WELCHE ERWARTUNGEN HAT DEINE GENERATION Z AN DEN ARBEITSMARKT?
Ins Berufsleben startete ich durch ein Uhren-Start-up, das ich mit zwei Mitgründern und sieben Mitarbeitern erfolgreich aufgebaut habe. In diesem jungen und dynamischen Umfeld war ich bis zum Verkauf Co-Chefin und gleichzeitig Teammitglied. Mittlerweile arbeite ich bei einer internationalen Beratungsfirma in der Schweiz, wo ich mich viel mit Strategiefragen und digitalen Themen befasse. Für mich zählt: ein Ziel vor Augen zu haben, Verantwortung zu übernehmen, etwas Wirkungsvolles aufzubauen – und durchaus auch Anerkennung für die Leistung zu erhalten sowie ein gewisses Mass an Flexibilität.
Mich erfüllt es, für Sinnvolles und die Lösung komplexer Herausforderungen von Anfang bis Ende verantwortlich zu sein. Zum Beispiel, einen Projektprozess innerhalb der Zeitvorgaben zu managen, Kolleginnen und Kollegen mit den benötigten Kenntnissen und Fähigkeiten zu involvieren, um gemeinsam das gewünschte Ergebnis zu erreichen. Arbeit im Team macht mir ohnehin grosse Freude.
Das im positiven Sinne prägendste Erlebnis, wenn es um „Verantwortung“ geht, war sicherlich Gründung, Weiterentwicklung und schliesslich Verkauf der Adresta AG im Jahr 2022. Bei jedem Schritt der Unternehmensgeschichte dabei zu sein, ihn beeinflussen zu können und somit zum Erfolg beizutragen war einmalig.
Was mich völlig ausbremsen würde, wäre, nicht eingebunden zu werden, nur bei Ad-hoc-Aufgaben aktiv werden zu dürfen, ohne Kontext und Zweck zu kennen.
Anerkennung hat einen doppelten Sinn für mich: Wenn ich jemandem eine wichtige Aufgabe übergeben bzw. von jemandem bekommen habe, ist dies zum einen Zeichen von Vertrauen. Zum anderen, dass die jeweilige Person auch Wertschätzung und Lob für das Erreichte erhält. Im Rückblick glaube ich, wir haben in unserem Start-up intuitiv viel richtig gemacht. Mein Mitgründer hat damals immer gesagt: „Wenn das Team-Mitglied glänzt, dann glänzen wir auch.“ Für mich ist ein Arbeitsumfeld ein No-Go, in dem jeder versucht, allein zu glänzen, und sich im schlimmsten Fall sogar die Leistung von anderen zunutze macht.
Ich kann viel besser Vollgas geben, wenn ich ein flexibles und abwechslungsreiches Arbeitsumfeld habe, beispielsweise bis zu einem gewissen Grad bestimmen kann, wann und wie ich arbeite – es kommt auf das Ergebnis an! Mir ist aber bewusst, dass das nicht in jedem Beruf möglich ist.
WELCHE WERTE SIND DIR AM WICHTIGSTEN?
Vielfalt ist für mich essenziell, da sie die Arbeit und das Umfeld spannender macht und zusätzliche Impulse und Inspiration bringt. Wenn jede Person, ganz egal welchen Hintergrund sie mit sich bringt, ganz authentisch sie selbst sein kann, kann sie sich bestmöglich einbringen. Mit dieser Vielfalt kommt für mich auch die Freiheit, anders zu sein. Die Freiheit, einen anderen Gedanken zu teilen, anders über das Problem nachzudenken, und somit eine bessere Lösung zu finden. Unterschiedliche Ansichten führen auch zu kreativeren Entscheidungen. Ich finde auch, dass man leistungsfähiger wird, wenn man sich wohlfühlt, sich im Team gut versteht und ein Gefühl der Zugehörigkeit verspürt. Solche Verbindungen entstehen beispielsweise durch Ausbildung, Hobbys, Geschlecht oder aufrichtiges Interesse, neue professionelle Bekanntschaften zu machen und das Gegenüber zu verstehen. Arbeit macht einen Grossteil unseres Tages aus, man verbringt viel Zeit mit Kolleginnen und Kollegen. Ich lasse mich gerne inspirieren und lerne Neues, verbinde professionelle Zusammenarbeit mit sozialen Komponenten: Mein ehemaliger Mitgründer hat zum Beispiel einen Grill selbst gebaut und für uns grilliert. Gemeinsames Joggen mit Kolleginnen und Kollegen ist auch ein toller Ausgleich zum Arbeitsalltag.
WAS NUTZT DU NUR ONLINE – UND WAS OFFLINE?
Ich bevorzuge Offline-Meetings und Gespräche, besonders zu Beginn, denn in der Anfangsphase ist es immer wichtig, das Gegenüber persönlich kennenzulernen. Wichtige Informationen erfährt man oft auch informell beim Kaffee oder im Flur. Ein ungeplanter netter Small Talk ergibt sich nicht durch eine Videokonferenz, die man erst aufsetzen müsste. Aber auch während der Arbeit fällt es mir in Person leichter, nahe an den Menschen zu sein. Offline schreibe ich mir To-dos gerne auf Zettel, so kann ich mir Dinge einfach besser merken. Online erledige ich Prozesse wie Termine zu vereinbaren – je weniger Klicks, desto besser.
IST DER WORK-LIFE-BLEND BEI DIR BEREITS REALITÄT GEWORDEN?
Ich schätze es, wenn Arbeitskollegen zu Freunden werden und ich mich auch in meiner Freizeit gerne mit Arbeitsthemen beschäftige. Unsere Lebenszeit ist kostbar – Leidenschaft und Freude sind im Berufsleben wichtig. Ein schönes Abendessen mit dem Team, wo man über die Arbeit, aber auch Persönliches sprechen kann, ist für mich Alltag.
UND WAS FINDEST DU WICHTIG FÜR DEINEN SOULTRIBE ODER FÜR DAS „WIR“?
Wertschätzung für alle Menschen ist mir besonders wichtig, unabhängig von Alter, Bildung, Beruf oder Geschlecht. Ich habe in meinem eigenen Unternehmen viel gelernt und auch oft Hilfe von Personen erhalten, von denen ich es nicht erwartet hätte oder die ich vorher nicht kannte. Die Familie ist ein wichtiger Anker, oft nehmen einem dieselben Familienmitglieder viel Arbeit ab im Hintergrund. In meinem hektischen Leben versuche ich, die Zeit und Mühe anderer anzuerkennen und dankbar zu sein.
JUGEND IST FLIESSENDER GEWORDEN. IST DAS BEI DIR AUCH SO – RESPEKTIVE WAS BEDEUTET „JUGEND“ ODER „JUGENDLICHKEIT“ FÜR DICH GENAU?
Obwohl ich mich jung fühle, werde ich dieses Jahr auch schon 30. Mit diesem „Meilenstein“ vor Augen habe ich lustige oder coole Teenie-Trends auf Social Media plötzlich anders wahrgenommen und erstmals über mein Alter nachgedacht. Ich bin stolz auf das, was ich bisher erreicht habe, und bin zuversichtlich für die Zukunft. Trends kann man, wenn es passt, nach Belieben mitmachen, aber die Jahre der Erfahrung bieten mir ein starkes Fundament.
WAS IST DEIN BESTER BIOHACK, UM MÖGLICHST GESUND UND „JUNG“ ZU BLEIBEN?
Ich umgebe mich gerne mit jüngeren Leuten und versuche, von der „next generation“ zu lernen und sie zu verstehen. Man könnte fast sagen: ein Reverse Mentoring, das mich jung hält und fit und gleichzeitig flexibel für die Zukunft macht. Ansonsten habe ich als Sonnenanbeterin mittlerweile gelernt, dass ich die Sonnencreme bislang etwas vernachlässigt habe, und gehe jetzt nicht mehr ohne aus dem Haus.
Leonie Flückiger
Unternehmensberaterin, ehemalige Gründerin Adresta AG, Exit an Bucherer 2022