Woran Frauenkarrieren Scheitern

Text: Christina Kuenzle

Zugegeben, was folgt, ist etwas stereotyp, doch es ist manchmal einfacher, das Wesentliche anhand einer Karikatur als am Original zu erkennen. Mittlerweile haben es doch einige Frauen in Wirtschaft und Politik an die Spitze geschafft – nicht alle dieser Damen befürworten übrigens die Quote – und so lassen sich langsam auch gewisse Muster erkennen, wie sich die „glass ceiling“, die ganz offensichtlich nicht für alle gilt, allenfalls doch durchbrechen lässt.

Lassen Sie uns dazu einige Karrieremodelle aufzeigen, die sich durchaus kopieren lassen. Dabei ist allerdings Vorsicht geboten, denn wenn Ihr Weg so klar und deutlich vor Ihnen liegt, dann ist es wahrscheinlich nicht Ihr Weg, denn diesen müssen Sie sich erst bahnen. Unser persönlicher, einzigartiger Weg entsteht nämlich erst indem wir ihn gehen, und ist so nicht vorgezeichnet. Somit sind alle Wege, die es schon gibt, Wege, welche andere Frauen und Männer gegangen sind, damit höchstens Muster, nicht aber Autobahnen für Karrieren. Fangen wir mit dem gefürchtetsten aller Karrieremodelle an, dem, das viele der arrivierten Managerinnen für sich in Anspruch nehmen…

 

Modell „Hochleisterin“
Chapeau! – Sie geben einfach alles und machen es sich nicht einfach. Alles 100%ig zu machen ist aus Ihrer Sicht nur etwas für Weicheier – Sie selber geben mindestens 200 %, und zwar immer. Schon in der Schule haben Sie neben Ihren Topnoten noch Klavier-, Tennis-, Frühenglisch-, Reit- und Ballettstunden besucht und waren möglicherweise in den Hochbegabtenklassen zu finden. Sie lassen denn auch kein Diplom aus und achten sorgfältig darauf, dass Sie immer und überall gefordert werden. Überstunden gehören zum Tagesprogramm, klagen tun Sie erst bei über 40 Extrastunden (pro Woche, nicht pro Monat!). Da Sie das meiste eh besser können als Ihre Mitbewerberinnen und Konkurrenten und erst noch jede Menge Extrameilen gehen, ohne zu murren und zu knurren, kann fast niemand mithalten. So räumen Sie Preise genau so ab wie Beförderungen und kommen weiter – immer weiter, bis zum Zusammenbruch, aber der könnte ja auch erst nach der Pensionierung stattfinden. Für die ganz Starken liegt auch noch Mutterschaft drin, so lässt sich auf einer zweiten Dimension noch etwas mehr Herausforderung – natürlich ebenfalls im Hochleistungsbereich – zuschalten.
Vorteil: Sie holen alles aus sich heraus.
Nachteil: Menschen wie Sie sind gute Kunden von Burn-out-Coaches.
Sum up: Seien Sie ab und zu etwas nett zu sich selber!

 

Modell „Häschen“
So hart zu arbeiten ist nicht jedermanns Sache! Zum Glück gibt es Alternativen: Sie fangen als Sekretärin oder Kindermädchen an. Aufgrund der starken Sympathie Ihres Vorgesetzten oder Arbeitgebers, die manchmal zugegebenermassen nicht ganz jugendfrei ist, werden Sie schon bald bevorzugt behandelt und im Idealfall auch befördert. Vielleicht haben Sie auch die Fähigkeit, die Anforderungen in der neuen Position zu bewältigen, und schaffen es vielleicht sogar noch ein bis zwei Stufen höher. Ihr Beschützer und Förderer, der lieber Mentor genannt wird, sorgt dafür, dass Sie nicht gleich wieder von den erklommenen Stufen – mindestens solange die Sympathie anhält – verdrängt werden durch MitbewerberInnen, die sich für geeigneter halten. Im Idealfall werden Sie geheiratet und in Ausnahmefällen sogar Königin von England. Geniessen Sie’s, wenn es natürlicherweise passiert! Falls es Strategie sein sollte, gibt es dafür auch noch andere Bezeichnungen.
Vorteil: Sie schaffen Karriereschritte, von denen andere nur träumen können.
Nachteil: Sie bekommen dadurch viele NeiderInnen.
Sum up: Spätestens ab 40 sollten Sie dieses Modell mit einem anderen ersetzen.

 

Modell „Erbin“
Ob vom Vater oder vom verstorbenen Ehegatten ist egal: Hauptsache, Sie erben eine Firma, je grösser, desto besser. So sind Sie, ohne sich auf mühsame Weise qualifizieren zu müssen – wobei eine gute Ausbildung und etwas Erfahrung keinesfalls schaden – CEO. Als Erbin können Sie auch nicht verdrängt werden: Den Posten haben Sie fix aufgrund der Familienzugehörigkeit bis zum gewählten Pensionsalter oder bis zum Tod. Stellen Sie aber auch sicher, dass Sie neben den vielen erbschleichenden Anwärtern und lächelnden Jasager-Schmeichlern doch noch ein paar solide, unbestechliche, geradlinige Berater und Manager finden, welche Sie dabei unterstützen, das Unternehmen länger zu halten als die Tausender im Casino dies tun. Sinnvoll ist bei diesem Modell, für Nachwuchs zu sorgen und den wiederum gut auszubilden, sodass auch die Karriere Ihrer Tochter gesichert ist. Sollten Sie mehrere Töchter und Söhne haben, lohnt es sich, dieses Modell mit einem oder mehreren anderen zu kombinieren, um aus der geerbten Firma ein Imperium zu machen, das mehrere Erbinnen und Erben in Würde ernährt.
Vorteil: Ist ziemlich offensichtlich.
Nachteil: Keiner, es sei denn, Sie heiraten den falschen Partner.
Sum up: Sie haben einfach echt Schwein gehabt.

 

Modell „Kumpel“
Falls keines dieser Modelle Ihr Fall sein sollte, dann gibt es zum Glück noch andere Optionen. Beispielsweise hier nicht „der“, sondern „die“ Kumpel. Als Kind haben Sie Fussball gespielt und sind mit Jungs rumgehangen. Sie sind der sportliche Typ und können nicht allzu viel anfangen mit Mode, Schminke, eleganter Wäsche und anderen Tussi-Utensilien. Sie fürchten auch keine Trink-Contests, denn Sie vertragen ziemlich viel – auch Härteres – und scheuen selbst vor Zigarren nicht zurück. Warum Sie so Karriere machen sollten? Ganz einfach: Die Männer merken möglicherweise nicht, dass Sie eine Frau sind, und befördern Sie ganz aus Versehen mit, denn wer schon einen Jagdschein hat, fliegt, segelt oder schnelle Autos fährt und so nebenbei den Fotokopierer repariert, den kann man doch nicht einfach zurücklassen …
Vorteil: Die Männer nehmen Sie für ziemlich ebenbürtig und behandeln Sie auch so.
Nachteil: Könnte Ihnen von den Anonymen Alkoholikern aufgezeigt werden.
Sum up: Wenn’s Spass macht, warum nicht?!

 

Modell „Nabel der Welt“
Sie sind einfach unentbehrlich!
– Wo immer Not an der Frau ist, sind Sie zuvorderst. Wird ein Freiwilliger gesucht, dann melden Sie sich zuerst. Sie helfen jedem, jeder und immer. So lernen Sie zwar viel, werden ab und zu auch ausgenutzt, sind immer dabei und kriegen eine Unmenge an Zuwendung und Wertschätzung. Meistens haben Sie die Dinge bereits erledigt, bevor jemand nachfragt, denn Sie sind äusserst wahrnehmungsfähig und intuitiv. Nichts ist Ihnen zu viel, wenn es Ihnen nur Anerkennung bringt und/oder jemandem das Leben erleichtert. Wer wollte denn schon auf jemanden wie Sie verzichten! Früher oder später fällt es sogar der Personalabteilung auf, dass Sie eine gesuchte und geschätzte Frau sind im Unternehmen, und so kann es durchaus sein, dass Sie bis knapp unter die Spitze befördert werden.
Vorteil: Sie werden nun wirklich von allen geschätzt!
Nachteil: Sie könnten verbittern, falls sich die Strategie nicht auszahlt.
Sum up: Suchen Sie einen ganz tollen, fähigen und starken Chef, der Sie eine Karriere lang mitzieht.

 

Modell „Selfmade Woman“
Ganz zielstrebig gehen Sie voran. Sie wissen, was Sie wollen, und Sie wissen, wie Sie’s erreichen können. Schon früh planen Sie Ihren Weg und setzen ihn Schritt für Schritt um. Sie leisten viel, aber nicht verbissen. Sie schauen weder nach links noch rechts, denn Sie wissen, dass die Starke meistens allein ist. So verlassen Sie sich weder auf andere noch auf Systeme. Sie bezahlen Ihr eigenes Handy, auch wenn Ihnen die Firma eines zur Verfügung stellen würde, und Sie fahren Ihren eigenen Wagen, auch wenn Sie über die Firma einen leasen könnten. Sie haben in der Schule nie abgeschrieben und Sie haben selten bis nie jemanden um einen Gefallen gebeten. Sie tragen Ihre schweren Koffer selber und lassen sich weder von Männern noch von Frauen in den Mantel helfen. Auch Ihre Türen öffnen Sie selber und Sie können sogar selber Schneeketten montieren, wenn es sein muss. Sie haben einen starken Gerechtigkeitssinn und legen Wert darauf, nur aufgrund Ihrer Leistung anerkannt zu werden, und nicht aufgrund irgendwelcher intransparenter Faktoren. Das setzen Sie auch bei anderen voraus.
Vorteil: Sie würden sogar die Paris-Dakar-Rally single-handed überstehen.
Nachteil: Zum Dankesagen und zum Loben brauchen Sie einen 3-wöchigen Kurs.
Sum up: Seien Sie sich bewusst, dass – auch wenn Sie’s nicht gemerkt haben – ganz viele Leute Sie in Ihrer Karriere unterstützt und Ihnen das Trittbrett gehalten haben.

 

Ein Artikel, der kürzlich in der Harvard Business Review erschienen ist, macht zwei Dimensionen für eine nachhaltige Karriere verantwortlich: Kompetenz und Altruismus. So behaupten die Autoren, dass nur der, der fähig ist, es schafft, nachhaltig Karriere zu machen, und nur dem, der sich auch um das Wohl anderer kümmert, es gelingt, genügend gute Beziehungen aufzubauen und zu halten, die es erst ermöglichen, nachhaltig Wert zu schaffen (was für eine Karriere vorausgesetzt wird). So wird, wer gleichermassen fähig und altruistisch ist, mit Recht bewundert, fähige Egoisten jedoch werden beneidet (und im Extremfall sabotiert), unfähige Altruisten bemitleidet, und unfähige Egoisten verachtet. Was immer also Ihr bevorzugtes Karrieremodell sein sollte – schalten Sie andere Modelle dazu, denn keines funktioniert im Alleingang so richtig gut. Achten Sie dabei auf Kompetenz und auf das Wohl Ihres Umfelds in allem, was Sie tun.

 

Haben Sie noch andere Karrieremodelle? Dann sind wir neugierig, diese zu erfahren. Schreiben Sie uns an redaktion@ladiesdrive.tv.

* Christina Kuenzle ist Unternehmerin und betreibt mit ihrer Firma Choice Ltd. seit Jahren erfolgreiches Business & Executive Coaching. Als Gastautorin von Ladies Drive wird sie in den nächsten Ausgaben etwas von ihrem reichen Wissen an uns weitergeben. www.choice-ltd.com


 

Veröffentlicht am Januar 13, 2014

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