. Die momentane intensive Beschäftigung und das Verstehenwollen unserer Emotionen entwickelt sich zu einem der wichtigen gesellschaftlichen Megatrends, der einen neuen Umgang mit Emotionen wie Trauer, Melancholie, Wut, Einsamkeit ermöglicht. Deswegen ist eine logische Schlussfolgerung, dass die Auseinandersetzung mit unseren Gefühlen nicht nur unsere Designwelten beeinflusst, sondern unter anderem auch die Human Resources, Workspace, Team Spirit, Employee Handling jedes Unternehmens in den kommenden zehn Jahren beschäftigen wird. Unter dieser Entwicklung kann auch das Thema „Trauer am Arbeitsplatz“ verortet werden, was bisher als Tabu und Privatsache galt. Wie jedoch eine Studie zeigt, kommen in den nächsten 20 Jahren auf jedes neugeborene Kind in etwa vier verstorbene Personen. Dies hat wiederum zur Folge, dass Mitarbeiter immer älter werden und dadurch stärker von emotionalen Ereignissen wie Tod, Krankheit oder Sterben betroffen sein werden. Deswegen sind hier ganz neue Ansätze gefragt. So erkannte Facebook als einer der weltweiten Vorreiter früh, dass Trauer die Arbeitseffizienz und Konzentration stark reduziert, und gibt bei einem Todesfall seinen Mitarbeitern inzwischen 20 statt zehn Tage bezahlten Sonderurlaub. Weitere Firmen wie Airbnb, Mastercard und Bank of America zogen nach.

„Purpose“ – Sinnhaftigkeit

Es gehört für ein Unternehmen zum zentralen Erfolgsrezept, die langfristigen Gesellschaftsentwicklungen und ihre Megatrends nicht aus den Augen zu verlieren. Denn die Arbeitswelt in der ganzen Welt befand sich bereits vor dem Ausbruch der Coronakrise im Umbruch. Auf der Welle des „Mental Health“ erhält nun der Trend „Purpose“ noch mehr Gewicht. Dabei verschiebt sich der Fokus von der Effizienz hin zum einzelnen Arbeitnehmer und seinen Gefühlen und Bedürfnissen. So möchten Mitarbeiter nicht nur mehr Sinn und Erfüllung in ihrer Arbeit finden, sondern auch zu einem höheren Gemeinwohl beitragen. Es ist inzwischen zu einer Voraussetzung für Firmen geworden, ihren Mitarbeitern diese Sinnhaftigkeit und Tiefe zu geben. Sie ist aber keine schöngeistige Philosophie mehr, sondern hat eine wichtige Funktion in der Zusammenarbeit im Team. Wie weitreichend diese gesellschaftliche Entwicklung bereits ist, zeigt sich unter anderem darin, dass einzelne Agenturen Unternehmen in Sachen „Purpose“ und Mitarbeiterbindung beraten. 

Je länger diese Krise andauert, desto klarer wird, dass das Thema Emotionen, sei es am Arbeitsplatz oder andernorts in unserer Gesellschaft, in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen wird. Mit dieser neuen Sichtbarkeit kommen auch der Wunsch und die Notwendigkeit nach mehr Empathie auf, jene rationelle und emotionale Fähigkeit, die erlaubt, die Perspektive von jemand anderem einnehmen zu können. Auch die Resilienz, jene psychische Widerstandskraft, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen, rückt in den Fokus. Und die Zuversicht, jenes subtile Gefühl der inneren Stärke, bringt uns Gelassenheit und den unerschütterlichen Glauben daran, dass alles gut werden wird. Es wird Zeit, dass wir als Gesellschaft lernen, diese neuen Erkenntnisse auf allen Ebenen umzusetzen. 

Veröffentlicht am Februar 10, 2025
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