Ab 2027 plant Alfa Romeo, ausschliesslich rein elektrisch betriebene Fahrzeuge anzubieten. Bislang hatte die Traditionsmarke jedoch kein vollelektrisches Modell im Sortiment. Dies ändert sich nun mit der Einführung des neuen Kompakt-SUV Junior.
Als erste Informationen über einen neuen Einstiegs-SUV von Alfa Romeo bekannt wurden, drehte sich viel um den Namen des Modells. Ursprünglich kursierte die Bezeichnung „Brennero“, die sich auf den Brennerpass in Italien bezieht. Dann kam schliesslich die offizielle Bestätigung: Um die Stadt zu würdigen, in der die Geschichte von Alfa Romeo vor 114 Jahren begann, sollte das erste Elektroauto in der langen Firmengeschichte „Milano“ heissen. Dort wurde die Marke 1910 als A.L.F.A. („Anonima Lombarda Fabbrica Automobili“) gegründet, bevor sie später in Alfa Romeo umbenannt wurde. Mittlerweile ist der Unternehmenssitz in Turin. Die Marke war bis 2020 ein Teil von Fiat Chrysler Automobiles (FCA). Seit der Fusion von PSA und FCA gehört Alfa Romeo zum daraus hervorgegangenen Konzern Stellantis. Die Weltpremiere war im April 2024, in Mailand selbstredend. Doch der Name Milano war nur von kurzer Dauer. Wenige Tage nach der Premiere wurde der Name nach einer Auseinandersetzung mit der italienischen Regierung in „Junior“ geändert. Der Alfa Junior muss optisch auffallen, da er unter der Oberfläche die gleiche Technik wie viele andere Modelle im Konzern hat, darunter der Jeep Avenger, DS 3 E-Tense, Fiat 600e und der neue Lancia Y. Alle diese Fahrzeuge sind mit einer 54-kWh-Batterie ausgestattet, die eine Reichweite von etwa 410 Kilometern ermöglicht. Das Centro Stile Alfa Romeo hat beim Design ikonische Stilmerkmale der Marke neu interpretiert und auch das „Coda Tronca“-Heck wiederbelebt, das einem 400 Liter grossen Kofferraum zugutekommt. Wir hatten die Möglichkeit, Giovanni Ribotta, den Leiter vom Bereich Exterieur-Design, in Turin persönlich zu treffen. Der sympathische Italiener ist seit Anfang 2021 bei Alfa und war zuvor Designer bei Maserati und Lancia.
Ladies Drive: Gibt es bestimmte Dinge, die Sie beim Design des Alfa Romeo Junior beachten mussten, oder konnten Sie auf einem weissen Blatt Papier starten?
Giovanni Ribotta: Das Blatt war nicht komplett leer. Wir hatten einige Vorgaben sowohl bezüglich Exterieur- als auch Interieur-Design. Aber es ist uns gelungen, diese Herausforderungen zu meistern und unsere Philosophie einzubringen. Besonders beim Exterieur-Design haben wir darauf geachtet, die Form von Alfa Romeo beizubehalten, die stets mit der Mechanik im Einklang ist. Im Innenraum unterstreichen das handlich kleine Lenkrad und die ergonomisch optimal platzierten Bedienelemente die Konzentration auf den Fahrspass. Das zentrale Instrumentenboard im „Cannocchiale“-Design zitiert historische Alfa Romeo, weist aber modernste Technik auf. Wir haben dessen Bildschirm im Vergleich zum Jeep Avenger und Fiat 600 in eine tiefere, weniger zentrale Position gebracht und etwas gedreht. Wir haben also nicht komplett von null angefangen, aber wir haben das, was wir erhalten haben, so angepasst, dass es unserer DNA und unserem Geist entspricht.
Arbeiten die Teams für Exterieur- und Interieur-Design eng zusammen?
Wir sind ein kleines Team und arbeiten entsprechend eng zusammen. Es besteht aus sechs Designern für das Exterieur und fünf für das Interieur. Wir sind jedoch dabei, das Designteam sukzessive zu erweitern, da in den nächsten Jahren viel Arbeit auf uns zukommt. Alfa Romeo setzt auf eine Produktstrategie mit einem neuen Fahrzeugmodell pro Jahr. Ich kann diesbezüglich bereits einen kleinen Ausblick geben: 2025 wird der neue Stelvio erscheinen, im Folgejahr die neue Giulia.
Wie lange hat der Prozess von der ersten Skizze bis zum Launch gedauert?
Fast 18 Monate, was der normalen Dauer für diesen Prozess entspricht. Vielleicht etwas länger, weil wir bereits vor dem neuen Management gestartet haben. Als Jean-Philippe Imparato, der neue CEO von Alfa Romeo, 2021 kam, wollte er seine Ideen einbringen, was etwas Zeit in Anspruch nahm.
Und beim Design eines Elektroautos, gehen Sie dabei anders vor als bei einem Auto mit Verbrennungsmotor?
Ja, wobei der Junior ein Übergangsauto vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb darstellt, da er sowohl vollelektrisch als auch mit Hybridantrieb erhältlich ist. Die nächsten Fahrzeuggenerationen werden ganz neue Designmerkmale aufweisen, wobei wir bereits etwas Neues bei diesem Modell einführen. So ist der traditionelle „Scudetto“-Kühlergrill erstmals in zwei unterschiedlichen Varianten „Leggenda“ (Legende) und „Progresso“ (Fortschritt) verfügbar. In der Version „Leggenda“ ist der historische Alfa Romeo-Schriftzug erkennbar, der an die Alfa Romeo-Sportwagen der 1920er- und 1930er-Jahre angelehnt ist. „Progresso“ ist direkt vom neuen Alfa Romeo 33 Stradale inspiriert und zeigt das Kreuz und die Schlange aus dem Markenlogo. Auch das steil abfallende Heck, das sogenannte „Coda Tronca“ stellt eine Referenz an das legendäre Sportcoupé Alfa Romeo Giulia TZ aus den 1960er-Jahren dar und bietet eine optimale Abrisskante für die Luftströmung.
Welche Zielgruppe möchten Sie mit dem Alfa Romeo Junior erreichen?
Mit dem Alfa Romeo Junior wollen wir viele neue Kunden und Kundinnen gewinnen, welche noch nie einen Alfa Romeo fuhren. Der Junior steht aber auch sinnbildlich für unsere Rückkehr ins B-Segment, weshalb wir auch Fahrer und Fahrerinnen von früheren Modellen aus diesem Segment, wie Giulietta oder Mito, ansprechen wollen. Wenn man das Auto mit anderen Modellen im Segment vergleicht, sieht man generell, dass es eher wie ein sportliches Coupé wirkt als wie ein Crossover oder SUV. Wenn man das Auto von der Seite betrachtet, wirkt es zudem sehr kompakt und dynamisch.
Und wie wird die Technologie die Autos der Zukunft formen? Zum Beispiel die Seitenspiegel, werden sie in Zukunft verschwinden?
Wenn man dies einen Designer fragt, würde er diese Frage sicherlich bejahen (lacht). Denn bei den anfänglichen Skizzen sind die Spiegel immer etwas wirklich Kleines, während die Räder stets überdimensional gross gezeichnet werden. Generell wird die technologische Entwicklung einen Einfluss auf das Design haben. So sind Kamera oder Radarsysteme momentan noch als Fremdelemente erkennbar. Künftig werden diese Elemente ins Design einfliessen und dieses verändern, da eine winzige Kamera beispielsweise die bislang grossen Rückspiegel obsolet macht.