Dr. phil. Barbara Studer: Wie Worte unser Denken & Fühlen beeinflussen

Text: Dr. phil. Barbara Studer
Foto: Mirjam Zurbrügg

Ladies Drive No. 69. Dr. phil. Barbara Studer: Wie Worte unser Denken & Fühlen beeinflussen
Ladies Drive No. 69 Cover: Die Macht & Magie emotionaler Worte

Neurowissenschaftliche Perspektiven für Unternehmertum und Führung

Sprache und der differenzierte Ausdruck von Emotionen spielen eine fundamentale Rolle für unsere Wahrnehmung, unser Erleben und die Art und Weise, wie wir die Welt um uns herum gestalten. Neuro­wissenschaftliche Studien unterstreichen die Bedeutung von Sprache als Schlüssel zur Selbstwahrnehmung und sozialen Interaktion – beides essenzielle Kompetenzen für Führungskräfte und Unternehmer:innen. In diesem Kontext möchte ich aufzeigen, wie Worte unsere Wahrnehmung und unsere Emotionen und die anderer beeinflussen. Und wie negative Worte vs. freundliche Worte und differenzierte Komplimente das Erleben des anderen beeinflussen können.

WIE WORTE UNSERE WAHRNEHMUNG BEEINFLUSSEN

Sprache ist eng mit der Wahrnehmung und Verarbeitung von Erfahrungen im Gehirn verknüpft. Studien zeigen, dass der präfrontale Kortex – eine Region, die für komplexe Entscheidungsfindung, Planung und Selbstwahrnehmung verantwortlich ist – eng mit Sprachzentren wie dem Broca-Areal und dem Wernicke-Areal zusammenarbeitet. Ohne Sprache bleibt unsere Wahrnehmung diffus und unstrukturiert, da Worte Erlebnissen Bedeutung ver­­leihen und sie in einen grösseren Kontext einordnen. Weiterhin zeigen Studien, dass Sprache nicht nur unser Denken, sondern auch unsere Wahrnehmung formt, zum Beispiel wie wir Zeit, Raum und sogar Farben wahrnehmen: Menschen, deren Sprache keine spezifischen Begriffe für verschiedene Blautöne hat, nehmen diese Unterschiede deutlich weniger differenziert wahr.

Implikationen für das Unternehmertum

Führungskräfte, die in der Lage sind, ihre Vision und Strategie klar in Worte zu fassen, schaffen eine gemeinsame Basis für ihr Team. Ohne diese sprachliche Konkretisierung bleibt die Unternehmens­vision abstrakt und schwer greifbar. Worte strukturieren nicht nur Gedanken, sondern schaffen auch die Grundlage für Handlungs­orientierung und Motivation. Darum übe ich mich als Unternehmerin darin, die Werte und Vision meines Unternehmens klar und präzise zu kommunizieren, damit ich leichter ein kohärentes Team aufbauen kann, das durch greifbare Ziele inspiriert und motiviert ist.

WIE WORTE UNSERE EMOTIONEN UND ERFAHRUNGEN BEEINFLUSSEN

Emotionale Ausdrucksfähigkeit hängt eng mit der Entwicklung des limbischen Systems und des präfrontalen Kortex zusammen. Studien zeigen, dass Menschen mit einem differenzierten emotionalen Vokabular besser in der Lage sind, ihre Gefühle zu regulieren und komplexe soziale Interaktionen zu navigieren. So konnten beispielsweise die Neurowissenschaftlerin Lisa Feldman Barrett und ihr Team aufzeigen, dass Menschen mit einem reichhaltigen emotionalen Vokabular – also der Fähigkeit, Emotionen wie „Frustration“, „Enttäuschung“ oder „Euphorie“ zu benennen – weniger anfällig für Stress sind und bessere Entscheidungen treffen. Diese Fähigkeit wird als „emotionale Granularität“ bezeichnet.

Implikationen für das Unternehmertum

Führungskräfte, die Emotionen nicht nur wahrnehmen, sondern auch differenziert ausdrücken können, schaffen eine Kultur des Vertrauens und der Offenheit. Sie sind besser in der Lage, Probleme zu lösen, Konflikte zu entschärfen, Empathie zu zeigen, sich zu regulieren und ihr Team zu motivieren. Dies führt zu stärkeren Beziehungen und einer besseren Zusammenarbeit. Darum übe ich mich als Führungsperson darin, meine eigenen Emotionen differenziert auszudrücken und gleichzeitig Emotionen anderer auch differenziert wahrzunehmen. Zum Beispiel statt lediglich zu sagen: „Ich bin unzufrieden“, kann ich ausdrücken: „Ich bin besorgt über die Verzögerung und frustriert, weil dies unsere Glaubwürdigkeit bei Kunden gefährden könnte.“ Oder ich kann meine Mitarbeiterin fragen: „Ich nehme wahr, dass du gerade gestresst bist. Könnte es sein, dass du dich überfordert fühlst, weil du eine dir unbekannte Aufgabe übernehmen sollst?“ Menschen, die sich verstanden und wertgeschätzt fühlen, arbeiten produktiver und kreativer. Somit erweitert Sprache auch den Rahmen, in dem Innovation stattfindet.

WIE POSITIVE WORTE UND DIFFERENZIERTE KOMPLIMENTE IM GEHIRN WIRKEN

Worte haben Macht – sie können Beziehungen stärken, Vertrauen schaffen und sogar das Gehirn positiv beeinflussen. Besonders differenzierte, persönliche Komplimente und nette Worte entfalten eine bemerkenswerte Wirkung auf das emotionale Wohlbefinden und die Motivation des Empfängers. Sie wirken im Gehirn des Senders und des Empfängers: Wenn wir ein Kompliment machen oder erhalten, aktiviert das Gehirn das Belohnungssystem. Dabei setzen insbesondere der Nucleus accumbens und das ventrale Striatum Dopamin frei – einen Neurotransmitter, der für Gefühle von Freude und Motivation verantwortlich ist. Diese positive Rückmeldung verstärkt das Selbstwertgefühl und steigert die Bereitschaft, sich weiter anzustrengen. Weiter aktivieren wir damit den ventromedia­­len präfrontalen Kortex (vmPFC), der an der Verarbeitung sozialer Belohnungen beteiligt ist. Dies führt zu einer Stärkung der sozialen Bindung und des Vertrauens. Auch wird Oxytocin, das sogenannte „Bindungshormon“, freigesetzt. Dies reduziert Stress, fördert Vertrauen und verstärkt das Gefühl von Zusammengehörigkeit.

Implikationen für das Unternehmertum

Ein allgemeines Lob wie „Gut gemacht“ hat zwar eine positive Wirkung, erreicht aber nicht die Tiefe eines spezifischen, differenzierten Kompliments. Wenn ein Kompliment konkret auf eine Handlung oder eine Eigenschaft eingeht, signalisiert das dem Empfänger, dass er wirklich gesehen und geschätzt wird. Dies erhöht das Vertrauen, die Motivation und das „Aufblühen“, d. h. die optimale Entfaltung des individuellen Potenzials. Darum übe ich mich als Führungsperson darin, nicht generelle Komplimente wie „Das hast du toll gemacht“ zu geben, sondern differenzierte wie: „Ich bewundere, wie du diese schwierige Aufgabe mit so viel Geduld und Kreativität gelöst hast. Das war beeindruckend!“

NEGATIVE WORTE WIRKEN WIE GIFT

Das Gehirn reagiert auf negative Sprache oft schneller und intensiver als auf positive. Negative Worte aktivieren die Amygdala, u. a. Sitz unserer Furcht, und verunsichern uns. Das Gehirn speichert solche Erfahrungen im Hippocampus ab, wodurch die Assoziation mit der Person oder der Situation dauerhaft negativ gefärbt bleibt. Somit verändern negative Worte, wie wir über etwas oder jemanden denken und fühlen. Sie wirken wie Gift, das nur schwer wieder aus unserem System zu eliminieren ist. Wiederholte negative Worte zerstören Vertrauen und belasten Beziehungen.

Implikationen für das Unternehmertum

Wenn ich mitbekomme, dass jemand im Team Unzufriedenheit äussert über etwas oder jemanden, greife ich ein. Ich signalisiere meinem Team immer wieder, dass sie direkt zu mir oder einer Kontaktperson kommen sollen, wenn sie mit etwas unzufrieden oder gestresst sind.

Lasst uns die Kraft der nuancierten Ausdrücke und speziell der positiven Worte und differenzierten Komplimente nutzen – für ein besseres Miteinander, mehr Innovationskraft und inspirierende Beziehungen!


Dr. phil. Barbara Studer

Dr. phil. Barbara Studer ist Neurowissenschaftlerin, Musikerin und Unternehmerin mit ihrem Start-up Hirncoach AG und ein grosser Stern am Schweizer Start-up-Himmel.

Als Lehrbeauftragte an der Universität Bern liegt ihr Forschungsschwerpunkt unter anderem
auf kognitivem Training, und so inspiriert sie seit 2018 im Bereich Health Psychology and Behavioral Medicine nicht nur Studierende. Mit ihrem Start-up hat sie Programme entwickelt, wie man mentale Fitness und Gesundheit promoten kann.

Mehr über sie und von ihr:

www.hirncoach.ch

studertalk.ch

Veröffentlicht am April 18, 2025
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