Derweil die Männer sich auf gefährliche Spezialoperationen fokussieren und im schlimmsten Fall getrost sterben konnten. Der frühe Tod der Männer ist zwar bedauerlich, steht aber oft mit risikoreichem Verhalten in Verbindung. Ne rien regretter, nichts zu bereuen, blieb deshalb meist den Männern vorbehalten. Frauen hingegen waren vorwiegend im Zusammenhang mit Fortpflanzung vom frühen Tod betroffen. Vergewaltigungen und Geschlechtskrankheiten, Tod bei der Geburt, im Wochenbett oder durch Stillen – während Jahrtausenden war das Leben der Frauen ironischerweise ausgerechnet durch ihren Beitrag zur Arterhaltung gefährdet. Der, bei aller Liebe, doch eher bescheidene männliche Beitrag zur Fortpflanzung ist nicht annähernd so tödlich. Das nennt man dann wohl „Beitrags-Lücke“.
Inzwischen können sich auch Frauen risikoreiches Verhalten leisten. Édith Piaf, „der Spatz von Paris“, singt in ihrem viralsten Hit, dass sie nichts bereut. Seit die Medizin Fortschritte gemacht hat, begünstigt die Evolution nicht mehr in jedem Fall das angepasste Verhalten, welches lange für Frauen und Nachwuchs wichtig war. Nicht mehr die Fittesten pflanzen sich am erfolgreichsten fort, sondern jene, die nicht verhüten. Böse Zungen würden gar behaupten, das Rad der Evolution drehe sich rückwärts, seit Verhütung Kopfsache sei. Den Kopf bei der Sache zu behalten ist vor allem dann nicht einfach, wenn man mehrere Sachen gleichzeitig im Kopf hat: den eigenen Job, die Agenda der Vorgesetzten, den Team-Ämtliplan, Einkaufslisten, Kindergeburtstage, Stillen, Wickeln, Wäsche während des Teams-Calls, Termine der Liebsten, Ferienplanung. Denn oft bleibt der sogenannte Mental Load, sowohl der familiäre als auch der berufliche, an den Frauen hängen, auf Kosten ihres beruflichen Fokus, zulasten ihrer eigenen Brillanz in ihrem spezifischen Themenbereich. Frauen wird oft nachgesagt, sie würden die Männer darin übertreffen, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Das stimmt nicht. Die wenigsten Frauen sind multitaskende Superwomen.
Frauen können nicht besser Multitasking. Sie müssen Multitasking.
Dass sie all diese Aufgaben übernehmen, mag mit dem evolutionären Erbe zu tun haben. Wer nicht umsichtig für ein angenehmes und sicheres Nest sorgte, wer Gefahren nicht frühzeitig erkannte, wer nicht für den Nachwuchs sorgte und gleichzeitig die anfallende Arbeit erledigte, riskierte Tod und Verderben der Familie. Frauen, die nicht jederzeit auf mehreren Ebenen funktionierten, bereuten dies hart, weshalb im Laufe der Evolution das durchschnittliche Gehirn der Frauen anders verdrahtet wurde als jenes der Männer.
Dazu existieren Studien mit überraschenden Erkenntnissen. So wurde Frauen und Männern pornografisches Material vorgelegt, während sowohl körperliche Erregung als auch Hirnströme gemessen wurden. Danach wurden die Studien-Teilnehmenden gefragt, wovon sie erregt worden seien. Die Männer liessen sich von Pornos erregen, die ihrem eigenen sexuellen (Wunsch-)Verhalten entsprachen. Ihre Antworten stimmten überein mit der an ihrem Körper gemessenen Erregung. Die Frauen hingegen liessen sich so ziemlich von allem erregen, offenbar sogar von kopulierenden Tieren. Allerdings gaben sie danach an, nur durch jene Filme erregt worden zu sein, welche ihren eigenen (Moral-)Vorstellungen von Sexualität entsprachen. Man könnte daraus schliessen, dass die Frauen einfach logen. So einfach ist es allerdings nicht. Denn bei den Männern waren tatsächlich nur die für Sexualität zuständigen Hirnregionen aktiv (wen wundert’s), bei den Frauen jedoch das ganze Gehirn. Alle Areale, welche Kontrollfunktionen ausführen, hielten die Frauen derart in Schach, dass sie nicht auf alles draufsprangen, was bei drei nicht auf den Bäumen ist. Ansonsten hätten sie im Vor-Verhütungszeitalter einiges zu bereuen gehabt.
Es sollte reichen, nur etwas zu können, den Spatz in der Hand zu haben statt die Eier legende Wollmilchsau auf dem Dach, nicht Superwoman oder Édith Piaf zu sein. Ich bereue nichts. Nur vielleicht, dass ich bei allem Fokus vergass, meinen viralsten Hit mit Copyright zu schützen. Nun soll er auf meinem Grabstein stehen, die Ode an eine grossartige Legehenne, die nur eins konnte:
EINE
EIER LEGENDE
EIER-LEGENDE
KOMMT ZU IHREM
EIER-LEG-ENDE.
ENDE.