Wäre die Bibel bei Temu bestellt, in China, hiesse es nicht „Fiat Lux“, der gleich lautende Luchs lebt meist weiter im Westen. In China hiesse es wohl: „Fiat Panda!“
Worten, Titeln, gar Autonamen wohnt eine göttliche Kraft inne. Das Wort war Gott und dieser schuf Eva aus Adams Rippe. Steht deshalb auf dem Grabstein oft R. I. P.? Werden deshalb Frauen oft geroastet oder wie ein Stück Fleisch behandelt? Sind sie lediglich Spareribs?
Das Wort, besonders das biblische, hat Definitionsmacht. So wird beispielsweise bei Onan kritisiert, dass er seinen Samen auf unfruchtbare Erde fallen lasse, statt in die Frau zu pflanzen. Daher kennen wir den Begriff „Onanieren“. Doch Spermien sind keine Samen und Frauen sind keine Erdklumpen. Diese Terminologie vermittelt das unbestimmte Gefühl, in männlichen Stammzellen sei genetisch alles angelegt wie im Samen einer Pflanze. Obwohl die weibliche Eizelle sogar die Hälfte des Erbguts für neues Leben beisteuert.
Dass Sprache die Wahrnehmung beeinflusst, ist hinlänglich bekannt. Wir stellen uns Männer vor, wenn wir von Ärzten, Lehrern oder Leadern sprechen, das wurde in vielen Studien belegt. Generisches Maskulinum, das Nennen der männlichen Form, welche die weibliche einschliessen sollte, wird von Menschen und selbst von der KI fast immer als rein männlich interpretiert.
Die Sprechakttheorie geht noch weiter: Sprache kann nicht nur Abbild und Prägung, sondern auch Handlung sein. Im religiösen und rechtlichen Kontext kennt man Beispiele wie die Taufe. „Ich taufe dich auf den Namen Kevin“ ist ein Sprechakt, der lebenslange Konsequenzen hat. Mobbing aufgrund des Namens ist nur eine davon. Eltern, welche nicht auf originellere Ideen zur Benennung ihres Kindes kommen, sollten ohnehin der KESB gemeldet werden (vor allem, wenn es sich beim Kind um ein Mädchen handelt). Der gesprochene Taufakt kann natürlich noch mit einer Wasserzeremonie manifestiert werden, welche zwar ebenfalls einer Folter gleicht, einer Art Waterboarding für Säuglinge, aber immerhin dauert sie nur einige Sekunden.
Die Absolution, dieser vom Pfarrer gesprochene Erlass der Sünden, ist genauso ein Sprechakt wie die Erklärung der Ehe. Obschon der Satz „Ich erkläre Sie hiermit zu Mann und Frau“ eine fragwürdige Aussage darstellt, denn Mann und Frau wissen meist schon vorher, welchem Geschlecht sie angehören. Da braucht es kein Mansplaining.
Ich spreche, also werde es. So funktionieren Zaubersprüche! Jedes Kind wünscht sich solch magische Kräfte, ohne zu ahnen, dass es sie bereits besitzt. Denn Worte können etwas Reales und biochemisch Messbares auslösen: Emotionen. Ein gesagtes „Ich liebe dich“, ein geschriebenes „Ich hasse dich“ kann für die Empfängerin alles verändern. Selbst die reine Beschreibung von Gefühlswelten vermag es, dem Lese- oder Hörpublikum Wasser in die Augen und Schauer auf die Haut zu treiben. „Gänsehaut-Momente“ nennen wir dies. An dieser Stelle frage ich mich: Ist eine Daunenjacke nicht eigentlich dasselbe wie eine Gänsehaut? Einfach weiter aussen?
Sogar Bücher, welche auf wissenschaftlichen Studien beruhen, können emotional bewegen. Dass endlich jemand das bisher unbestimmt Empfundene in Worte fassen kann, rührt uns zu Tränen. So erging es mir beim Lesen von Franziska Schutzbachs „Die Erschöpfung der Frauen“. Ich konnte relaten, wie man heute so schön sagt, ich erkannte mich wieder und liess mich in die gut gewobene verbale Hängematte fallen.
Als Komikerin und Autorin lebe ich davon, mit Worten Gefühle zu erzeugen. Und ich überlebe dadurch, dass ich durch die Verbalisierung eine Distanz zum Gefühlten gewinne.
Männer können Emotionen offenbar weniger gut in Worte fassen. Entweder sie fühlen, können aber nicht ausdrücken, was genau. Oder sie denken und verbieten sich das Fühlen. Die Verbindung von rationalem Wort und Empfindungen wurde bei ihnen im Laufe der Evolution gekappt, bei Frauen hingegen ausgebaut. Frauen seien die Hebammen der männlichen Gefühle. Diese Kopfgeburten nach aussen zu tragen, bereitet den Männern oft unvorstellbare Wehen. Es folgt nicht nur ein Dammriss, sondern ein veritabler Dammbruch, wenn die ersten gepressten Worte draussen sind: „Ich bin Kevin und fühle mich einsam“. Im besten Fall landet Kevin sanft in der verbalen Hängematte und kann in Frieden ausruhen. Für verletzende Sätze gilt dann dasselbe Schlusswort wie für emotionale Sprachlosigkeit: R. I. P.