Vor allem dann, wenn sie missbräuchlich sind und die Abwertung einer Person ein konstituierendes Element ist. Toxisch, giftig, so nennt man dies heute.
Inzwischen gibt es toxische Beziehungen im Internet, auf welche die Adressierten gerne verzichten würden. Gerade Frauen, die sich in politischen oder wirtschaftlichen Zusammenhängen kompetent und meinungsstark äussern, werden immer wieder angegriffen und abgewertet. So fand sich vor nicht allzu langer Zeit in einem finanzwirtschaftlichen Forum ein Beitrag, der nur zum Ziel hatte, die betreffende Expertin abzuwerten. Ein Mann, nennen wir ihn Karl-Heinz, schrieb sinngemäss etwa Folgendes:
„Der Mann ist wie eine Flasche Wein, der mit dem Alter immer besser wird. Frauen hingegen sind wie Blumen, die mit dem Alter verwelken. Sie sollten ihre Schönheit geniessen, solange sie noch können. Spätestens mit 35 geht es steil abwärts und auch mit viel Schminke wird aus dem hässlichen Entlein kein schöner Schwan mehr. Eine alte Schachtel bleibt eine alte Schachtel.“
Der Entrüstungssturm war gross. Feministinnen und andere halbwegs intelligente Menschen empörten sich über diese oberflächliche, misogyne Aussage. Ich finde allerdings, dass Karl-Heinz völlig recht hat. Tatsächlich ist ein solcher Mann wie ein Wein. Er kommt oft als Flasche. Daher ist seine Männlichkeit zerbrechlich und fragil. Er betreibt des Öfteren Etikettenschwindel. Wein ist Alkohol. Zu viel davon ist toxisch. Ist der Zapfen mal ab, wird er schnell sauer.
Und die Frau ist wie eine Blume, eine Pflanze. Sie hat starke Wurzeln und einen flexiblen Stiel, das macht sie stabil und dennoch beweglich. Resilient. Um nicht übergangen zu werden, wirft sie sich in ein hübsches Kleid oder bewehrt sich mit Stacheln, scharfen, schneidenden Kanten. In einem regelmässigen Zyklus verblüht und blutet sie, aber sie stirbt nicht, sondern blüht immer wieder auf und liefert Früchte, die dann allerdings erst reifen müssen und vergären, um zu einem richtigen Mann zu werden.
Frauen sind keine alten Schachteln. Sie sind Schachtelhalme. Eine der resilientesten Pflanzen überhaupt. Schon zu Zeiten der Saurier lebten diese gelenkigen Pflanzen. Ihren Namen haben sie, weil man die Sprossachse herausziehen kann aus der Scheide, die von den Blättern gebildet wird. Und auch wieder zurückstecken. Die Sprossachse gleicht der menschlichen Wirbelsäule. Sie ist mehrgliedrig und biegsam, kann sich anpassen und stellt sich wieder auf nach Unwettern und wenn sie niedergetreten wird. Nach Twitter-Gewittern, Shitstorms und traumatischen Erlebnissen. Mit anderen Worten: Schachtelhalme haben Rückgrat. Wie die Frauen. Solange der Boden gut und die Wurzeln stark sind, können sie immer wieder aufstehen. Selbst wenn ein gölesker Schwan ihnen ans Kraut möchte.
Im Verbund bilden Schachtelhalme einen fast undurchdringlichen Wald. Und wie die Frauen sind sie total rezent. Wobei rezent im biologischen Kontext nicht einfach nur scharf heisst. Rezent bedeutet: Noch leben wir! Noch sind wir hier, egal wie traumatisch unsere Erfahrungen waren! Wir überleben nicht nur 35 Jahre, nein, wir leben seit 350 Millionen Jahren. Im Gegensatz zu den Sauriern und anderen Fossilien. Von denen gibt es nur noch wenige. Zum Beispiel Karl-Heinz. Aber auch den werden wir überleben, wenn bei ihm der Zapfen erst mal ab ist.
Ein Prosit auf die weibliche Resilienz!
Patti Basler
ist eine Schweizer Bühnenpoetin, Autorin und Satirikerin. Die studierte Erziehungswissenschaftlerin gehört zu den erfolgreichsten Kabarettistinnen der Schweiz, und feiert auch in Österreich und Deutschland Erfolge. Wer sie einmal gesehen hat, wird ihre gereimten Ungereimtheiten nicht mehr so schnell vergessen. Sie bringt die Bodenständigkeit einer Bauerntochter von der Heu- auf die Show-Bühne. Die ehemalige Lehrerin – ist unter anderem Kolumnistin des Jahres 2022 und Trägerin des „Salzburger Stiers“ 2019.
Foto: Roland Tännler