Bea: Liebe Babette, es ist wunderbar, dass wir uns heute zum Austausch treffen – als Frauen, als Freundinnen und als Unternehmerinnen. Ich freue mich darum sehr über diesen Moment unter uns und möchte gleich als Erstes wissen, wie geht es dir gerade?
Babette: Ich bedanke mich, liebe Bea, dass wir uns zu diesem Gespräch treffen, denn uns verbindet mit einer besonderen Anerkennung ja eine wichtige Gemeinsamkeit. Und um deine Frage nach meinem momentanen Befinden zu beantworten, kann ich dir nur Folgendes sagen: Jeden Morgen, wenn ich die Augen öffne und mir bewusst werde, dass ich das Privileg habe, einen weiteren Tag zu leben, geht es mir sehr gut. Ich bemühe mich, Dankbarkeit für jeden neuen Tag zu entwickeln, auch wenn sich gute und schlechte Nachrichten abwechseln – ich betrachte sie alle als bereichernde Erfahrungen.
Du hast es bereits angetönt, wir kennen uns, weil wir beide etwas ganz Aussergewöhnliches erlebt haben. Wir hatten nämlich die Ehre, die höchste Auszeichnung als Unternehmerin eines Landes zu erhalten, den Veuve Clicquot Business Woman Award. Dieser Moment, als ich drei Jahre nach dir zur Unternehmerin des Jahres 2012 gekürt wurde, bleibt mir unvergesslich. Es war eine fantastische Anerkennung für meinen Glauben an den Erfolg, für Innovation und Risikofreudigkeit, aber auch für harte Arbeit und Engagement. Sag mir, liebe Babette, wie hast du diesen besonderen Augenblick erlebt und welche Erinnerungen werden dabei wach?
Nun, diese prestigeträchtige Auszeichnung hat mein Leben sowohl beruflich als auch privat völlig verändert. Einerseits verschaffte sie mir eine wertvolle Glaubwürdigkeit bei meinen Kollegen und hat darüber hinaus auch meine Wahrnehmung der Welt um mich herum verändert. Dieser Preis gab mir nämlich die Freiheit, klarer sprechen zu können, und er ermöglichte mir, mich noch besser mit der Mission für meinen Job zu verbinden. Gleichzeitig konnte ich auf den Weg zurückblicken, den ich eingeschlagen hatte. Schon während des Auswahlverfahrens stellte ich mich selbst und meine Governance infrage, aber auch meine Entwicklungsstrategien, die Beziehungen zu anderen und mein Führungskonzept. Für mich gibt es deshalb ein echtes Vor und Nach dem Veuve Clicquot-Preis.
Auch ich erinnere mich natürlich an jedes Detail der Preisverleihung und die elektrisierende Überraschung und Dankbarkeit, als mein Name im letzten Finaldurchgang aufgerufen wurde, bevor ich von meinen Gefühlen und der Ambiance davongetragen wurde. Trotzdem gibt es natürlich die Tage, Monate und Jahre danach und ich möchte deshalb gerne wissen, wie nachhaltig sich diese Auszeichnung auf dein Leben als Unternehmerin und als Frau ausgewirkt hat.
Klar, die Auszeichnung hat uns zuerst vor allem ins Rampenlicht gerückt. Aber was mich noch mehr beeindruckte, war, dass alles auf einmal einen Sinn ergab. Mein Leben, meine Karriere und meine Arbeit, die damals schon sehr avantgardistisch war. Seit diesem Moment im Jahr 2009 versuche ich, alles mit meinen Grundwerten von Respekt, Dankbarkeit und Loyalität in Einklang zu bringen. Und wie ich bereits erwähnte, hat mir die Auszeichnung die Kraft und die Freiheit gegeben, offen darüber zu sprechen und meine Werte zu verteidigen. Das ist ein grosses Geschenk und verleiht allem, was ich unternehme, eine besondere Tiefe.
Es ist schön, mit dir zu träumen, aber nichts kommt bekanntlich einfach so. Bevor ich als Unternehmerin erfolgreich wurde, musste ich einige schwierige Zeiten durchstehen. Und weil mich dein beeindruckender Werdegang immer inspiriert hat, würde ich deine Erfahrungen gern mit unseren Leserinnen teilen. Was hat dich am meisten angetrieben?
Du hast natürlich recht, nichts passiert zufällig! Ich gehöre zu denen, die glauben, dass wir hier sind, um eine ganz bestimmte Mission zu erfüllen. Mein familiärer Hintergrund war zum Beispiel sehr schwierig, hat aber auch meine heutige Führungsrolle geprägt. Schon in sehr jungen Jahren musste ich meiner Mutter helfen, mit ihrem alkoholkranken, wütenden Mann klarzukommen. In dieser feindseligen Umgebung, in der Liebe keinen Platz hatte, lernte ich, für meine Rechte und für die der Menschen um mich herum zu kämpfen. Ich war dabei in Szenen extremer Gewalt verwickelt, aber diese Erfahrungen haben auch meine Entschlossenheit und meine Widerstandskraft gestärkt. Und inmitten dieses Chaos fand ich zum Glück noch einen anderen Zufluchtsort, die Kirche neben unserem Haus. Seither weiss ich, dass es etwas gibt, das grösser ist als wir. Schon mit 17 Jahren verliess ich mein Zuhause, um dem Mann zu folgen, der drei Jahre später der Vater meiner Kinder werden sollte. Es war das Jahr 1980 und die Entscheidung, nach Asien zu reisen, markiert den Beginn eines Abenteuers, das mein Leben verändern sollte und eigentlich bis heute andauert. Schuhverkäuferin, wie es mein Vater wollte, bin ich aber nicht geworden, auf beiden Füssen stehe ich jedoch dank meiner Erfahrungen besser, als er es sich wohl je vorstellen konnte.
Was für ein Leben – aber bleiben wir noch etwas bei den unternehmerischen Fragen. Du hast zwei Firmen aufgebaut, die Keller Trading und Babette Switzerland. Was war der Grund für diese Diversifikation und wie führst du deine beiden Unternehmen?
Meine erste Firma, Keller Trading, ist heute fast 40 Jahre alt. Sie entstand aus zwei meiner Leidenschaften, der Uhrmacherei und dem Nähen. Heute kann ich mit Stolz sagen, dass wir in der Textilentwicklung, insbesondere im Bereich Mikrofasern, weltweit führend sind und mit über 4.000 Kunden in der anspruchsvollen Uhren- und Schmuckbranche zusammenarbeiten dürfen. Und im Jahr 2016 entwickelte ich einen neuen, innovativen Handschuh, der die Haut nur mithilfe von Wasser reinigen und abschminken kann und die Hautpflege von Männern und Frauen radikal veränderte. So entstanden Babette Switzerland und der Babette-Handschuh, der auch meinen ökologischen und nachhaltigen Werten entsprach. Er ersetzt 3.000 Watterondelle, macht die Lotionen überflüssig und trägt dazu bei, den Einsatz von Pestiziden und die Abholzung von Wäldern zu reduzieren. Heute gibt es unsere Handschuhe in drei Faservarianten für jeden Hauttyp, sie sind waschbar und können sowohl im privaten als auch im medizinischen Bereich eingesetzt werden.
Nun, ich sehe seit vielen Jahren, wie du für deine Ideen brennst, und bewundere deine Überzeugungen. Wenn du nun also einen Quote platzieren könntest, was macht deine Produkte und deine Angebote so einzigartig?
Ich stecke Liebe in alles, was ich tue.
Und wenn du nun die letzten Jahre Revue passieren lässt, wie hat sich dein Berufsleben verändert, was ist einfacher, was vielleicht auch komplizierter geworden?
Für mich ist das alles eine Frage der individuellen Wahrnehmung. Verändert hat sich zum Glück vor allem die Stellung der Frau in der Gesellschaft. Es ist aber nicht nur ihr Platz; die Frauen waren es selbst, die ihre Position veränderten. Dazu kommen die Geschwindigkeit in der Kommunikation, die Fülle an Lerntools und die künstliche Intelligenz. Es scheint heute subjektiv zwar einfacher, effizient zu arbeiten, als vor 40 Jahren, aber der technologische Fortschritt behindert auch den persönlichen Austausch, die Spontanität von Beziehungen und die Wärme einer Gemeinschaft. Wir fühlen uns hinter endlosen E-Mails und einem Umfeld, in dem sich jeder zum Arbeiten einschliesst, oft isoliert. Dazu ist die politische Welt von grossen Widersprüchen geprägt, was sie instabil und oft schwer verständlich macht.
Da kann ich dir nur zustimmen, liebe Babette. Nun wurde ich auch nach der Übergabe meiner schminkbar-Betriebe an meine Töchter und meinen Schwiegersohn gefragt, woher ich die Energie nehme, um auch heute noch zahlreiche weitere Projekte voranzutreiben. Wie du weisst, bin ich seit 16 Jahren Präsidentin des Fördervereins Nas Mode, führe einen schönen Laden und ein zauberhaftes Beizli in Steckborn und moderiere mit grosser Leidenschaft spezielle Interviews mit speziellen Leuten bei Tele D. Sag mir, woher nimmst du deine Energie und wo findest du deine Kraftquellen?
Es ist das Leben um mich herum und mein eigener Weg, die meine Inspirationsquelle sind. Dazu sind meine Energie, mein Mut und meine Kraft in meinem Glauben verankert. Das ist etwas viel Grösseres als ich selbst und erlaubt mir, über mich selbst hinauszuwachsen. Ganz alleine wäre ich nichts.
Liebe Babette, ich danke dir herzlich für deine Erkenntnisse und deine Offenheit. Ich wünsche dir, dass du deinen Weg weiterhin mit der gleichen Begeisterung, Herzblut und Hingabe gestalten kannst. Merci beaucoup für diese schöne Begegnung!
Herzlich!
Babette Keller Liechti (* 1963) ist Gründerin und Präsidentin von Keller Trading SA und Babette Switzerland mit Hauptsitz in Biel. Die Unternehmerin entwickelt und vertreibt Innovationen im Bereich von Mikrofasern für industrielle, medizinische und private Anwendungen und arbeitet mit grossen Uhren-, Schmuck- und Kosmetikfirmen zusammen. Sie ist Mutter von vier Kindern und wohnt in La Neuveville.