Ruth Kramer
Unternehmerin & Interior-Designerin
www.brucke49.ch
Das, was mir wirklich half, war, mir selbst zu erlauben, dass ich Freude haben darf und dass es erlaubt ist, wieder ganz von vorne anzufangen.
Ich habe mich noch nie mit dem Ausdruck Post-Traumatic Growth beschäftigt. Aber was es mir sagt, ist, dass man nach einem lebensverändernden Ereignis wieder wächst.
Das letzte wirklich erschütternde Ereignis war der Tod meines Partners und Lebensgefährten Thomas am 21.5.2021.
Ungefähr 15 Monate vor seinem Tod wussten wir beide, dass nichts wieder gut wird. Mit einem Menschen zu leben, der erfahren hat, dass er nicht mehr lange zu leben hat, braucht mehr Kraft, als ich gedacht habe.
Als es dann eine Tatsache wurde, konnte ich es meistern, aber was danach passierte, an das kann ich mich fast nicht mehr erinnern.
Es war ein Geschenk, einen lieben Menschen in den Tod zu begleiten, der alles mit solcher Ruhe annahm, aber sich danach wiederzufinden war eine harte Aufgabe. Ich denke, zu Beginn funktioniert man einfach. Dann kommt irgendwann ein unglaubliches Tief, das ich wie Stress empfand. Nach aussen ging es, aber mein Herz hat gerast, wenn ich abends im Bett lag.
Ich habe immer geglaubt, dass ich alles schaffe, und ich habe es auch geschafft – aber der Körper sagt einem einfach, wenn er genug gelitten hat. Genug ist genug.
Ich weiss, ich kann vieles, aber ich weiss heute, dass ich mir mehr Ruhe gönnen muss. Mehr Zeit in der Natur und mehr Schlaf brauche. Ich glaube nicht, dass ich es einsehen wollte, dass Trauer alle Kraft aufbraucht. Alle haben es mir gesagt. Ich habe erfahren müssen, dass es wahr ist. Ohne mein gutes Team in der Brücke 49 wäre vieles gar nicht gegangen. Ich glaube, sie haben mir einfach die Möglichkeit gegeben, alles so zu machen und zu erledigen, wie es für mich passte, und hinter den Kulissen stets gut auf mich aufgepasst.
Ich denke, dass die Natur und frische Luft und Vals als dieser ruhige Ort mir sehr geholfen haben. Ich weiss, dass ich heute einfach eine Runde laufen oder in den kalten Bach springen muss, und schon ist die Welt wieder gut. Ich brauche die kleinen Auszeiten und fühle mich nun 20 Monate nach dem Tod von Thomas wieder stark und frei.
Für mich war das, was mir wirklich half, mir zu erlauben, ab nun einfach meinen Wünschen und Träumen zu folgen. Zu akzeptieren, dass ich Freude haben darf und dass es erlaubt ist, wieder ganz von vorne anzufangen. Ich habe unser gemeinsames Projekt, die „Brücke 49“ in Vals, in die Hand genommen. Und habe mir einen Stall zu meinem Solitude-Zuhause umgebaut. Ich geniesse wieder, allein zu sein, zu arbeiten und auch die Freude, dass ich lebe und erleben darf.
Zurück zum Einführungsartikel.
Weitere Interviews in der Serie „Post-Traumatic Growth“: