Das Büro in Basels Stellwerk am Vogesenplatz ist cool, aber winzig, 80 Firmen sind in dem Komplex untergebracht (und ein Hammam!), eine Aura der losgelösten Kreativität liegt in der Luft. Jana Kalbermatter hat einen Meetingraum reserviert, auch, weil sie uns dojo gerne vorführen möchte. Wir versuchen aber erst, dojo mit Worten zu erklären.
Ladies Drive: Jana, fangen wir beim Offensichtlichen an: Was heisst „dojo“?
Jana Kalbermatter: Das Wort „dōjō“ (japanische Schreibweise) kommt aus dem Zen-Buddhismus und heisst so viel wie „Raum des Weges“. Eine Transformation, wo man etwas lernt, wo man weiterkommt.
Was kann dojo?
Ähnlich wie bei neuartigen Sport-Kopfhörern, die vor dem Ohr aufliegen, überträgt dojo akustische Signale per Körperschall, ohne die Ohren zu verdecken.
Weil wir ja jetzt gerade kein Video zeigen können: dojo ist ein Stick, ein dünner, leichter …
… mit dem wir eine neue Art geschaffen haben, wie man Geschichten vermitteln kann.
Also eine Art Kopfhörer, nur ohne Hörmuscheln?
Der Vorteil von dojo ist, dass die Informationen via Körperschall übertragen werden, ohne die Umgebung auszublenden. Ich höre also immer noch, was meine Freunde neben mir sagen, was im Raum passiert.
Wo soll dojo zum Einsatz kommen?
Das System wurde im Dezember 2023 im Rahmen der „Regionale“, ein trinationales Projekt mit über 200 lokalen Künstlern, in der Kunsthalle Basel eingesetzt. Jeder Künstler hat selbst eine Nachricht aufgenommen, was sie oder ihn bewegt. 2022 haben wir dojo bereits erfolgreich in Bern in einem Museum erprobt mit vertieften Userbefragungen anschliessend. 85 Prozent sagten, sie hätten eine bessere Erfahrung mit dojo gemacht als mit einem herkömmlichen Audioguide.
Wie war euer Weg zu dojo?
Sehr nutzerorientiert, also klassisches Design Thinking. Daran ist mein Hintergrund schuld, ich bin studierte Industriedesignerin, und die Grundidee zu dojo entstand bereits 2017 in meinem Grundstudium, sie war meine Abschlussarbeit. Ich habe mir überlegt, wie Gebäude in Zukunft genutzt werden von uns Menschen und wie wir Menschen uns in Zukunft selbstständiger durch Gebäude bewegen können. Ich war bereits mit Signaletik vertraut, also wie man etwas ausschildert, und bin technikinteressiert, wie man sie einsetzt. Nach vertiefter Recherche in diesen beiden Themen habe ich mir ein Konzept überlegt, und daraus ist dann 2020 dojo entstanden. Ich wollte unbedingt diese Idee verwirklichen, das war meine Karotte, der ich immer hinterherlief.
Für wen ist dojo gedacht?
Das ist ein reines B2B-Geschäft. Dieses Produkt ist interessant für Orte, die Informationen an Besuchende vermitteln möchten. Im ganz klassischen Sinne wären das Museen. Museen nutzen das Prinzip auch schon lange, es gibt den klassischen Audioguide seit über 100 Jahren. Aber: Es positionieren sich heute viel mehr Orte ähnlich wie Museen. Läden, Showrooms – die sind nicht mehr so vollgestopft, es werden wenige Produkte gezeigt und man setzt auf dieses Storytelling. Wir haben bereits Versuche im Retail gemacht, in einem Showroom. Und an einer Architekturausstellung.
Also ich würde im Laden jemanden fragen, wenn ich was nicht finde …
Das ist ein Wunsch, der stark abnimmt. Die Leute wollen immer weniger Interaktion. Uns geht es jedoch nicht darum, einen Keil zwischen menschliche Interaktion zu treiben. Wir wollen einfach die Menschen ermächtigen, sich selbst zu informieren.
Bis hierhin ist dojo für mich ein eher abstraktes Ding; wer ist eure Zielgruppe? Wer erkennt den Nutzen?
Unser Produkt hat mehrere Gruppen von Nutzenden. Einerseits bevorzugen Besuchende dojo gegenüber bestehenden Lösungen wegen des einfachen Handlings. Andererseits schätzen es Storyteller, also die Menschen, welche die Inhalte erstellen. Zu guter Letzt profitieren Ausstellende von zufriedenen Besuchenden und gut funktionierenden Inhalten. (Jetzt führt Jana mir dojo vor, damit es nicht mehr so abstrakt ist. Ich halte den Stick an meinen Kopf direkt ans Ohr, trete an eine vordefinierte Stelle und höre einen Infotext. Klar, deutlich und trotzdem kann ich Jana verstehen, wenn sie mich anspricht.)
Warum gibt es keinen gross angelegten Launch für dojo im Museum Basel zum Beispiel, wenn es so ein aussergewöhnliches neues Tool ist?
Den Einsatz in der Kunsthalle Basel kann man absolut als Launch bezeichnen. Er wurde im Rahmen unserer Stakeholder angekündigt und marketingtechnisch genutzt. Da es aber B2B ist, haben wir auf einen grossen Event verzichtet und uns auf persönliche Treffen mit interessierten Kreisen konzentriert. Wir haben gelernt, dass Schritt für Schritt besser ist, als etwas mit einem grossen Event anzukündigen.
Wie habt ihr das gelernt? Gab es Rückschritte in der Entwicklung von dojo?
Es gibt jeden Tag Misserfolge.
Zum Beispiel?
Wir entwickeln Hardware wie dieses iPhone, das unser Gespräch aufnimmt. Die Anzahl an Tests, die da gemacht werden müssen, ist unvorstellbar. Dann gibt es interne Tests, halböffentliche Tests, ganz öffentliche Tests. Und andauernd kann etwas schiefgehen. Da muss man gut zusammenarbeiten. Mein Co-Founder Louis Moser, den ich während des Studiums kennengelernt hab und mit dem ich schon ein paar Projekte durchgezogen habe, hat ein gutes Verständnis für Technik, aber wir haben beide keine Technik studiert. Dies führte dazu, dass es am Anfang länger dauerte als geplant, und wir viel dazulernen mussten. Mittlerweile sieht das anders aus und wir können mit Fachleuten auf Augenhöhe sprechen.
Ich habe ganz unterschiedliche Start-ups interviewt, einige beschäftigen sich mit ihren Start-ups nebenberuflich, andere sind schon so weit gediehen, dass sie an Exit denken. Wo steht ihr heute?
Also wir sind beide zu 100 Prozent committed und machen nichts anderes, sonst würde es nicht funktionieren. Die Fundings, die wir bisher erhalten haben, ermöglichen uns auch, dass wir das genauso machen können.
Wie seid ihr zu „Höhle der Löwen“ gekommen?
Wir wurden angefragt.
Und? Wie war die Reaktion?
Roland Brack ist bei uns eingestiegen. Es ist toll, mit Ziano zusammenzuarbeiten, das ist eigentlich der grösste Effekt. Roland Brack ist ein gutes unternehmerisches Vorbild.
Ihr seid ein kleines Team – stosst ihr an Grenzen?
Ebendrum ist es gut, einen oder mehrere Investoren an Bord zu haben, die auch ihr Know-how einbringen. Wir sehen auch Potenzial in der Hilfe bei der Abwicklung, wie man E-Commerce installiert zum Beispiel. Ich war aber Grafikerin, bevor ich Industriedesign studiert habe, ich bringe auf dem Sektor einige Kenntnisse mit. Und wir lernen jeden Tag dazu.
Gibt es einen Erfahrungswert, den du Start-up-Gründern mitgeben könntest?
Coole Frage, aber nein, im ersten Moment fällt mir nichts ein, was wir anders hätten machen können. Ich hinterfrage alles, das kann ich vielleicht mitgeben: Man kann immer alles ändern zu jeder Zeit, dafür sollte man offen sein. Und – auch wenn es blöd klingt: sich fokussieren. Von innen. Mit Hingebung.
Jetzt, wo du deine „Karotte“ hast: Gibt es eine Art Ernüchterung?
Die Dinge haben sich verändert. Es kam Fundraising dazu, die ganze betriebswirtschaftliche Seite. Und ich war neugierig auch auf das. Jetzt ist mein Ziel, ein gutes Business mit diesem Produkt aufzubauen.
Das sagt Michael Brändli, Investment Manager bei Ziano Ventures, zum Investment in das Start-up dojo:
„Dojo ist ein Start-up, welches nach länger Entwicklungsphase nun die ersten Schritte im Markt wagt – sein erster zufriedener Kunde: die Kunsthalle Basel. Das Audiogerät für das Vermitteln von Geschichten und Audioinhalten über Knochenschall bietet Museen die Möglichkeit, ihre Sammlungen auf zeitgemässe Weise zu präsentieren, um Besucherinnen und Besucher zu begeistern und ihre Einrichtungen für ein breiteres Publikum zugänglich zu machen. Jana und Louis sind mit viel Engagement und Leidenschaft dabei. Sie arbeiten unermüdlich daran, dojo weiter zu verbessern und diesen in der global wachsenden Museumsbranche zu etablieren.“