Gefühle sind eng mit dem Unterbewussten verbunden – ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Sie sind die eigentliche Sprache des Unterbewussten. Das Aufkommen der Gefühle in uns ist ein willkürlicher Prozess, den wir nicht beeinflussen können – und wohl auch nicht sollten, denn sie machen uns auf Dinge aufmerksam, die unser Bewusstsein noch gar nicht bemerkt hat. Das macht unsere Gefühle zu höchst sensiblen Antennen und Botschaftern der Intuition. Was wir mit ihnen anstellen, wie wir sie ausdrücken und ob wir uns von ihnen beherrschen lassen, das allerdings ist sehr stark mit unserem Bewusstsein und unserem Willen verbunden.
Gefühle sind farbig, lebendig und kraftvoll. Während Gedanken sich in unserem Kopf abspielen, niemandem wehtun und – so sie Gedanken bleiben – wirkungslos sind, sind die Gefühle mit unserem Herzen verbunden und damit nicht einfach nur Spielereien ohne Konsequenzen, sondern sie können unser ganzes Wesen erfassen. Gibt es etwas Stärkeres als das Gefühl, verliebt zu sein? Gibt es etwas Abgründigeres als die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen oder der Heimat? Gibt es etwas Furchtbareres als abgrundtiefen Hass? Das Wesen von Gefühlen ist also nicht neutral, sondern sehr polarisiert: Sie sind gut oder schlecht, aufbauend oder zerstörend, hilfreich oder schädlich. Sie haben sogar die Kraft, zu manifestieren und uns krank oder gesund zu machen.
Die Werbung hat längst herausgefunden, dass man Menschen nicht mit Konzepten, sondern über die Gefühle gewinnt. So werden unsere Gefühle hemmungslos, äusserst geschickt und psychologisch versiert manipuliert, sodass wir uns in eine gewünschte Richtung bewegen. Auch Politiker steuern und gewinnen über die Gefühle – vor allem die Populisten –, nicht zu schweigen von allen Kreativen in Kunst, Literatur, Theater, Musik und Kino, welche Musik, Bild, Geschichte und Stimmung sorgfältig verweben, um die entsprechenden Gefühle zu kreieren und hervorzuholen. Auch in der Wirtschaft und in der Arbeitswelt sind die Gefühle längst angekommen: Powerpoints sind bebildert und „Storytelling“ gehört zum Repertoire jedes Vorgesetzten, während dies früher den Märchenerzählern und Schriftstellern vorbehalten war. Ohne Gefühle läuft längst nichts mehr und ohne sie hätten auch Zeitungen nur kleine Auflagen.
Doch wie gehen wir im Geschäftsleben mit Gefühlen um? Die „guten“ Gefühle sollen wir möglichst ausdrücken und zeigen, die schlechten lieber zu Hause lassen und kontrollieren. Geht das? – Es geht, aber der Preis ist ziemlich hoch dafür. Unterdrückte Gefühle machen uns krank und unglücklich. Ausserdem haben sie ein ziemlich grosses Explosionspotenzial. Gescheiter ist es, diesen Gefühlen auf den Grund zu gehen. Woher kommen sie? Warum kommen sie jetzt in diesem Augenblick? Was wollen sie uns zeigen? Worauf weisen sie uns hin? Was ist die Qualität dieser Gefühle? Möchten wir sie? Brauchen wir sie? Wozu stacheln sie uns an? Somit sind wir wieder beim alten Thema: Kopf oder Herz? – Die Antwort darauf ist natürlich: Beides! Denn wozu hätten wir beide Fakultäten, wenn wir nur eine davon bräuchten? So blöd ist die Natur nicht, dass sie uns Dinge einbaut, die wir nicht brauchen.
Wie können wir also unsere Gefühle steuern, sodass sie uns unterstützen in dem, was wir uns wünschen, erhoffen und kreieren wollen?
- Das Erste ist, dass wir unsere Gefühle ernst nehmen, denn egal was die Qualität ist, sie sind real, wertvoll und nützlich. Akzeptieren wir die Gefühle als das, was sie sind: die Sprache unseres Unterbewusstseins, das mit unserem Bewusstsein kommunizieren möchte!
- Der zweite Schritt ist, ihnen nicht mehr Macht zu geben, als sie haben. Denn wir sind nicht unsere Gefühle, wir haben diese Gefühle. Es gibt eine Instanz in uns, welche die Gefühle steuern kann. Diese Instanz, unser Bewusstsein, entscheidet, welche Gefühle wie stark von uns Besitz ergreifen dürfen, wenn überhaupt.
- Drittens ist es wichtig, den oder die Hintergründe des momentan dominanten Gefühls zu verstehen und einzubeziehen. So kommen die Hinweise des Unterbewussten in unser Bewusstsein und hier können wir die besten Strategien entwickeln für unser Weiterkommen und Wachsen.
- Als vierten Schritt gilt es zu beobachten, was unsere Gefühle in unserem Leben und in unserem Umfeld bewirken. Mit unserem Verstand können wir sie entsprechend ausdrücken oder im Innern erleben, sie dosieren, verstärken, ihnen nachgeben oder ihnen widerstehen. Dies in Übereinstimmung mit unserem Wesen, aber auch mit unserem Purpose (unserer Absicht). Bewusst erlebte und reflektierte Gefühle lehren uns auch, unsere Vergangenheit besser zu verstehen und damit die Zukunft bewusster zu gestalten.
- Fünftens gilt es zu beachten, dass die Gefühle nicht irgendwo herkommen, sondern ganz eng mit unserem Selbstbild, unseren Prägungen, unserer Kultur, aber auch mit unseren Erfahrungen verbunden sind. Unser Leben, wie wir es gelebt haben und was es uns im Guten wie im Schlechten beschert hat, bestimmt, wie wir uns sehen, wahrnehmen, fühlen und verhalten. Das sehr erhellende Buch von Carol Susan Dweck über „Mindset“ ist ein hilfreicher Leitfaden, zu einem mutigeren, erfüllteren und wirksameren Denken zu finden. Ein Growth Mindset ist immer auf Lernen und Wachsen ausgerichtet, während ein Fixed Mindset auf Schützen und Verhindern abzielt. Menschen mit einem Growth Mindset haben mehr Spass im Leben, wobei es auch ganz okay ist, ab und zu im Fixed Mindset zu stecken.
- So gilt es, als sechsten Punkt zu beachten, dass unsere Gefühle auch unseren Bewusstseinszustand reflektieren. Je entwickelter unser Bewusstsein, um so differenzierter unsere Gefühle. So schrieb Laotse: „Der Dumme ärgert sich, der Weise versteht.“ Was für ein Gefühlsunterschied! Das Leadership Circle Profile (ein psychologischer 360-Grad-Fragebogen für Führungskräfte) kann so gut aufzeigen, ob ein Mensch im Reaktiven (dem Fixed Mindset) gefangen ist oder kreativ aus dem Growth Mindset heraus handelt.
Es geht also nicht darum, gute Gefühle willkommen zu heissen und schlechte zu verstecken, sondern es geht darum, unsere Gefühle wahrzunehmen, zu verstehen, sie zu utilisieren (d. h. sie nutzbringend für unsere Entwicklung einzusetzen) und an ihnen zu wachsen. Sie werden sich verändern, wenn wir auf sie hören, und sie helfen uns, Dinge frühzeitig korrekt zu erkennen. In dem Mass, in welchem unser Bewusstsein wächst, entwickeln sich auch unsere Gefühle, denn das Unterbewusstsein und das Bewusstsein sind in dauerndem Kontakt zueinander, innig verbunden und beeinflussen sich gegenseitig.