Alexandra Lüönd: Von Beautification bis Better Aging

Interview: Dörte Welti
Foto: Oliver Malicdem

Ladies Drive 67. Alexandra Lüönd: Von Beautification bis Better Aging.
Ladies Drive Magazine
Instagram war noch nicht verfügbar, als eine junge Businessstudentin beschloss, sich die Lippen aufspritzen zu lassen.

Viele unserer Gründerinnenstorys fundieren auf dem Fakt, dass ein Angebot schlicht nicht verfügbar war – und so führte die Suche nach der perfekten Lösung für ihren Wunsch die damals 22-jährige Alexandra Lüönd zur Gründung einer eigenen Unternehmung. Inzwischen hat sie sich mit Beauty2Go und Brows & Brows ein veritables Imperium aufgebaut.

Ladies Drive: Alexandra, was hat dich als 22-Jährige bewogen, dass du dir die Lippen aufspritzen wolltest?

Alexandra Lüönd: Ich finde, jeder darf sein eigenes Schicksal, sein Leben in die Hand nehmen, darf das, was man an sich nicht mag, optimieren. Diese Selbstbestimmung ist für mich Female Empowerment. Ich wollte einfach vollere Lippen haben.

Und es gab noch niemanden vor 15 Jahren, der das gemacht hat?

Doch, Ärzte gab es schon, aber es war wirklich schwierig. Die Preise waren sehr hoch und nicht transparent. Ich habe Ärzte konsultiert, und sie forderten mich auf, zu einem Beratungstermin zu kommen. Ich wurde aber sechs- oder siebenmal abgelehnt, nur von Männern, weil sie fanden, ich bräuchte das nicht. Ich sei noch jung und attraktiv. Das hat mich genervt, ich muss schliesslich meinem Schönheitsbild entsprechen, es muss mir gefallen. Und es gab noch mehr, was mich störte: der Preis zum Beispiel. Die Behandlung sollte damals 800 Franken kosten. Es gab auch keine Customer Journey zum Nachvollziehen, es gab noch kein Social Media, ich konnte mich nicht selbst schlau­machen, wie so ein Ablauf funktioniert. Es gab keine Vorher-­Nachher-Bilder. Und wie sieht es in der Praxis aus? Es gab nicht mal die Möglichkeit, online zu buchen.

Von der Unzufriedenheit zu einem erfolgreichen Business – wie hast du das geschafft?

Ich hab Wirtschaft studiert und schon immer unternehmerisch gedacht. Was viele nicht verstehen: Man muss das Rad nicht neu erfinden. Natürlich ist es megalässig, wenn man ein Unicorn erschafft; aber was es oft nur braucht, ist ein Produkt, was man verbessern kann. Für mich war das mit den minimalinvasiven Beautybehandlungen so.

Und wie hat alles angefangen?

Mit 2000 Franken eigenem Geld. Ohne Fremdkapital, ich habe auf Kooperationen gesetzt. Ich habe einen kleinen Praxisraum angemietet, Patienten akquiriert und mit erfahrenen Ärzten kooperiert. Damals, als ich angefangen habe, habe ich es intuitiv gemacht. Ich hatte noch keinen Namen dafür, aber ich habe quasi das Medical Retail in der Schweiz eingeführt, und es kam sehr, sehr gut an. Ich war dann die jüngste Nichtmedizinerin, die eine Klinik­lizenz bekommen hat, um Ärzte anzustellen. Beauty2Go machen wir jetzt seit acht Jahren, inzwischen an sieben Standorten, vor ein paar Jahren wurden wir der grösste Anbieter der Deutschschweiz und die erste Schönheitskette für ästhetische Medizin, die den Röstigraben überquert hat. Vorletztes Jahr wurden wir zum grössten Anbieter in der Alpenregion. Und wir haben diversifiziert, mit Brows & Brows eine neue Salonkette nur für Augenbrauen­behandlungen gestartet.

Wir – du bist nicht mehr allein in dem Business?

Nach eineinhalb Jahren ist mein Bruder Patrick mit eingestiegen. Wir haben am Anfang zusammen die Rezeption gemacht, er hat die Buchhaltung erledigt, ich das Marketing. Und am Morgen haben wir noch selbst den Boden geputzt. Wir waren – und sind bis heute – eine gute Kombination. Es braucht einen Sparringspartner ab einem gewissen Punkt.

Reden wir über Schönheit, über Liquid Youth, beides im Trend. Ist das der Grund für deinen Erfolg?

Geschmäcker sind unterschiedlich, siehe meine Erfahrungen vor 15 Jahren. Aber als ich meine Firma gegründet habe, habe ich mir immer überlegt, was es noch braucht, ausser Medical Retail anzubieten. Ich habe die Sicht meiner Patienten gesehen, weil ich selbst eine war. Es geht darum, den Frauen – und Männern – auf Augenhöhe zu begegnen. Natürlich gibt es heute Schönheitsideale à la Kim Kardashian, Kylie Jenner, eben diesen Instagram-Look. Aber wir unterscheiden zwischen Beautification, wo die, die zu uns kommen, noch relativ jung sind und nicht jünger aussehen wollen, sondern attraktiver. Und dann gibt es die Vorgehensweisen für ein Better Aging und Slower Aging. Beim Better Aging geht es um das Wiederherstellen von Volumen, das im Alter verloren geht, ohne das Gesicht zu verändern, beim Slower Aging darum, dass man das optische Altern verlangsamt.

Gute Ärzte sind rar, wie schaffst du es, kompetente Spezialisten für Beauty2Go zu finden und dann auch zu halten?

Wir sind inzwischen insgesamt 48 Mitarbeiter. Employee-­Branding ist ein wichtiger Teil. Wir haben überlegt, was uns wirklich viel Geld kostet, und das ist tatsächlich, wenn ein Arzt geht. Also bieten wir viel Anreiz, damit sie bleiben. Wir haben zum Beispiel nicht irgendwelche Kurse, sondern eine interne Akademie. Teilzeit ist eine grosse Sache, viele arbeiten 80 Prozent, das gibt eine gute Work-Life-Balance. Und das Employee-­Branding betrifft alle, nicht nur die Ärzte, auch alle anderen Mitarbeiter.

Habt ihr inzwischen Investoren an Bord?

Nein, wir machen das immer noch allein.

Gab es – ausser während Corona – Phasen, wo du gesagt hast, nein, es reicht, wir hören auf, das schaffen wir nicht?

Nein. Nicht einen Moment. Ich habe jeden Moment genossen. Wir haben Corona übrigens gut überstanden, immer den Kontakt zu den Patienten gehalten. Ich hatte anfangs Existenzängste, aber mein Bruder ist der Pragmatische von uns beiden, er hat gesagt, das ist jetzt so. Wir sind jeden Tag ins Büro gegangen, haben Dinge abgearbeitet in der Zeit. Wir waren vor Corona ja noch sehr klein, während der Wellen hatten so viele Leute das Bedürfnis, sich endlich mal die Zeit zu nehmen für Behandlungen, und nach Corona wuchs unser Business immens, wir konnten mehr Ärzte einstellen und werden jetzt sogar bei der UBS mit Cappuccino und Schokolade verwöhnt. Vorher hatten wir nicht mal einen eigenen Ansprechpartner …

Und deine persönliche Work-Life-Balance oder dein Work-Life-Blend?

Wer Work-Life-Balance und eine gute Mental Health will, der sollte kein Unternehmen gründen. Vor allem am Anfang. Wenn du mit kleinem Budget anfängst, gibt es Momente, wo du deine Schmerzgrenze erreichst, und die tut ziemlich weh. Eine Grenze, wo jeder normale Mensch sagen würde, jetzt höre ich auf, ich wechsle den Job. Da muss man dann durchpreschen. Danach entwickelt man Resilienz. Und, by the way, Resilienz kann nicht jeder Mensch entwickeln. Man weiss durch Studien (z. B. Kauai-Studie, Emmy Werner, Anm. d. Red.), dass gewisse Menschen mit Resilienz geboren werden, andere nicht.

Und du bist mit Resilienz geboren worden?

Wenn ich mal gefallen bin, bin ich wieder aufgestanden. Aber nicht einfach so, sondern weil ich wütend war, dass ich überhaupt gefallen bin. Aufstehen und grösser werden. Ich muss aus dieser Niederlage lernen und weitermachen. Das war für mich immer wichtig, stärker aus Niederlagen herauszukommen, zu wachsen aus Schmerzen, Kreativität entwickeln.

Wann trittst du denn mal kürzer?

Ich habe mein Pensum vor neun Monaten auf 80 Prozent reduziert. Zeit, dass ich endlich meine Auto- und Bootsführerscheine machen kann!

beauty2go.ch

browsbrows.ch

Ladies Drive 67. Alexandra Lüönd: Von Beautification bis Better Aging.
Foto: Yves Colas Photographe
Veröffentlicht am September 27, 2024
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