A Hint of Colour

Text: Joan Billing

Architektur: Didier Faustino – Xyz Lounge – Foto: David Boureau + Felipe Ribon
Architektur: Didier Faustino – Xyz Lounge – Foto: David Boureau + Felipe Ribon
Ladies Drive Magazine
Megatrend Emotionale Intelligenz

Die Pandemie hat uns mit all ihren Konsequenzen gezeigt, dass es für unsere Gesellschaft in Zukunft zentral sein wird, ein hohes Mass an emotionaler Intelligenz, kurz EI, zu besitzen, mit der wir in der Lage sein sollten, fremde und eigene Gefühle und die damit verbundenen Bedürfnisse besser zu verstehen und einzuschätzen. Emotionale Intelligenz wird dabei als Erfolgsrezept substanziell für unsere Wirtschaft, unser Privatleben genauso wie für die zukünftigen Ausbildungen. Doch was bestimmt unsere neuen Bedürfnisse? Welche Auswirkungen hat dies auf die Art, wie wir heute und morgen leben möchten? Was sind die grossen Zukunftsfragen unserer Gesellschaft und Wirtschaft und die gewichtigen Megatrends? Und was haben ein Hauch von Farbe, Struktur und Haptik oder neue visuelle Optik und Designs damit zu tun?

Wie die Megatrends uns verändern

Megatrends sind Tiefenströmungen des gesellschaft­lichen Wandels. Sie verändern die Welt – zugegebenermassen langsam, dafür aber entscheidend und anhaltend. Sie umfassen mehrere Jahrzehnte und wirken in jedem Einzelnen von uns, umschliessen dabei gleichzeitig alle Ebenen der Gesellschaft, ob Wirtschaft oder Politik, Wissenschaft, Technik oder Kultur. Die Zeit, in der wir als Gesellschaft permanent nach immer mehr, immer höher und immer besser strebten, ist endgültig vorüber und definitiv zum Aussterben bestimmt. Die Pandemie hat uns klargemacht, dass wir nur einen Planeten haben und unsere Ressourcen auf den verschiedensten Ebenen definitiv begrenzt sind. Sie hat uns aber auch aufgezeigt, dass wir alle lernfähig sind. Des Weiteren hat sie uns fit für das 21. Jahrhundert gemacht, wo wir uns alle ausnahmslos neuen Herausforderungen stellen müssen. Das Wort „erfolgreich“ bekommt in diesem Kontext eine ganz neue Bedeutung und Inhalt und wird gleichzeitig stark an Zufriedenheit, Glück und Gesundheit geknüpft sein, Dinge, die wiederum immer nur im Moment gelebt werden können. Denn Gefühle und Emotionen können wir nicht auf später verschieben. Sie sind immer im Hier und Jetzt verankert. Nichtsdestotrotz werden unsere heutigen Gefühle auch Auswirkungen auf unsere Zukunft haben.

Megatrend EI – Emotionale Intelligenz

Pandemiebedingt haben wir lernen müssen, dass dauerhafte Stabilität und Sicherheit der Vergangenheit angehören und ein höheres Mass an Stress, Instabilität und eine fehlende Zukunftsgarantie das neue Normal sind. Synchron dazu mussten wir die Schnelligkeit dieser Entwicklungen bewältigen. Dies führte dazu, dass die Emotionen in unsere Arbeitswelt Einzug gehalten haben. Doch bis anhin hatten Gefühle oder menschliche Schwäche keinen Platz in unserer Wirtschaft und waren Faktoren ausserhalb der Gewinn- und Effizienzoptimierung. Aber die rasant wachsende Zahl an psychisch bedingten Beschwerden, wie Erschöpfungszustände, Depressionen, Burn-out etc. und demzufolge die zunehmenden Krankheitstage, haben zum Umdenken geführt. Dies hatte zur Folge, dass nachhaltiges Team-Building, Mediation und die Pflege von zwischenmenschlichen Beziehungen wesentlich bedeutsamer für die Wirtschaft wurden. Dies führte wiederum dazu, dass Fachkräfte mit einem hohen Mass an emotionaler Intelligenz sich zu einer gefragten Mangelware entwickelten. Emotionale Intelligenz beschreibt aber nicht nur die positiven Fähigkeiten in Bereichen der Kommunikation, des Teams, der Empathie, der Selbstbewusstheit, der Menschlichkeit, des Mitgefühls oder Taktgefühls. Wer die Emotionen anderer nachvollziehen kann, der erkennt viel leichter die Zeichen für deren Bedürfnisse und Wünsche und kann daher direkt auf diese eingehen und sie umsetzen. Dies wiederum hat klare Auswirkungen auf Kundenbindung durch Sympathie, Einfühlungsvermögen für Arbeitspartner, Überzeugungskraft in Arbeitsmeetings, Übertragung der eigenen Begeisterung auf andere oder Etablierung eines positiven Arbeitsklimas. Dementsprechend ist emotionale Intelligenz eines der Erfolgsrezepte im Zeitalter des Networking und ein zentraler Dreh- und Angelpunkt, der klar über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens in Zukunft mitentscheiden wird.

Megatrend Wir-Kultur

Mit der Pandemie haben wir nun auch definitiv begriffen, dass wir alle in einem riesigen Geflecht von vielschichtigen Netzwerken leben. Jeder ist mit jedem und allem verbunden, immer und überall. Das Prinzip des Networking prägt unseren gesellschaftlichen Wandel massgeblich mit. Die Zeiten der Alleingänge sind definitiv vorbei. Demzufolge ist es auch nicht verwunderlich, dass der Megatrend Wir-Kultur nun eine zentrale Bedeutung bekommt und durch die intensive Anwendung neuer Technologien zusätzlich beschleunigt wird. Dementsprechend rasant entwickeln sich neue Formen von Kooperationen, Kollaborationen und Communitys, und passend dazu kreieren wir neue Begriffe dafür. Wie beispielsweise „Coopetition“, ein Kofferwort zusammengesetzt aus den englischen Begriffen Cooperation (Kooperation) und Competition (Wettbewerb), welche die neue Art von lockerer Kooperation von Konkurrenten aufzeigt. Infolgedessen dekonstruieren wir alle alten soziokulturellen Codes und lassen neue Denk- und Verhaltensmuster mit passenden Designkulturen entstehen. Clevere Kooperationen sind unausweichlich für unsere Zukunft geworden, um die komplexen Probleme unserer Wirtschaft und Gesellschaft lösen zu können. War früher vorwiegend das hierarchisch legitimierte Interventionsrepertoire als Führungsstruktur akzeptiert, welches für „Ruhe und Ordnung“ sorgte, oder die zuweilen toxisch männlich geprägten Strukturen, streben wir nun nach zeitgemässeren Formen für unsere Arbeitswelt. Zur Entwicklung der Wir-Kultur gehört folglich ganz klar die egalitäre Gestaltung von Arbeits- und Privatbeziehungen als gegenwartsnahe Form, die zusätzlich durch den Megatrend EI begünstigt wird.

„REFRAMING“ Perspektivwechsel – Veränderung einer Haltung

Auch „Reframing“ – Neurahmung, etwas in einen neuen Rahmen setzen – wird zu einem zentralen Schlüsselfaktor für uns und unseren gesellschaftlichen Strukturwandel. Über das Reframing werden wir als Gesellschaft lernen, besser mit unserer jetzigen Situation klarzukommen und alles aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Dadurch entwickeln wir die Fähigkeit, einen Perspektivwechsel oder eine Neukontextualisierung unserer heutigen Situation und unserer alten Verhaltensweisen zu vollziehen. Durch diese Umdeutung können wir Stress reduzieren und Abstand gewinnen. Es ermöglicht uns die Entstehung von neuen Ideen und Visionen sowie einer gewissen Leichtigkeit. Auf diese Weise wird auch eine Veränderung der inneren Haltung zur Situation möglich, was wir im Zusammenhang mit der Pandemie wohlmöglich dringend nötig haben. Dies wird uns helfen, die sich verändernden Faktoren, die wir als belastend wahrnehmen, ins Positive zu wandeln, um lösungsorientiert und innovativ gute Zukunftsperspektiven zu erarbeiten. Zwei bekannte Sprichwörter zeigen uns, wie ein gelungenes Reframing sein könnte: „Scherben bringen Glück“ und „Das Glas ist halb voll“. 

„Retro-futuristischer“ Megatrend Kreativ-Ökonomie

Doch all diese neuen egalitären Strukturen, ob „Wir-Kultur“, „Konnektivität“ oder aber auch „Coopetition“ und „Emotionale Intelligenz“, zeigen nur die unfassbar hybride Zeit, in der wir leben, wo sich Gegenpole zu ganz neuen Konstruktionen verbinden und sich auf den verschiedensten Ebenen perfekt ergänzen. Sie bilden keinen Widerspruch mehr. Sie spiegeln vielmehr klar die Dualität unserer Zeit und machen begreiflich, warum sich die Megatrends Individualisierung und Wir-Kultur nicht ausschliessen, sondern komplementierend wirken. 

Eben diese Prinzipien sehen wir auch in direkter Anwendung in der Kultur- und Kreativwirtschaft, unter anderem im Design- und Architekturbereich. Hier entwickelt sich die Sehnsucht nach Farbe, Struktur, Haptik zunehmend zu einem Hauptthema. Dies ist unter anderem beim französisch-portugiesischen Künstler und Architekten Didier Faustino zu entdecken, der für die Lounge XYZ des Kulturzentrums Zebrastraat in Gent einen anregenden und emotionalen Treffpunkt designt hat. Inspiriert von einem Déjà-vu-Gefühl, schuf er einen „retro-futuristischen“ Raum, einen Ort, der ebenso vertraut wie auch fremd ist. Dadurch passt er auf verschiedensten Ebenen perfekt in unsere Zeit der Dualität. Didier Faustino verglich die Lounge-Bar mit einem Raumschiff, das genauso gut aus der Vergangenheit wie aus der Zukunft stammen könnte. Mit einer Farbpalette aus Altrosa, sanften Pudertönen und kontrastierendem verblasstem Olivgrün entsteht ein sinnlicher Eindruck, der unsere haptische Wahrnehmung anspricht. Didier Faustino spielte mit hybriden Gegensätzen in seinem Interieur wie beispielsweise den Stühlen. Diese wirken futuristisch und erinnern gleichzeitig an den Industrial Chic des letzten Jahrhunderts. Ergänzend dazu entwickelte er Y-förmige Tische mit einer Marmorschicht und neue Wand- und Deckenkonstruktionen, die mit lichtreflektierenden Oberflächen einen haptischen Eindruck hinterlassen. 

Aber auch das Design der neuen Sneakergeneration unter anderem von Nike-ISPA-Flow spiegelt klar diese Entwicklung der Konnektivität und den retro-futuristischen Aspekt im gestalterischen Bereich wider. 

Sie zeigen, wie die neue Generation tickt. 

Inzwischen ist auch klar nachvollziehbar, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft als Wirtschaftskraft ein eigenständiges Wirtschaftsfeld ist, das sich durchgesetzt hat und mit den Spitzenreitern wie der Automobilindustrie mithalten kann. Die Kultur- und Kreativwirtschaft gehört unterdessen zu den Innovationstreibern unserer Gesellschaft. Umso zentraler wird es, sie ernst zu nehmen und ihre Mechanismen zu verstehen. 

Obwohl wir gerade das Gefühl haben, dass die Welt immer noch stillsteht, ist genau dieser vermeidlich wirkende Stillstand eine dieser ­grossen Veränderungen, die unsere Gesellschaft die letzten zwei Jahre begleitet, geformt und folglich unsere Zukunft prägend verändert haben. Währenddessen haben wir alles hinterfragt und unsere Gewohnheiten gnadenlos auf den Kopf gestellt. Diese aufgezwungene Pause mit dem Schock des Lockdowns und all den schlimmen daraus entstandenen Traumata bringt uns wiederum auch eine Atempause, um unsere Gedanken neu zu sortieren und gleichzeitig ganz neue Visionen für die Zukunft zu entwickeln. Vor der Pandemie waren wir in einer reinen Leistungs- und Turbo-Gesellschaft gefangen. Der Alltag jedes Einzelnen wurde immer schneller, voller und intensiver. Mit der Pandemie bekam alles ein unerwartetes jähes Ende, und nun ist alles anders als davor. Allerdings steht über alldem die Hoffnung, dass die Gefahr bald vorüber ist und alles wieder gut wird. ­Hierbei wird uns die neu gestärkte Selbstwirksamkeit und Überzeugung einstweilen unterstützen, dass wir schwierige Situationen und He­rausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen können. All diese verschiedenen Aspekte beeinflussen eindeutig, wie wir in Zukunft leben möchten. Sicher ist, dass wir als Gesellschaft eine neue Balance finden werden und uns als Nächstes eine Farb- und Material­explosion erwartet, welche diese emotionale Intelligenz unserer Zukunft widerspiegelt.

Veröffentlicht am Februar 11, 2025
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