Claudia Lässer: die Kraft des Menschseins

Interview: Sandra-Stella Triebl
Foto: Ellin Anderegg

Ladies Drive No 68. Claudia Lässer: Die Kraft des Menschseins
Ladies Drive No. 69 Cover: Die Macht & Magie emotionaler Worte

Claudia Lässer ist CEO der Entertainment Programm AG und verantwortlich bei blue Entertainment für den News- und Sportbereich.

Sie hat zudem seit vielen Jahren ihre eigene Talkshow. Die 47-Jährige ist seit zwölf Jahren bei der Swisscom-Tochter und hat in den vergan­genen Jahren einiges erlebt: Karriere, Kinder­kriegen, Sorgenfalten, Erfolge. Sie ist eine der bekanntesten TV-Macherinnen der Nation.

Die Talk-Queen mit der Queen of Networking gemeinsam im Gespräch über die Verant­wortung der Medienmacherinnen und -macher beim Einsatz von künstlicher Intelligenz und die Heiterkeit des Scheiterns.

Interview: Sandra-Stella Triebl
Getextet von Hand mit ganz viel Liebe

Ladies Drive: Was ist der Duft deiner Kindheit?

Claudia Lässer: Oh! Das ist eine schöne Frage. Der Duft meiner Kindheit ist sehr „bunt“. Ein bunter, blumiger, fruchtiger, sportlicher Duft.

Woher kommt diese Zusammenstellung?

Ich hatte das grosse Glück, dass ich auf dem Land aufgewachsen bin. Ich hab unendlich viel Zeit im Wald verbracht. Mein Vater hat eine Bankkarriere gemacht – und so hatte ich beides kennengelernt, das Business über meinen Papa, was mir auch ein Faible für Zahlen beschert hat, und dann die Naturverbundenheit, Bodenständigkeit und die Demut meiner Mutter. Sie hat mir gezeigt, dass man sehr dankbar sein darf für das, was man hat. Dankbarkeit und Demut versuche ich auch heute jeden Tag zu leben. Und dann hatte ich noch einen kreativen Onkel, der lange Zeit in Indien lebte. So haben meine Geschwister und ich schon früh die Kraft von Yoga und Meditation erleben dürfen – diese Erfahrungen haben mich sehr geprägt. Deshalb ist da sehr viel Licht in meinen Erinnerungen – die Familie hat mir sehr viel gegeben. Unter anderem auch die Bestärkung, dass du alles, was du erreichen willst, erreichen wirst, wenn du es wirklich willst. Ich hatte nie das Gefühl, dass etwas für mich nicht erreichbar ist. Deshalb bin ich auch erst mal einen unternehmerischen Weg gegangen, so wie du auch. Ich habe sehr viel Vertrauen und Liebe auf meinen Lebensweg mitnehmen dürfen. Davon profitiere ich auch heute sehr. Ich verspüre ein grosses Urvertrauen ins Leben. Ich habe erst mit Mitte 40 so richtig verstanden, was mir meine Eltern und meine schöne Kindheit fürs Leben geschenkt haben, und auf die negativen Prägungen aus der Zeit schaue ich heute ebenfalls sehr wohlwollend und versöhnlich zurück.

Wieso bist du dann überhaupt in die Medienbranche gegangen? Die gilt ja nicht gerade als Kuschelpark, sondern eher als Haifischbecken.

Ich wollte als Kind Lehrerin werden. Für mich war schon sehr früh klar: Ich will mit Kindern oder Menschen arbeiten und hab dann auch die Ausbildung gemacht. Während der Lehrerseminar-Ausbildung wurde ich von mehreren Modelagenturen angesprochen. Mein Vater sagte sehr früh, ich solle und müsse auf eigenen Beinen stehen – also bin ich mit 16 ausgezogen, war erst im Internat, dann mit 17 in meiner ersten eigenen WG. Auf eigenen Beinen stehen hiess aber auch, eigenes Geld zu verdienen. Deshalb habe ich angefangen zu modeln. Und über das Modeln habe ich den Einstieg in die Medienbranche gefunden. Erst mal bei Star TV – das war mein Einstieg nach den Miss-Schweiz-Wahlen. Und ich spürte sofort, dass es grossen Spass macht, mit Menschen zusammenzuarbeiten und spannende Geschichten am Fernsehen zu erzählen – es war genau das, was ich immer tun wollte. Und so hab ich mich vor über 25 Jahren in diese Branche und den Job als Journalistin/Programmgestalterin verliebt. Ich finde es auch heute noch enorm sinnstiftend, spannende Formate, Liveshows zu produzieren und damit die Zuschauer zu begeistern. Ich stehe jeden Morgen gern auf.

Aber da gab’s ja auch deinen unternehmerischen Weg – wie war das?

Ich habe mit 24 Jahren eine Firma gegründet und kreierte, produzierte und vermarktete damals TV-Programme. Ich war Unternehmerin bis 2012. Es war für mich eine sehr lehrreiche Zeit. Mit deinem eigenen Geld investiert zu sein und deine eigenen Business Cases zu rechnen und umzusetzen, die dir dein Einkommen und das deiner Mitarbeitenden einbringen, war sehr lehrreich und kommt mir natürlich heute zugute. Ich hatte meine Karriere nicht wirklich skizziert oder geplant – ich habe mich treiben lassen in der Karriere.

Aber „what drives you“? Was treibt dich an, motiviert dich?

Es ist der Wunsch, Menschen mit tollen Geschichten zu begeistern. Ein anderes Thema, das mich sehr bewegt, ist positive Leadership. Eine vertrauensvolle, positive Führung zu leben und einen Arbeitsplatz zu schaffen, wo Menschen sich entfalten und ihr volles Potenzial leben können. Das treibt mich seit ein paar Jahren sehr an. Zu spüren, dass du – und wenn es nur hundert Mitarbeitende sind – für diese hundert Menschen einen guten, sinnstiftenden Arbeitsplatz schaffen kannst.

Was musst du konkret für das Unternehmen in Zukunft erreichen?

Wir haben ja verschiedene Produkte. Ich bin einerseits mit blue News im Online-Markt im kommerziellen Stream, wo wir weiter wachsen wollen. Der Markt verändert sich aufgrund von künstlicher Intelligenz gerade stark. Das Reichweitenwachstum ist aber nur ein Aspekt – wir wollen auch qualitativ noch besser werden. blue News steht für ein vertrauenswürdiges Newsportal, dieses Profil wollen wir weiter stärken. Da liegt auch die Zukunft des Journalismus. Mit blue Sport haben wir das grösste Fussballangebot in der Schweiz, und das wollen wir auch in Zukunft bieten. Wir wollen weiterhin die beste User Experience, die besten Produkte, den besten Preis bieten, mit dem besten Programmerlebnis. Es gibt aber natürlich internationale Player, die vermutlich in Zukunft noch stärker auftreten werden. Da sind wir gefordert, damit es weiterhin ein Schweizer Produkt mit Schweizer Bezug im Markt gibt.

Wie setzt ihr künstliche Intelligenz ein und welche Sorgen bereitet dir das Thema, wenn wir von Qualitätsjournalismus sprechen?

Ich habe durchaus Respekt vor den Entwicklungen. Aber ich sehe das Potenzial, in vielen Bereichen viel effizienter werden zu können. Wir haben Richtlinien erarbeitet, wie wir KI einsetzen und wo – aber auch wie wir das kennzeichnen, damit es transparent ist. Denn unsere Richtlinien basieren auf Prinzipien der Transparenz, Glaubwürdigkeit und Verantwortung gegenüber den Nutzerinnen und Nutzern, die zu keinem Zeitpunkt getäuscht werden dürfen. Wir nutzen KI zum Beispiel konkret bei allen Übersetzungen. Oder wir arbeiten teilweise mit KI-Stimmen für die Voiceovers, vor allem bei Fremdsprachen. Aber es braucht im Moment immer noch einen Menschen, der das alles final bearbeitet und kontrolliert. Zudem nutzen wir KI bei Soundteppichen, für Intro-Sounds zum Beispiel. Das begeistert mich sehr.

Mir macht das auch Sorgen. Weil hier ausgerechnet der Kunstsektor leidet. Kunstschaffende, Kreative, Musikerinnen und Musiker. Wir werden uns unterhalten müssen, welchen Stellenwert Musik, Kunst, Kultur in Zeiten von künstlicher Intelligenz noch haben werden. Und da sehe ich eine grosse Verantwortung von uns Medienmacherinnen und -machern, hier nicht aus Kostengründen eine ganze Branche kaputtzumachen und Kulturgut zu verlieren.

Ja, absolut. Es braucht eine gute Balance. KI soll nicht das Interview machen – aber beispielsweise die Übersetzung oder eine kleine Zusammenfassung. Das ist unser Ansatz, denn KI bietet uns Chancen bei der Produktion von Text-, Video-, Bild- und Audioinhalten sowie bei der Prozessoptimierung. Und bei der Musik: Einen banalen Soundteppich kann die KI generieren. Aber wenn du ein Original willst, etwas Lebendiges, was dich berührt, brauchst du eine Künstlerin oder einen Künstler. Und du möchtest auch das Livemusik-Erlebnis.

Dein Wort in Gottes Ohr. Die Frage ist, wie sich das für die kommenden Generationen, die mit KI und Spotify aufgewachsen sind, entwickeln wird. Das können wir nur in den Ansätzen absehen.

Ich denke, der menschliche Kontakt wird nicht verloren gehen, das Glas Wein am Abend, der direkte Austausch. Ich sehe da sehr viel Potenzial, dass die realen Erlebnisse sogar wieder an Stellenwert dazugewinnen in Zukunft.

Die Frage ist, ob es künftig noch Platz gibt für junge Nachwuchstalente, die noch nicht kommerziell sind – denn die kleinen Clubs, wo diese Shows früher gespielt wurden, gehen reihenweise ein. Im Gegenteil zu Taylor Swift, da geht eine enorme Schere auf …

Auch hier glaube ich an das Positive, das Potenzial eines Eins-zu-eins-Erlebnisses. Dank Social Media kannst du heute eine grosse Reichweite erzielen, die du früher nie erreichen konntest. Und wenn du genügend Follower hast, kannst du live spielen. Der Eventbereich scheint mir in Zukunft um ein Viel­faches spannender zu werden, auch unternehmerisch.

Werden die nächsten Generationen parat sein, auch dafür zu zahlen, was denkst du?

Absolut. Die junge Generation wächst mit Apps auf, für die du zahlen musst, wenn du sie unbedingt willst, wie bei Netflix zum Beispiel. Ich denke, die Zahlungsbereitschaft für qualitative Produkte ist und wird weiterhin da sein. Ich habe ein grosses Vertrauen in uns alle. Es scheint mir wichtig zu sein, dass wir gerade im Kontext von KI über Werte reden, so wie wir es gerade tun. Und wir sollten uns alle eigenverantwortlich fragen: Was will ich konsumieren? Wir dürfen bewusste Entscheidungen treffen. Da sind wir Leaderinnen und Leader gefragt, alles, was auf uns zukommen möge, in Zukunft zu prüfen, ob dies mit unseren Werten vereinbar ist. Das wird eine Challenge, keine Frage.

Eine letzte Frage: Du bist eine Macherin – hast du Angst vor Misserfolgen?

Ich bin selbst auch schon oft auf die Nase gefallen – zum Glück, sonst würde ich ja nichts lernen … 🙂 Mein allererstes Unternehmen hat nicht so performt, wie ich mir das gewünscht hätte. Aber diese Erfahrung hat mir so viel an Erkenntnis geschenkt, dass ich bei der zweiten Gründung vieles besser gemacht habe. Als Leaderin, als Unternehmerin musst du mutig sein, vieles ausprobieren und akzeptieren, dass nicht immer alles beim ersten Mal funktionieren kann. Misserfolge stehen für mich fürs Lernen. Und so hat auch das Scheitern etwas Schönes.

Dann wäre das ein heiteres Scheitern quasi?

Oh ja – genau das!

Weiterführende Informationen unter blueplus.ch.
Mehr News unter bluenews.ch.


Creator
Sandra-Stella Triebl
Chefredakteurin

Veröffentlicht am Januar 02, 2025
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