Diana Wolf-Dolgner
CEO Market & Beyond und
Expertin für Zukunftsmanagement
marketandbeyond.com
Wir müssen die Zukunft
neu denken
Was sind die Top-Themen, die dich zurzeit am meisten fordern in deinem Job?
Angesichts der vielen Trends und Dynamiken, die auch die Coronakrise hervorgebracht hat, ist es gerade als Zukunftsmanagerin eine echte Herausforderung, adäquat informiert zu bleiben und – ohne die sonst üblichen Messen und Konferenzen – mit vielen Menschen zu sprechen. Als Trainerin fordert mich die Transformation im Bildungswesen, die zuletzt deutlich an Dynamik gewonnen hat: Traditionsanbieter verlieren an Attraktivität und Einfluss, während eine Vielzahl digitaler Lernplattformen entsteht. Zwischenzeitlich bin ich Sparringspartner eines EdTech-Start-ups, durch das ich auch selbst meine Digitalpräsenz und -kompetenz verbessern kann. Mit Blick auf meine Mandanten ist das Top-Thema die Sicherung der Zukunftsfähigkeit. Offen gestanden habe ich vor einem Jahr befürchtet, dass viele Unternehmen in einer Habachtstellung verharrend auf bessere Zeiten warten. Doch dies war zumindest bei dem Grossteil meiner Mandanten nicht so. Hier war und ist das Credo, die Chancen zu nutzen und in einer Zeit Punkte zu machen, in der andere nichts tun oder nichts tun können. Alarmierend ist, dass laut einer aktuellen Studie immer noch zu wenig Führungskräfte strukturiert die Zukunftsfähigkeit ihrer Organisation bzw. ihres Teams auf den Prüfstand stellen und auf Sicht fahren. Der Wettbewerbsdruck wird sich weiter erhöhen und der allgegenwärtige Satz: „Das haben wir schon immer so gemacht“, hat spätestens jetzt seine Daseinsberechtigung verloren!
Was ist das Disruptivste, was du von der nahen Zukunft erwartest?
Hierzu fallen mir eine Vielzahl von Zukunftsthemen ein, die als sogenannte Tiefenströmungen des Wandels teilweise heute schon und noch mehr in Zukunft auf uns einwirken werden. An erster Stelle steht die Nachhaltigkeit. Sie ist für unseren Planeten und für uns essenziell und wird weiter an Fahrt zunehmen (müssen). Mit Blick auf die Volkswirtschaft wird die nahe Zukunft auch am Arbeitsmarkt entschieden: Ausgelöst durch Digitalisierung, Globalisierung, den demografischen Wandel, KI befindet sich unsere Arbeitswelt in einem grundlegenden Wandel. Unternehmensstrukturen und die Einstellung zur Arbeit verändern sich zugunsten moderner, flexibler und menschenzentrierter Formen der Arbeitsorganisation. New Work ist der Begriff der Stunde und beschreibt das moderne Mindset. „Die Welt vollzieht gerade den Übergang vom Kapitalismus zum Talentismus“, formulierte das Klaus Schwab, Chef des Davoser Weltwirtschaftsforums. Ähnlich disruptiv, wenn auch deutlich später, sehe ich in der Mobilität spannende Neuerungen auf uns zukommen – abseits des aktuellen Fahrrad-Booms, Carsharings und der Elektrifizierung. Während das Auto der Zukunft vermutlich einem iPhone auf Rädern gleichen wird und natürlich selbstfahrend ist, wird eine Welle revolutionärer Technologien die Art und Weise völlig ändern, wie wir uns fortbewegen: allen voran der Transport von Passagieren in Flugtaxis für die städtische Luftmobilität.
Was ist deine persönliche Vision von einer Zukunft, die lebenswert ist?
Ich habe die Vision einer Zukunft, in der wir als Weltgemeinschaft gemeinsam die gewaltigen Herausforderungen lösen und weltweit ein menschenwürdiges Leben ermöglichen bei gleichzeitiger Sicherung unseres Habitats – eine Welt, in der gerade junge Menschen den erforderlichen Nährboden vorfinden, um Hoffnung und Chancen in ihren originären Lebensräumen zu haben. Dazu gehören für mich neben der Bekämpfung des Klimawandels der Zugang zu Bildung und Geschlechtergleichstellung. Mit den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen bestehen bereits die Leitplanken, um Nachhaltigkeit und Gemeinwohlorientierung zu unserem zukünftigen Lebensmodell zu machen. Jetzt ist es unsere gemeinsame Verantwortung, zur Erreichung der Meilensteine beizutragen: Viele Fortschritte wurden bereits gemacht, etwa bei weltweiten Aufforstungsprojekten. Und es gibt auch kleine, aber smarte „Gamechanger“, die oft mehr Fortschritt auslösen als gewaltige Mammutprojekte, wie ich als Mitglied einer Start-up-Jury für Climate-KIC selbst erleben durfte. Wir sollten Veränderungen und technologischen Neuerungen mit Offenheit begegnen, lernen, in (Zukunfts-)Alternativen zu denken, und den Austausch langjähriger Experten und junger Misfits fördern.
Wie können wir die Zukunft neu denken?
Das kann gelingen, wenn wir in der Gesellschaft einen klaren Wertekompass unter Berücksichtigung humanistischer, demokratischer und pluralistischer Werte vermitteln und vorleben sowie die gesellschaftliche Solidarität stärken. Darüber steht die Förderung der Bildung. Gerade wenn die Zukunftsfähigkeit auf dem Spiel steht, gilt es zudem, schnell den Blick nach vorn zu richten und in die Zukunftsgestaltung zu kommen. Alle Umbrüche und Krisen bieten auch Chancen – man muss sie allerdings sehen (wollen). Darüber hinaus besteht bei Unsicherheiten und den oft damit verbundenen Zukunftsängsten bei Mitarbeitern die zentrale Leadership-Aufgabe, dem eigenen Team Orientierung und eine glaubhafte Perspektive zu geben. Die Zukunft lässt sich nicht vorhersagen, doch wir können uns auf sie vorbereiten. Gerade jetzt ist die Zeit, aber auch die Chance, Zukunft neu zu denken!
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