Marguita Kracht ist Mitglied der Geschäftsleitung des Baur au Lac Hotels in Zürich. Sie hat nach dem Wirtschaftsstudium an der Boston University das General Manager Program der Cornell University in New York absolviert. Danach tauchte sie in die Unternehmenskultur des Luxusgüterkonzerns LVMH ein und sammelte in prestigeträchtigen Hotels ihre Erfahrungen wie etwa im Pariser Four Seasons Hotel George V, dem Londoner Lanesborough, Aman Resorts und The Peninsula London.
Ladies Drive: Können Sie sich noch an Ihre ersten Ferien in einem Hotel erinnern?
Marguita Kracht: Ich muss etwa fünf Jahre alt gewesen sein, als meine Eltern mich auf eine Reise nach Bali mitnahmen. Abgesehen davon, dass ich in einem wunderschönen Resort-Hotel ankam, erinnere ich mich daran, dass es ein Highlight war, einen eigenen Plunge-Pool in seinem Villenzimmer zu haben. Offenbar war es auch der Ort, an dem ich gelernt habe, ohne Flügel zu schwimmen.
Sie haben sich in Marketing und Unternehmertum vertieft und sind in einer Familie mit langer Hoteltradition aufgewachsen. Was hat Sie daran gereizt, den „Familien-Weg“ beizubehalten?
Ich hatte das Glück, dass meine Familie mich immer ermutigt hat, Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Daher konnte ich nach meinem Studium in diversen Branchen weltweit arbeiten und so Inspirationen im Luxusgütersektor, insbesondere im Wein- und Spirituosenbereich, sammeln. Ich merkte schnell, dass mir der Kontakt mit den Kunden am besten gefiel. Mit jeder neuen Erfahrung erweiterte ich meine Ideensammlung für das Baur au Lac. Irgendwann entwickelte sich ein immer grösser werdendes Verlangen, diese auszuprobieren und umzusetzen – ein Verlangen, welches ich nicht mehr loswurde.
Können Sie kurz beschreiben, wie Ihr Alltag aussieht, wo liegt der Fokus?
Mein Tagesablauf ändert sich ständig. Ich verbringe 50 % meiner Zeit mit Themen, die mit unserer „Hardware“ – Produkt, Renovierungen und Angebote – zu tun haben, und 50 % mit „Software“ – People Management, oder genauer gesagt Projekte im Bereich People & Culture.
Worauf freuen Sie sich besonders, wenn Sie morgens zur Arbeit gehen?
Dass ich weiss, dass mein Tag anders verlaufen wird, als ich es erwarte. Es wird einem nie langweilig und die Arbeit hört nie auf. Beides ist aufregend, aber gleichzeitig hat man nie die Befriedigung, dass die Arbeit komplett „fertig“ ist.
Welche Erfahrung hilft Ihnen im Job am meisten?
Meine operative Erfahrung. Ich habe sechs Monate in der Reservierung verbracht, wo ich gelernt habe, wie man ein Hotelzimmer verkauft und einen Gast per Telefon abholt, sowie acht Monate als Butler, wo man die Bedürfnisse der Gäste ganz nahe kennenlernt und diese befriedigen muss.
Das Baur au Lac ist seit Jahren das führende Haus in Zürich, hat viele Stammgäste, wie gelingt das?
Unsere ständige Mission ist, ein einzigartiges Erlebnis für unsere Gäste anzubieten. Unsere Stammgäste spüren, dass hinter dem Unternehmen eine Familie steht, eine Persönlichkeit, die sorgfältig darüber nachdenkt, wie wir unseren Gästen einen aussergewöhnlichen Aufenthalt bieten wollen. Nicht, weil uns jemand gesagt hat, dass wir einen bestimmten Standard einhalten müssen, sondern weil wir als Familie gerne so untergebracht wären, wenn wir selber ein Hotel besuchen.
Ist es schwieriger geworden, gute Arbeitskräfte zu rekrutieren, und wenn nein, was machen Sie anders?
Die Bedürfnisse und Wünsche der Arbeitskräfte ändern sich ebenso wie die unserer Gäste. Daher ist es eine kontinuierliche Herausforderung, dafür zu sorgen, dass sich die „People-Kultur“ mit der Zeit weiterentwickelt, um sowohl neue Talente anzuziehen als auch bestehende Talente, die schon seit vielen Jahren bei uns sind, zu halten.
Würden Sie dazu auch die emotionale Sprache zählen? Hilft es, mit emotionalem Wortschatz zu führen?
Absolut, über Emotionen können Mitarbeiter oft besser motiviert werden als mit Worten. „Exzellenz für einen Gast“ kann besser über ein Gefühl als eine präzise Anleitung oder ein Rezept vermittelt werden. Auf das Teilen von Erfahrungen oder auf die Begleitung in kritischen Situationen sprechen auch erfahrene Mitarbeitende sehr gut an.
Spüren Sie als einzige Tochter manchmal Druck, das Familienerbe zu erhalten, und wie gehen Sie damit um?
Natürlich sind 180 Jahre Geschichte eine grosse Verantwortung, aber ich denke, ein gewisser Druck ist notwendig und gesund, um im Leben erfolgreich zu sein, sich zu motivieren und kompetitiv zu bleiben. Ich finde es auch beruhigend, auf unsere Geschichte zurückzublicken. Im Laufe der Generationen musste sich das Hotel immer wieder neu erfinden, um mit besonderen Herausforderungen umzugehen, die ausserhalb der eigenen Kontrolle lagen. All diese Vorkommnisse waren Gelegenheiten, um in unserem Unternehmen Neuerungen einzuführen.
Schokolade geniesst in Ihrem Leben eine besondere Rolle – was heisst das?
Ich bin nicht nur ein Schokoladenliebhaber, sondern habe auch vor über 15 Jahren mit meinem Vater unsere eigene Schokolade „1844“ entwickelt. Wir überarbeiten ständig unsere Schokoladenprodukte, die wir in unserem Kiosk verkaufen, und es ist eine grosse Freude, Produkte zu entwickeln, die unsere Gäste geniessen und mit nach Hause nehmen können.
Was machen Sie, wenn Sie allein sind?
Ich bin nie allein … Wenn meine Familie unterwegs ist, ist mein Pudel immer an meiner Seite. Wir gehen gerne zusammen am See spazieren und verweilen mit dem schönen Ausblick auf den Zürichsee.
Zum Schluss: Was würden Sie jungen Frauen mit auf den Weg geben, die in die Hospitality-Branche gehen möchten?
Es gibt bei jeder Gelegenheit etwas zu lernen. Hospitality ist eine wunderbare Karriere für Frauen, denn es kann einem ermöglichen, die Welt zu bereisen und seine Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen des Gastgewerbes ständig weiterzuentwickeln. Ich würde empfehlen, diverse Erfahrungen zu sammeln, denn einige dieser Skills sind später im Leben von Vorteil. Vieles schätzt man erst im Nachhinein.