Generation Töchter: Bedeutung, Rollenverständnis und Meinungen

Text: PwC Studie
Fotos & Illustrationen: PwC

Eine neue Studie der PwC* untersucht die Rolle der Töchter in der Nachfolge bei Schweizer Familienunternehmen. Die Resulate: Sind Tochter und Sohn am Start, so lässt sie ihm den Vortritt. Nachfolgerinnen wollen seltener CEO werden. Töchter sind hochqualifiziert. Und arbeiten häufig ausserhalb des eigenen Familienunternehmens. Vorurteile und mangelnde Akzeptanz nagen am weiblichen Selbstvertrauen. Die Akzeptanz von den Mitarbeitenden ist geringer als von der Familie. Das Rollenverständnis verändert sich, allerdings nur langsam.

„Vater hatte bestimmt seine
Pläne, aber wir wussten nichts
davon.“

Nicht jede Nachfolge gelingt. Das kann viele Gründe haben, etwa das Aufeinanderprallen von verschiedenen Generationen, Führungsstilen und Charakteren. Nachfolgend könnt Ihr ein Beispiel einer Nachfolgerin nachlesen, die ihr Familienunternehmen verlassen hat. Aus Vertraulichkeitsgründen haben wir sämtliche Angaben zu Person und Unternehmen vollständig anonymisiert.

 

Töchter im Gespräch

Der Vater hält die Zügel des Familienunternehmens straff in der Hand. Am Küchentisch ist der Betrieb Gesprächsthema Nummer eins. Schon als Jugendliche und junge Erwachsene arbeitet die Tochter mit. In den Sommerund Semesterferien verdient sie sich mit einfachen Gelegenheitsjobs einen Batzen dazu. Auch die Mutter, Tante und Cousinen sind im Betrieb tätig, sei es in der Produktion oder Administration, aber immer ohne Führungsaufgaben. Die Wahl des Studiums steuert der Vater zurückhaltend, aber gezielt. So studiert die Tochter Betriebswirtschaft. Nach Abschluss ihres Studiums steigt sie mit einem Vollzeitpensum in den Familienbetrieb ein.

Der Vater ist äusserst motiviert. Er möchte seine Tochter unbedingt im Familienunternehmen wissen. «Er sah sich selber in mir. Für ihn spielte es keine Rolle, ob Tochter oder Sohn. Er drückte mich da hinein. Und ich war damit überfordert, Klarheit zu schaffen.» Über ihre Funktion
im Unternehmen wird nicht gesprochen, ebenso wenig über die rechtliche und finanzielle Regelung der Nachfolge. Also arbeitet die Tochter als Allrounderin. Externe Geschäftspartner sprechen den Vater darauf an, ob und wie er die Nachfolge geregelt hätte. Für ihn gibt es nichts zu besprechen, schliesslich fühlt er sich topfit. «Vater hatte bestimmt seine Pläne, aber wir wussten nichts davon.»
Endlich finden Vater und Tochter das Gespräch. Er überträgt ihr die Verantwortung für gewisse Schlüsselkunden im Ausland und für einen Teil der Produktion. Die Tochter nimmt diese Herausforderung dankbar an und freut sich über ihren etwas strukturierteren Aufgabenbereich.
Doch der Vater hat fixe Vorstellungen, wie sie ihre Aufgaben zu erfüllen hat. Er lehnt jede Abweichung von seinem Kurs ab. Seit über 40 Jahren hatte er alle Entscheidungen alleine getroffen. So gelang es ihm nicht, der Tochter in den zugeteilten Bereichen Verantwortung abzugeben und Entscheidungsfreiheiten zu lassen, auch wenn er sich ehrlich bemühte. «Das Schlimmste war für mich, dass er teils hinter meinem Rücken bereits entschiedene Thematiken korrigierte. Das führte natürlich zu Konflikten. Ich war zu wenig selbstbewusst und verunsichert, mir fehlte die Erfahrung aus einem familienexternen Betrieb, um mich nachhaltig durchzusetzen.»
Zwei Jahre nach Eintritt kommt es zum Eklat. Die Tochter reicht die Kündigung ein. Der Vater ist schockiert. Für ihn war es bis anhin unvorstellbar, dass ein Familienmitglied kündigt. «Er hat sich immer gewünscht, dass ich im Familienunternehmen aufblühe.»

Die Tochter arbeitet in einem externen Unternehmen weiter. Ihr jüngerer Bruder schliesst sein Studium ab und tritt in den Familienbetrieb ein. Jahre später – aufgrund Zuspruchs von engen Freunden des Vaters – werden die Inhaberverhältnisse rechtlich und formell geklärt. Dem
Vater ist es sehr wichtig, keines seiner Kinder zu benachteiligen. Er beteiligt beide zu gleichen Teilen an der Firma und holt sie und die Mutter in den Verwaltungsrat. Er bleibt weiterhin als Verwaltungsratspräsident und Geschäftsführer tätig. Auch der Bruder kann sich nur schwer gegen seinen Vater durchsetzen, aber er nimmt sich mehr zurück als seine Schwester; und der Vater gewährt ihm mehr Freiraum. Offenbar ist ihm bewusst geworden, dass er keine dritte Chance für eine familieninterne Nachfolge erhält.
Wenige Jahre später wird der Vater schwer krank und stirbt unerwartet. Der Bruder übernimmt die Geschäftsführung und damit die Gesamtverantwortung. Die Tochter bleibt Verwaltungsrätin und bespricht geschäftliche Angelegenheiten mit Mutter und Bruder. «Wir pflegen einen regelmässigen, sachlichen Austausch. Das funktioniert gut, denn im Verwaltungsrat lassen wir die Emotionen aussen vor. Hier geht es ums Geschäft, nicht um die eigenen Bedürfnisse oder Rollen.» Die Zeit ihres Austritts bleibt tabu. Familiären Konflikten geht man in guter alter Manier aus dem Weg. Die Tochter wertet es als Vorteil, nicht mehr operativ engagiert zu sein. Sie kann ihr Privatleben besser vom Familienbetrieb abgrenzen und hat eine neutralere Sicht
auf die Dinge.

Anderen Töchtern und Nachfolgerinnen rät sie, selbstbewusst aufzutreten, auf die innere Stimme zu hören und sich selber zu vertrauen. «Männer haben ein robustes Selbstverständnis. Wir Frauen sollten nach aussen tragen, wofür wir stehen möchten, und unsere Meinung
äussern. Wir sollten nicht nur erfüllen, was uns vorgegeben oder von uns erwartet wird. Ich war oft zerrissen zwischen den Erwartungen meiner Familie und meinen eigenen Bedürfnissen. Ich habe es damals als meine Pflicht betrachtet, den Erwartungen zu folgen.» Zudem empfiehlt sie, sich Berufserfahrung in familienexternen Unternehmen zu holen und gegebenenfalls einen externen Mentor beizuziehen, der als Sparring Partner zur Verfügung steht. «Mein Vater war ein Familienmensch wie ich. Er und ich waren uns charakterlich sehr ähnlich.» Heute pflegt die
Tochter einen herzlichen Kontakt zur Familie. Sie hat gelernt, dass man gewisse Dinge nicht im Familienkreis thematisieren kann. Trotzdem klingt sie versöhnlich. «Wir beide sind damals an unsere Grenzen gestossen und konnten diesen Konflikt nicht lösen. Aber jeder für sich
konnte seine Lehre daraus ziehen und sich weiterentwickeln.»

„Ich war oft zerrissen zwischen
den Erwartungen meiner
Familie und meinen eigenen
Bedürfnissen.“

 

Weiterführende Informationen:

*Die Studie der PwC könnt Ihr als PDF kostenlos downloaden:
www.pwc.ch/generation-toechter

 

Veröffentlicht am Mai 13, 2021

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