Die Reise Zurück zu Mir

Text und Bilder: Sandra-Stella Triebl

Die Reise Zurück zu Mir

Text und Bilder: Sandra-Stella Triebl

Ausgepowert im Flugzeug gen Asien, meine Lider schwer wie Blei, meine dunklen Augenschatten quasi vor Augen. Erinnere mich, dass ich mal vor Jahren an einer Dracula-Party mit dem Kompliment „Ey, geil geschminkt!“ an der Tür empfangen wurde. Die Wahrheit indessen: Ich hatte mir keine Augenringe aufgemalt. Die waren echt. Und hart erarbeitet. „Something to drink?“, werde ich gefragt und antworte mit geschlossenen Lidern: „Champagne please“. Edel geht der Geist zu Grunde. Oder so ähnlich.

Wie oft hab ich, hin und her gerissen von Zwängen unterschiedlichster Quelle, schon in Gedanken ein One-Way-Ticket gebucht. Egal wohin. Einfach weg. So wie in dem Song aus den 1970ern. Hey, Gen- Y-Girls …? Können Sie alles googeln. Hab ich übrigens nie getan. Das mit dem One-Way-Ticket. Hinsehen statt weglaufen und Augen verschliessen. Sich stellen statt ignorieren. Bewusst werden statt ablenken. Ja, ich weiss, wie das geht – rein intellektuell. Doch manchmal ist mir das Herz so weh und schwer, dass ich mich an irgendeinen Strand dieser Welt wünsche – ohne Wiederkehr. Es ist schwer, weil es müde ist. Ob der Karriere. Ob der eigenen Ambitionen. Ob des quäkenden Egos, das einen antreibt, peitscht, leiden und performen lässt. Ich starre nicht nur in den eigenen Abgrund, und der Abgrund starrt frech zurück. Er fragt auch noch: „Wieso guckst du so blöd? Hast du doch selbst so gewollt!“ Nein. Ich blicke sehenden Auges auf mein müdes Herz, das einst, erfüllt von Leidenschaft, ein Leiden geschaffen hat, das sich Karriere nennt.

 

Und da rennt und rennt und rennt man, eckt an, wird umgeworfen, knallt auf den Popo und steht wieder auf wie von der Tarantel gestochen, rennt weiter, haut sich wieder die Birne an und wird aufs Neue mit einem Rums in die Horizontale befördert, so lange, bis … ja, so lange, bis der Körper dir zu verstehen gibt, dass er auch noch da ist. Im Sinne von: „Hello? Anybody home?“ und „Spürst du nicht, was hier abgeht?“, und schon bin ich in einem inneren Dialog.

„Beleidige meinen Intellekt nicht, natürlich weiss ich, was abgeht.“ „Ach ja? Und was wäre das deiner Ansicht nach?“
„Normal!“
„Wie war das mit dem Intellekt?“

„Schweig still und funktioniere, lieber Körper, denn ich gedenke hier etwas zu bewegen, mich zu bewegen, andere zu bewegen, ich rede von: Impact!“
„Ach ja? Für wen tust du das wirklich?“

„Für mich. Um glücklich zu sein, meine Talente einzubringen und auszuleben.“
„Hast du ja gut hingekriegt!“
„Was denn?“

„Das mit dem Glücklichsein. Bist du denn glücklich?“ „Geh mir nicht auf den Nerv!“
„Treffe ich denn einen?“
„Boah, ist das anstrengend …“

„Du sagst es. Es ist anstrengend. Das Leben ist anstrengend. Du bist anstrengend. Wieso eigentlich?“

Wohl wahr. Wieso hat das Leben manchmal diese Schwere gewonnen und an Leichtigkeit eingebüsst, wieso bin ich überhaupt erwachsen geworden? Wieso mache ich nicht meine Welt so, wie sie mir wirklich gefällt, und mische Peter Pan mit Pippi Langstrumpf? Weil mir die Zeit verloren ging. Zeit, hinter mich zu treten. Hinter meinen Chefsessel. Meine Träume. Und meine jämmerlichen To-dos. Deshalb ist mein Herz schwer und ich mit ihm. Ich hab es in einen dummen goldenen Käfig voller Affen gesteckt. Irgendwie dumm gelaufen. Erkenntnis gewonnen, Klappe zu, Affe tot, und was jetzt? Was tun mit der Erkenntnis, dass die eigene Karriere nicht so rosig angenehm wohlig ist, wie man sich das in Jungunternehmertagen so vorstellte? Je näher man der Wahrheit kommt, desto klarer wird auch der Weg, der eigentlich vor einem liegen müsste. Dann muss man etwas ändern.

Versucht es. Vehement. Inbrünstig. Und wird immer wieder von diesen kleinen Monsten, den Zwängen und Verführungen vereinnahmt. Klar. Weil man es zulässt. Weil ich es zulasse. Wo ist eigentlich meine Zielstrebigkeit auch in diesen Dingen geblieben? Wenn ich mich und mein Seelenheil und ein gesundes, starkes Herz nicht an erste Stelle setze, wird es niemand für mich tun. Wenn ich nicht selbst auf mich und mein Licht aufpasse, wer dann? Arbeiten kann man delegieren. Sein Herz nicht.

Also schaffe ich Distanz, bringe Kilometer um Kilometer zwischen meinen Laptop zu Hause auf dem Tisch im Homeoffice und mir, schaffe aber auch eine Wegstrecke zu den Emotionen, die ich damit verbinde, und kreiere mir selbst Freiraum zum Atmen, und mit dem Durchatmen kommt das Leben zurück, die Freiheit, die Leichtigkeit, die mich so sehr ausmacht, antreibt, umtreibt und bewegt.

Ein paar Stunden später sitze ich an einem schwarzen Pool, der umgeben ist von dunkelvioletten Wänden, sich im Wind neigenden

Palmen, während mein Blick auf die See hinauswandert und sich später in den Wolkenfetzen am blauen Himmel über mir verliert. Bei jeder Reise unternehme ich eine Reise zurück zu mir. Zu dem, was mich wirklich ausmacht. Zu dem, was mich ruhig werden lässt und mich wärmt und was man wohl gemeinhin als Glück beschreibt.

DAS GLÜCK IST SO EIN SELTSAMES DING.

Es ist filigran, empfindlich, fragil und zuweilen volatil, wenn man ihm nicht genügend Raum gibt, denn dann wendet es sich ab, egal wie sehr man es festzuhalten wünscht. Es wird einem entrissen, und übrig bleibt nur ein Hauch einer zarten Erinnerung daran. Also kultiviere ich mein Glück, lasse ihm Luft, gebe ihm Raum und Wärme, lasse zu, dass es sich verändert und bewegt wie ein Blatt im Wind, bin bereit, ihm wohin auch immer zu folgen, genährt von der Stärke und dem vertrauenden Licht in mir.

WÜNSCHEN SIE MIR GLÜCK.


 

Veröffentlicht am Juni 16, 2017

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