Daher sind wir alle heute gefordert, Entscheidungen zu fällen, um das Morgen, unsere Zukunft, mitzugestalten und zu formen. Die Frage ist nur: Wie soll denn unsere Zukunft aussehen? Es schien, in wirtschaftlich und politisch ruhigeren Zeiten, durchaus einen Konsens darüber zu geben. Die Krux an der Sache ist nur die: Wer satt ist, kann auch entspannt darüber reden, dass weniger essen eigentlich so gesund sei. Heute scheint ein Konsens deutlich schwieriger geworden zu sein, weil unsere Welt sich (gefühlt) unfassbar schnell dreht und die Komplexität nahezu unübersichtlich geworden scheint. Haben wir uns eben auf etwas geeinigt, scheint das morgen schon wieder obsolet.
Die Frage ist nun, wie wir als Führungskräfte, als Menschen, die etwas bewegen wollen mit ihrem Sein und Tun, hier wieder etwas Ruhe reinbringen können, doch wo und wie finden wir so etwas wie „Weisheit“ in Zeiten des Dramas? An wen oder an was wenden wir uns, wenn’s brenzlig wird und auch wir mal nicht mehr weiterwissen?
Eigentlich müsste man schon mal damit beginnen, von „Weisheiten“ zu sprechen. Denn wer nur eine Weisheit kennt, lebt meist in einer Diktatur oder zumal in einer Monokultur, und beides ist weder gesund noch historisch und biologisch betrachtet erfolgreich. Wenn ihr beim Lesen jetzt schon denkt: „Anstrengend!“, verstehe ich das nur zu gut. Ja. Die Welt auch nur im Ansatz zu begreifen ist anstrengend. Krisen zu verstehen, da wo sie herrühren, ist fordernd. Weisheit(en) zu erkennen und Dramen aus dem Weg zu gehen ebenso.
Deshalb haben wir jede Menge wacher und innovativer Menschen zusammengetrommelt und sie dazu befragt, wo sie in all diesem gedanklichen und emotionalen Wirrwarr Ruhe und eben so etwas wie Weisheit finden.
Weisheit bedeutet gemeinhin ein tiefgehendes Verständnis von Zusammenhängen in Natur, Leben und Gesellschaft sowie die Fähigkeit, bei Problemen und Herausforderungen die jeweils schlüssigste und sinnvollste Handlungsweise zu identifizieren. Doch da stellt sich schon wieder die Frage: Wer sagt uns denn, was schlüssig ist und was nicht – und für wen ist die Handlungsweise denn sinnvoll? Ja. Es ist anstrengend.
Diese Welt fordert uns mit jeder Faser – so fühlt es sich zumindest für mich bisweilen an. Damit ich ein tiefergehendes Verständnis überhaupt entwickeln kann, brauche ich einen Ort der Ruhe. Der Stille. Ich mag zwar die Herausforderung, ich bin talentiert darin, Probleme zu lösen, und mag etwas „Rock ’n ’Roll“ im Leben. Weil ich dann auch mal unkonventionelle Wege gehen darf – die Krise erlaubt es mir ja sozusagen. Weil ich schnell sein darf und keiner sagt: „Mach doch langsam und überleg erst mal!“ Weil ich dann mein Bauchgefühl einsetzen darf und mich nicht lange erklären muss. Und doch benötige ich für dieses tiefergehende Verstehen Zeit – und all meine Sinne. Vielleicht liegt ja auch darin die Magie wie gleichsam der Erfolgsfaktor von Weisheiten: Denn Wissen mit allen Sinnen zu erfahren führt meiner Meinung nach zu Weisheit. Der Kopf ist ja nur ein Aufnahmegerät unserer Vergangenheit, mit dem wir Voraussagen in die Zukunft treffen, wir betreiben Analysen und suchen nach Mustern. Doch bei all dieser Vernunft, die in unserem Kulturkreis so sehr bejubelt wird, vergessen wir manchmal, dass uns das Leben jede Menge Sinne gegeben hat. Und die dürfen wir durchaus auch alle gemeinsam nutzen. Denn – und das wissen wir eigentlich spätestens seit dem Kleinen Prinzen – man sieht nur mit dem Herzen gut. Es gibt so etwas wie einen Verstand und eine Weisheit, die im Herzen wohnt. Doch die Voraussetzung dafür, dass wir zulassen, die Welt mit all unseren Sinnen wahrzunehmen, ist, dass wir dieser Erfahrung gegenüber offen sind. Wir alle sprechen doch dauernd von Flexibilität, von Agilität, von „Out of the box“-Denken. All das geschieht nur, wenn wir uns gedanklich bewegen. Wir nehmen neue Sichtweisen, neue Blickwinkel ein und lassen Wissen an uns heran, ohne es vorab zu negieren und zu sagen: „Das ist doch absoluter Quatsch!“ Jedes Mal wenn wir uns dabei ertappen, diesen Satz zu sagen, ist das ein Hinweis des Herzens, mal genauer nachzuforschen und vielleicht etwas genauer hinzuhören, reinzuspüren. Was ist auch schlecht daran, eine Situation zu erfühlen? Wer hat uns denn bloss beigebracht, dass nur der Verstand und unsere Vernunft etwas zählt und unsere Emotionen uns lediglich durcheinanderbringen? Emotionen sind unsere Stärke, und ich würde sogar noch weiter gehen. Wir haben nämlich eine angeborene künstliche Intelligenz, die in uns wohnt. Und das ist die Intuition. Unser Bauchgefühl!
So möchte ich euch auffordern, die Welt und alle Herausforderungen, die uns in ihr begegnen, mit allen Sinnen wahrzunehmen: zu hören, riechen, schmecken, fühlen und sehen. Der Mensch ist ein Wesen mit mehreren Sinnen – also machen wir doch mal wieder von allen Gebrauch. Diese Art von Wahrnehmung führt zu neuen Blickwinkeln – und Letzteres ist auch das, was zu Innovation, zu etwas Neuem führt und im besten Fall zu neuen Erkenntnissen und einer Form von Lebensklugheit oder Weisheit.
In Zeiten des Dramas, der Konflikte und Veränderungen mit ungewissem Effekt oder Ausgang sind wir alle angehalten, positiv zu bleiben, um nicht im toxischen Sog des Dramas unterzugehen.
Deshalb wäre mein Wunsch an euch: Lebt und kreiert aus einem Ort der Fülle – nicht des Mangels.
Kunst, das Leben so zu sehen, ist wohl auch eine Form von Weisheit (und übrigens das Thema unserer League of Leading Ladies Conference im Mai 2024).
Möge diese Ausgabe Nahrung für eure Gedanken und eure Herzen gleichermassen sein.
#nomoredrama
Eure
Sandra-Stella
Die folgenden Artikel sind in unserem Printmagazin Ladies Drive No 63 (Herbstausgabe 2023) erschienen. Mehr dazu erfährt Ihr in unserem Shop. Profitiert jetzt schon von den Vorteilen als Abonnentin und Abonnent!