„Ist das Ihrer?“, fragt mich ein Mann wohl etwa Ende dreissig im typischen Banker-Outfit und schaut grinsend über den Rand seiner Sonnenbrille, als ich aus dem Tankstellen-Shop zurück zum Auto eile. Ich erstarre innerlich, lasse mir aber natürlich nichts anmerken. Dachte ich mir zumindest.
„Ha!“ Es folgt eine spannungsvolle Stille. „Ha, was?“, antworte ich argwöhnisch. „Der passt irgendwie so gar nicht zu Ihnen. Aber schon cool!“ Spricht’s, setzt sich in seine silberne Limousine und düst winkend davon. Und ich? Stehe immer noch wie bestellt und nicht abgeholt in sicherer Entfernung zu meinem Testwagen an Zapfsäule 3. „Ach, herrje“, seufze ich und ich blicke zuerst an mir herunter. Dann am Auto. Ich in roten Highheels, braunen Jeans und orangener Seidenbluse. Das Auto im selben Orange mit schwarzen Rennstreifen. Ooops. Ein Bild für Götter. Hatte ich mich unbewusst passend zum Auto angezogen? Ich blicke hilfesuchend gen Himmel. „Soll ich Ihnen noch die Scheibe putzen?“, krächzt mir ein Junge im roten Overall entgegen und hält mir einen Kübel Wasser samt Putzschwamm vors Gesicht. Ich wusste gar nicht, dass es so was noch gibt! Wer war das denn bloss? „Ähm“, stottere ich. „Der fährt sich sicher toll, oder?“, will er wissen und reckt seinen Hals, als würde ich ihm die Sicht auf das Objekt der Begierde versperren. „Nein! Also doch. Fahren schon. Ja. Toll. Aber nein. Nicht waschen. Danke!“, und ich fliehe fliegenden Schrittes ins Auto, wo ich intuitiv die Hände vors Gesicht schlage. Was war das denn? Ich im Partnerlook mit diesem Auto? Und ich, nicht fähig für ganze Sätze? Na, bravo!
Ich drehe den Schlüssel und der Motor beginnt zu blubbern. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie man sich an Zapfsäule 2 und 4 nach mir umdreht und der jugendliche Tankwart lächelt. Das kann ich sogar im Rückspiegel erkennen.
Ja, so ging es mir mit unserem Chevrolet Camaro. Nun gut, er ist kein 0815-Automobil. Schon gar nicht in dieser Farbe! Aber: Dieses Auto küsst den Asphalt. Es lebt, vibriert und zittert auf der Strasse. Menschen, denen ein grosser Hubraum und zahlreiche Pferdestärken piepegal sind, könnten sich eventuell noch in sein Äusseres verlieben. Denn ein Camaro hat Charakter – das lässt sich wohl nicht bestreiten.
Die europäische, um nicht zu sagen die aufgehübschte Version des US-Originals wurde auch technisch überarbeitet. Auf dem Nürburgring wurde er so lange im Kreis herum gedreht, bis man ein konkurrenzfähiges Gefährt für den europäischen Markt fand. Der Camaro ist eines geblieben: ein echter Sportwagen. Die Sitzposition ist tief und dem Fahrer eröffnet sich eine gewaltig wirkende Motorhaube. In früheren Epochen pflegte man auf eben diese leicht bekleidete junge Frauen zu setzen – heute, in modernen und emanzipierten Zeiten erachtet man dies als plump und verzichtet auf die nackte Dekoration. In der Tat will Chevrolet mit seinem Camaro auch durchaus Frauenherzen höherschlagen lassen. Das pragmatische Hartplastik auf dem Armaturenbrett machte in der europäischen Version beispielsweise einem Lederbesatz mit Kontrastnähten Platz, sodass sich der Camaro nicht nur gut fährt, sondern auch gut anfühlt – und Letzteres ist meist etwas, worauf Frauen mehr Wert legen. Ein Head-Up-Display oder eine Rückfahrkamera (inklusive Abstand in Zentimetern) lässt einen sicher ein- und ausrangieren, ein Tempomat sorgt auf tempolimitierten Strecken für etwas Entspannung – alles sehr europäisch und sehr kultiviert. Zudem illuminieren uns auf Nachtfahrten blaue LED-Streifen, die das Interieur futuristisch wirken lassen. Doch es gelingt uns auf den Testfahrten auch nachts nicht, inkognito unterwegs zu sein. Einen Klappenauspuff besitzt der Gute nicht, sodass er sich mittels Taste steuern liesse. Entsprechend muss man einfach mit einem lautstarken Auftritt leben.
Unser Fazit
Trotz einem Future-Style-Paket im Camaro bleibt der Amerikanerarchaisch, brachial und ein klein wenig monströs, auch wenn dies ein Widerspruch in sich scheint. Frau im Camaro? Ja, das geht. Es ist ein Auto für alle Mutigen, Sportlichen, PS-Faszinierten, die ein Originallieben – und das Preis-Leistungs-Verhältnis schätzen. Wer keinenSpass beim Autofahren will und aus rein praktischen Überlegungenein Fahrzeug in die Garage stellt, der wird den Camaro brauchenwie ein Loch im Kopf.
Für alle anderen heisst es: loscruisen, das Leben geniessen und stolz behaupten: „Ja! Das ist meiner, Baby!“ «