Mehr Wörter, mehr Wirkung

Text: Dr. med. Evelyn Mauch, MHBA
Bild: Ladies Drive

Ladies Drive No. 69. Mehr Wörter, mehr Wirkung
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Warum ein großer Wortschatz und Dialekte unser Gehirn auf Touren bringen

„Und, wie?“ – „Ja, muss. Und selbscht?“ – „Man lebt!“

Ein Gespräch wie dieses mag für Aussenstehende karg und emotionslos klingen, doch in süddeutschen Gefilden kann es kaum herzlicher gemeint sein. Hier, wo Worte so sparsam eingesetzt werden wie Butter auf dem Brezelrand, zählt nicht die Länge der Unterhaltung, sondern ihre Essenz. Ein echter Schwabe verschwendet keine Worte – und schon gar keine Gefühle – an unnötiges Geschwätz.

Diese urige Art der Kommunikation findet ihren Meister in einer ganz besonderen Spezies: dem „Bruttler“. Ein Bruttler redet nicht viel, aber wenn er etwas sagt, dann sitzt es. Seine Worte wiegen schwerer als ein Sack Kartoffeln nach der Ernte und seine Mimik gleicht einem stummen Buch, das für Eingeweihte eine ganze Geschichte erzählt. Während Zugezogene sich wundern, ob sie etwas falsch gemacht haben, erkennt der Einheimische in einem knappen „Geht scho“ die ganze Bandbreite an Emotionen – von freundlicher Zustimmung bis hin zu tiefster Begeisterung durch korrekte Interpretation von Mimik, Gestik und Tonfall – eine Meisterleistung der Beobachtung durch unser Gehirn.

Warum also grosse Worte schwingen, wenn ein vielsagendes Nicken oder ein grummelndes „Passt scho“ die gleiche Botschaft übermitteln kann? In dieser minimalistischen Ausdrucksweise steckt eine tiefe, bodenständige Ehrlichkeit. Kein Schnickschnack, keine leeren Floskeln – nur pures, unverfälschtes Miteinander. Die fehlende Lust an Small Talk ist hier kein Zeichen von Unhöflichkeit, sondern eher ein Beweis dafür, dass man sich versteht, ohne ständig Worte darüber zu verlieren.

Für den echten Schwaben ist ein gut platziertes Grunzen manchmal mehr wert als eine wortreiche Rede. Wer hier aufgewachsen ist, der lernt früh, die Nuancen der Tonlage, das Zucken eines Augenlids oder das minimalistische Heben eines Mundwinkels zu deuten – denn darin steckt oft mehr Wärme als in einer überschwänglichen Begrüssung anderswo. Es ist ein stilles Einvernehmen, eine wortarme, aber herzenswarme Art der Verbundenheit.

Dialekte sind dabei weit mehr als nur eine alternative Art zu sprechen – sie sind Heimatgefühle in Klangform. Wer im Dialekt spricht, aktiviert nicht nur nostalgische Erinnerungen, sondern auch emotionale Netzwerke, die tief in der Kindheit verwurzelt sind. Und obwohl Dialekte oft weniger Worte als die Schriftsprache kennen, sind sie doch oft bildhafter und ausdrucksstärker. Ein Satz wie „Ned g’schimpft isch globt g’nug“ bringt auf den Punkt, was hochdeutsch niemals so treffend klingen würde. „Keine Kritik ist schon Lob genug“ klingt sachlich, weckt jedoch keine Emotionen.

Und so bleibt die schwäbische Kommunikation, so wortkarg sie auch erscheinen mag, eine Kunst für sich – und ein liebevolles Zeichen echter, ehrlicher Verbundenheit. Wer sie entschlüsselt, braucht keine ­grossen Worte mehr. Man weiss ja, was g’meint isch!

Ein umfangreicher Wortschatz hat weitreichende Auswirkungen auf unser Gehirn. Je mehr Worte uns zur Verfügung stehen, desto schneller kann unser Denkapparat die exakt passenden Begriffe abrufen. Das Gehirn arbeitet dabei wie eine gut sortierte Werkzeugkiste – wer mehr Werkzeuge hat, kann komplexe Konzepte präziser greifen und Zusammenhänge klarer darstellen. Durch den automatisierten Abruf der Worte wird zudem das Arbeitsgedächtnis entlastet, sodass mehr Kapazitäten für kreatives Denken oder tiefgehende Analysen bleiben.

Doch Sprache ist weit mehr als ein reines Kommunikationsmittel – sie ist auch ein Schlüssel zu unserem Innenleben. Wer seine Emotionen genau benennen kann, erkennt Unterschiede zwischen blossem „Genervt-Sein“ und tiefer Resignation, zwischen Enttäuschung und Frus­tration. Und genau diese Präzision ermöglicht es uns, gezielter auf unsere Gefühle zu reagieren, statt sie einfach nur dumpf wahrzunehmen. Wer genau formulieren kann, was ihn beschäftigt, findet auch eher konkrete Lösungen für seine Herausforderungen.

Die Art und Weise, wie wir mit uns selbst sprechen, beeinflusst unser Selbstbild stärker, als wir oft denken. Unsere inneren Glaubenssätze formen unsere Realität – und je präziser unsere Begriffe sind, desto gezielter können wir negative Gedanken und Emotionen benennen, hinterfragen und letztlich steuern. Ein differenzierter Wortschatz ist somit nicht nur ein Vorteil in Gesprächen mit anderen, sondern auch ein mächtiges Werkzeug auf der Reise zu uns selbst.

Sprache beeinflusst jedoch nicht nur unser Denken, sondern auch unser Fühlen, unsere Werte und sogar unser Verhalten. Wer Französisch spricht, fühlt sich plötzlich ein wenig aristokratischer, wer ins Englische wechselt, spürt vielleicht die Lässigkeit einer Kate Moss. Und wer versucht, Small Talk auf Latein zu halten, merkt schnell, dass sich selbst Cicero wohl an einem simplen „Quid novi?“ die Zunge verknotet hätte.

Studien zeigen, dass wir Emotionen in unserer Muttersprache intensiver empfinden, weil sie tief in unseren emotionalen Gedächtnisstrukturen verankert sind. Selbst wenn wir zwei Sprachen fliessend beherrschen, nutzt unser Gehirn dabei leicht unterschiedliche Netzwerke – was auch Auswirkungen auf unsere Entscheidungen hat. Wer Gehaltsverhandlungen führt oder sich auf riskante Investitionen einlässt, könnte dies besser in einer Fremdsprache tun. Die emotionale Distanz sorgt hier oft für mehr Rationalität und weniger impulsive Bauch­entscheidungen. Also, auf geht’s – oder besser gesagt: On y va!

Doch bedeutet das, dass wir im Berufsleben nicht in der Muttersprache verhandeln sollten, um möglichst rational zu kommunizieren? Ganz im Gegenteil! Offene und ehrliche Kommunikation ist im ­Arbeitsumfeld unerlässlich. Wenn wir uns klar ausdrücken können, profitiert nicht nur das Arbeitsklima, sondern auch die gesamte ­Organisation.

Kreative Ideen spriessen, Fehler werden besser verarbeitet und die Zusammenarbeit wird effizienter, wenn es möglich ist, auch mal direkt zu sagen: „Das finde ich blöd!“ – natürlich respektvoll. Wer ehrlich anspricht, was ihn stört, stärkt das Vertrauen im Team, fördert Motiva­tion und Effizienz und sorgt für eine tragfähige, gesunde Unternehmenskultur. Denn am Ende gilt: „Teamwork makes a dream work“ – und was könnte besser sein als das?

Quelle: Dr. med. Evelyn Mauch, MHBA: „Mehr Wörter, mehr Wirkung“, Ladies Drive Magazin, Nr. 69 (2025), S. 74.

Veröffentlicht online am 22 Mai, 2025
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