Manuela Beer steht seit zehn Jahren an der Spitze der Modehauskette PKZ Burger-Kehl & Co AG und manövrierte das Unternehmen nach dem Tod des Patrons Olivier Burger bestechend souverän und erfolgreich gleich durch mehrere Krisen. Sie machte mit starken und wegweisenden Aussagen wie „Ich glaube nicht an digital only“ oder „Wer Angst vor Veränderung hat, ist fehl am Platz“ von sich reden. Und nun lässt sie sich inspirieren – von der eigenen Tochter aus der Generation Z und ambitionierten Frauen der Gen Y. So wie beispielsweise Cécile Moser, seit Dezember Head of Marketing & Communication bei PKZ. Der Megatrend „Liquid Youth“ ist in der Fashionbranche längst angekommen.
Die 36-jährige Cécile Moser ist die Kommunikations- und Marketingchefin beim bekannten Schweizer Fashion-Retailer PKZ. Die Strategin und CEO des Unternehmens, Manuela Beer, hat also bewusst eine junge Frau aus der nächsten Generation nachgezogen. Cécile Moser gelangte über den Journalismus und PR zum Marketing – studierte Germanistik und Kulturwissenschaften und machte bereits 2017 mit ihrem feministischen Onlinemagazin „Fempop“ von sich hören, worin sich alles um die Verbindung von Popkultur und Feminismus drehte. Eine Querdenkerin im Marketing eines Modehauses? – Das ist durchaus schlau. Denn die Fashionbranche und allen voran die Vorreiterin Manuela Beer setzen mehr und mehr auf nachhaltig produzierte Kollektionen, und so steht die mächtige Fashionindustrie in einem Generationen- und Paradigmenwechsel.
Modehäuser wie PKZ haben längst verstanden, dass man die Perspektive verändern muss: Es geht nicht mehr darum, wie man eine Kollektion an den Mann oder die Frau bringt. Sondern darum, welche Bedürfnisse die Kundschaft wirklich hat und wie man als Fashionanbieter den Menschen einen Dienst erweisen kann, der dann durchaus Freude bereiten darf.
Und es geht um eine Community, die sich teurere Teile auch mal secondhand kauft oder sie einfach tauscht, wenn man sie nicht mehr braucht.
Junge Frauen wie Cécile Moser sind Vorreiterinnen im Megatrend „Liquid Youth“, der flexible Lebensentwürfe und ständige Neuerfindung betont. Besonders Frauen der Generation Y zeichnen sich durch ihre Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft aus – weil sie öfter als andere Generationen die Frage nach dem „Wieso eigentlich?“ stellen. In Führungspositionen bringen sie dadurch frische Perspektiven und digitale Kompetenz mit. Ihre Fähigkeit, Netzwerke zu knüpfen und offen zu kommunizieren, macht sie zu starken Führungskräften, die Wandel und Vielfalt fördern. Und in diesem Wandel werden sie als Leaderinnen der Zukunft das Zünglein an der Waage sein. Umso wichtiger ist es, ihnen unser Gehör zu schenken.
Ladies Drive: Was fasziniert dich in der Fashionbranche?
Cécile Moser: Wie funktioniert unsere Gesellschaft, Zeitgeist, Trends, Strömungen? Das ist es, was mich fasziniert und antreibt. Das sind auch all die Dinge, die schlussendlich Treiber des Marketings sind. Wir müssen wissen, was die Menschen bewegt.
Bist du eine typische Gen Y? Eurer Generation sagt man ja einiges nach.
Ja, ich weiss. Ich würde es jetzt mal so formulieren: Ich glaube, insofern typisch ist das „in-between“. Unsere Generation stellt sich eben auch häufig die Frage „Why“. Ich bin jetzt 36, aber ich fühle mich immer noch sehr jung. Ich sehe an mir aber auch Tendenzen der Generation X. Und ab und zu auch der Gen Z. Eben irgendwo dazwischen. Was mir definitiv am Herzen liegt, ist Female Empowerment – deshalb damals auch das feministische Onlinemagazin „Fempop“.
Generationenbrüche gab es schon immer. Ich erinnere mich, als ich – die Teil der Generation X ist – als Teenager das Wort „geil“ für alles Mögliche zu benutzen begann. Meine Mamma war in Aufruhr (lacht)! Das ist anekdotisch, zeigt aber sehr gut, dass es das immer gab, wir aber dazu tendieren, das zu vergessen. Aber die Welt hat sich mit Social Media eben sehr verändert, das ist sicher anders geworden.
Glaube ich auch, ja. Das hat gewisse Sachen verstärkt. Ich möchte aber auch nicht, dass die nachfolgende Generation Z oder die Alpha alles genauso macht wie wir. Gerade auf das Arbeitsleben bezogen ist die Gen Z, das würde ich jetzt bestätigen, auch aus meiner Erfahrung im Marketing, sehr fordernd, auch was ihr Work-Life-Blending angeht. Sie sind da sehr bewusst unterwegs – und das sind Herausforderungen, die man einfach annehmen muss als Arbeitgeberin.
Du hast eben was Spannendes gesagt, und zwar, dass du dich mit 36 jung fühlst. Ich bin 51 und fühle mich auch noch immer jung. Die Generationenübergänge sind durchaus fliessender geworden – und das Lebensgefühl konsequent jung oder zumal jugendlich orientiert.
Das stimmt. Spannend ist auch, dass es Dinge gibt, Bedürfnisse, die sich tendenziell kaum ändern. Also es gibt natürlich Trends, es gibt neue Plattformen für den Austausch, die dazukommen und die man sich ansehen sollte. Aber ich glaube, die Grundbedürfnisse ändern sich nicht, und damit meine ich die Beziehungsmodelle auf der privaten Ebene. Unsere Generation ist da etwas verwirrt – die einen polyamourös, die anderen ganz traditionell. Wenn ich die jüngere Generation betrachte, hat man das Gefühl, es wird wieder etwas biederer, klassischer, konservativer, weil wir in einer unsicheren Zeit leben, die ganz viel Resilienz von uns fordert. In dieser unsicheren Zeit suchen viele nach Sicherheiten und nach Wegen, wie sie sich ihr Leben und ihr Tun, ihren Job gestalten können. Aber eben – was bleibt, ist das Bedürfnis nach Beziehungen, Kontakt zu echten Menschen, deshalb sehe ich nach wie vor sehr viel Potenzial im stationären Handel. Ich bin überzeugt, das wird immer einen Platz haben.
Moment – du bist Gen Y, der man nachsagt, dass sie eh nur noch online shoppt. Wie ist das bei dir?
Da bin ich tatsächlich eher boomermässig unterwegs – ich kann mich nicht wirklich mit Online-Shopping anfreunden als Privatperson.
Wieso nicht?
Ich bin ein Mensch, der mit allen Sinnen erlebt und wahrnimmt. Ich muss das Produkt fühlen, spüren, wahrnehmen, den Stoff berühren können, ich muss vor einem Kauf alles anprobieren. Ich shoppe tatsächlich fast nichts online, informiere mich aber natürlich vorab intensiv online. Aber für uns als PKZ ist das natürlich ein superwichtiger Kanal, der auch am Wachsen ist und den es in eine smarte Omnichannel-Strategie zu integrieren gilt, die diesen mit dem stationären Handel verknüpft sowie mit Social Media. Trotz alledem bin ich absolut überzeugt, dass der stationäre Handel, das Offline-Shoppen für die Menschen immer wichtig bleiben wird.
Darauf komme ich gleich noch mal zurück. Mit welchen Influencern, oder heute nennt man sie ja eher Content Creator, arbeitet ihr? Man hört und liest immer wieder, dass Firmen 20’000 Franken und mehr pro Post bezahlen. Erklär mir das bitte!
Richtig professionelle Influencer aus der Schweiz gibt es wenige, international sieht es da etwas anders aus. Je nach Grösse, Einfluss und Reichweite können solche Preise gerechtfertigt sein, zum Beispiel in der Luxusbranche. Wir werten beispielsweise alle Kooperationen sehr detailliert aus. Auf Social Media sind nach wie vor die Livestreams mit Luisa Rossi extrem erfolgreich. Sie ist Stylistin, kommt aus der Fashionwelt und hat ein Renommee und Werte, die zu uns passen. Abgesehen davon kooperieren wir schon seit vielen Jahren mit ihr.
Lässt du dich selbst auch von Influencern zu einem Kauf verleiten?
Es gibt durchaus welche, die mich inspirieren, aber das eher auf internationaler Ebene. Dies können aber auch andere Personalities oder Role Models sein, die mich ansprechen, das müssen nicht immer nur klassische Fashion-Influencer sein. Aber aus meiner beruflichen Warte heraus gehören Influencer oder eben, um es etwas breiter zu fassen, Brand-Ambassadoren, heute in jede Marketingstrategie, gerade wenn es um Konsumgüter geht. Denn es geht ja auch darum, dass du als Marke von der digitalen Community der Influencer profitieren kannst. Die junge Generation beobachtet Influencer eben ganz spielerisch, auch wenn sie durchaus verstehen und sehen, dass sie mal dies, mal jenes Produkt in die Kamera halten. Und wir müssen als Modehaus ja ein Interesse haben, mit dieser jungen Generation verbunden zu sein. Social Media erlaubt uns, die Reichweite zu erhöhen, die Community zu vergrössern. Und wir seitens PKZ arbeiten mit Personalities, die unser Vertrauen und das Vertrauen der Community besitzen.
Es gibt bei den Jungen eine grosse Rückbesinnung auf menschliche Kontakte, selbst beim Dating.
Aber da ist ganz viel Fake auch bei der Reichweite zu sehen. Ich gehe davon aus, dass auch auf Social Media das Vertrauen eine immer wichtigere Rolle spielen wird.
Da bin ich ganz bei dir. Authentizität, Echtheit, Vertrauen werden die grossen Themen sein in den nächsten Jahren. Viele Posts einiger Influencer sind extrem generisch – deshalb achten wir bei PKZ extrem darauf, dass Kooperationen glaubhaft rüberkommen. Gerade Mode hat für mich sehr viel mit Individualität zu tun, nicht mit Konformität. Mode ist eine Form des Ausdrucks. Und da gilt es bei der Auswahl von diesen Personalities, auf die Bedürfnisse der Zielgruppen einzugehen. Ein superspannendes Beispiel dafür ist die aktuelle Wahlkampagne von Kamala Harris, ihr Team macht einen grossartigen Job. So spielt sie etwa mit „Brat“ mit Bezügen zur Popkultur – das neueste Album der Künstlerin Charli XCX und zu Deutsch so viel wie „Göre“. Diese Videos gehen auf TikTok gerade viral, und sie erschliesst sich so laufend neue Wählerinnen und Wähler.
Ich finde aber auch spannend, weil du von Marketingmix sprichst, dass ihr auch noch immer sehr stark auf Print fokussiert. Ihr habt ein eigenes Magazin mit einer enormen Auflage.
400.000 Auflage pro Magazin – viermal im Jahr, ja genau. Das ist übrigens unser erfolgreichstes und stärkstes Marketing-Tool. Gemeinsam mit den Events, die wir veranstalten.
Es ist spannend, weil ihr das ähnlich macht wie wir. Auch Ladies Drive ist stark mit dem Printmagazin unterwegs und mit all seinen Events und Communities. Bei jedem neuen Magazin sehen wir deutliche Anstiege der Userzahlen auf dem Blog und Social Media. Ich denke, dass es trotz Digitalisierung eben auch diesen Trend zur „Offline Me-Time“ gibt.
Absolut – ich schleppe auch immer noch bis zu fünf Bücher mit in jeden Urlaub. Kindle ist für mich einfach nicht dieselbe Erfahrung. Und zu Hause liebe ich meine Bücherwand, die einem Wohnzimmer eine Seele verleiht. Als Germanistin bin ich da etwas traditionell unterwegs. Genauso geniesse ich es aber, TikTok zu erkunden oder Inspirationsplattformen wie Pinterest.
Wie beobachtet ihr den Trend der jungen Generation hin zu Vintage-Mode, Secondhand, Fashion-Swaps und dem Mieten von Outfits?
Wir sind an all diesen Themen dran, weil sie zu unserer Nachhaltigkeitsstrategie gehören, die wir schon vor Jahren lanciert haben. Wir sind da Pioniere und einer der Retailer in der Schweiz, die das mit als Erste erkannt haben. Es ist für uns ein sehr wichtiges Thema, gerade weil wir alle wissen, dass die Modeindustrie auch für gewisse Umweltverschmutzungen verantwortlich ist. Die jüngere Generation verlangt von uns da zu Recht einfach mehr. Wir arbeiten zum Beispiel mit Luxury Love zusammen, ein cooles Start-up aus Zürich, das Vintage- und Secodhandmode anbietet, oder Rework für Upcycling-Kollektionen.
Man hört ja immer wieder, dass der Onlinehandel extrem hohe Retourenquoten hat. Mitunter auch, weil viele Junge sich ein Outfit nach Hause bestellen, es fotografieren oder sogar tragen, um Fotos für Social Media zu machen, und dann alles zurückschicken.
Ja, bei einem Online-Shop hast du meist bis zu 50 Prozent Retourenquote. Das ist beim Kauf offline anders. Entsprechend wichtig sind unsere 41 Stores, die wir in der Schweiz betreiben. Die meisten davon sind übrigens Stores für Männer. Mit gezielter Beratung und unseren Services wie Personal Shopping kann man Fehlkäufen gezielt entgegenwirken.
Denkst du, Fashion wird auch künftig ein Big Business sein? Ich frage, weil wir gerade davon sprechen, dass die nächsten Generationen da sehr viel nachhaltiger und bewusster unterwegs zu sein scheinen.
Ich glaube, die Mode wird immer Treiber der Gesellschaft sein. Gerade in Zeiten, in denen persönlicher Ausdruck und Individualität grossgeschrieben werden, auf allen Kanälen, überall. Wenn ich jüngere Generationen anschaue, bin ich froh, dass ich mein erstes Smartphone vielleicht mit Mitte 20 hatte, aber nicht in meiner Teenagerzeit. Die Themen wie Nachhaltigkeit, Mieten, Tauschen, Secondhand sind dennoch die zentralen Treiber.
Ich hoffe wirklich wie du, dass der menschliche Kontakt jenseits der virtuellen Welt künftig einen Wert beibehält.
Das wird sicher eine Herausforderung. Aber ich bin ein sehr optimistischer Mensch. Ich kann da nur wieder auf die bereits erwähnten Grundbedürfnisse zurückkommen. Und wir erleben auch mental sehr fordernde Zeiten gerade. Psychische Gesundheit ist das Thema schlechthin. Es gibt hier auch bei den Jungen eine grosse Rückbesinnung auf menschliche Kontakte, selbst beim Dating kann man das beobachten. Auch hier ist der Trend eher weg von den Onlineplattformen.
Darf ich dich als Feministin bezeichnen?
Ja, auf jeden Fall.
Und wie gehst du damit um, dass Frauen in der Fashionwelt sehr lange als laufende Kleiderbügel behandelt und noch immer stark sexualisiert werden? Damit, dass dieser Welt auch ganz viel Oberflächlichkeit nachgesagt wird?
Das ist eine sehr spannende Frage. Für mich ist Mode nicht einfach eine Oberfläche für Erscheinung, sondern für mich ist es ein Phänomen oder ein Thema, das unsere Gesellschaft strukturiert. Ich habe mich in meiner Masterarbeit auch kulturhistorisch mit Mode befasst. Die Redewendung „Kleider machen Leute“ kommt nicht von ungefähr. Es geht um persönlichen Ausdruck und Ästhetik, um Freude, um Spass, um schöne Dinge wie Designmöbel oder andere Kunstformen. Deshalb ist es für mich eben alles andere als oberflächlich. Man kann sich natürlich auch berechtigterweise fragen, ob Banking, Finance etwas mit Tiefgang ist? – Wir können ja auch nicht alle in einer Charity-Organisation arbeiten. Aber klar sehe ich auch die Sexualisierung der Frauen, die stattfindet, nicht nur in dieser Branche. Da tragen aber gerade auch wir als Modehaus eine Mitverantwortung, weil wir eigene Kampagnen und Fotoshootings durchführen. Der Grossteil des Umsatzes in dieser Branche wird mit Frauen gemacht – und dennoch ist die Textilbranche eine Männerdomäne in vielerlei Hinsicht. Ich bin dankbar und glücklich, nun die dritte weibliche CEO als Chefin zu haben – bei Calida war es Alexandra Helbling, bei Jelmoli Nina Müller und nun bei PKZ Manuela Beer. Ich lerne von diesen Frauen absolut viel, auch dass es immer einen extra Effort braucht, um als Frau gesehen zu werden. Aber ich beobachte auch den positiven Wandel, den gerade diese Frauen in dieser Branche angeschoben haben – die kommenden Generationen werden Gleichstellung und Chancengleichheit noch mehr einfordern in der Arbeitswelt, da bin ich sehr überzeugt, und wir beobachten das jetzt schon. Da muss man sich auch als Arbeitgeber schlicht und ergreifend zu diesem Thema positionieren. Abschliessend möchte ich festhalten: Wir haben den Luxus, dass wir uns aussuchen dürfen, bei wem und wie wir unser Geld ausgeben. Diese Entscheidungen als Konsumentinnen und Konsumenten dürfen wir sehr bewusst treffen.