Ein Komma, kein Punkt.

Interview: Claudia Gabler
Foto: Marlene Gawrisch

Ladies Drive No. 70. Bea Knecht: Ein Komma, kein Punkt.
Ladies Drive No. 70 Cover (Sommer 2025): Der Lebensstil für mehr digitale Achtsamkeit und Fokus

Substanz statt Pose: Bea Knecht baut an Antworten. Nicht mit Pathos, sondern mit Klarheit, Code und Konsequenz.

Sie denkt Wirtschaft als Möglichkeitsraum und Identität als Stärke. Kein Punkt, ein Komma. Weiterdenken erwünscht. Kürzlich wurde die Tech-Pionierin mit dem SEF.WomenAward gekürt. Das Interview mit der Ehrenpreisträgerin des Jahres 2025.

Ladies Drive: Liebe Bea, herzlichen Glückwunsch zum SEF.WomenAward! Was bedeutet dir diese Auszeichnung?

Bea Knecht: Sie kam überraschend – und sie ist für mich ein Komma, kein Punkt. Ich will weiter lernen, weiter gestalten beim Aufbau eines Venture-Fonds, mit neuen Ideen. Ich sehe den Preis als Türöffner – für mich, aber hoffentlich auch für Frauen, die spüren: Ihre Arbeit zählt.

Blieben dir im Laufe deiner Karriere Anerkennung oder Respekt auch manchmal verwehrt? Wenn ja, von wem – und warum?

Ich denke anders. Ich hinterfrage Ziele, bevor ich losmarschiere. Ich folge nicht blind Hierarchien, sondern will verstehen, mitgestalten, etwas bewirken. Das passt nicht jedem. Manche verwechseln Nachdenken mit Widerstand. Und andere stören sich daran, wenn jemand nicht ins Raster passt.

Welche Art von Wertschätzung ist dir wichtiger – fachlich oder persönlich?

Ich bin fachlich ziemlich aggressiv. Ich bohre tief, stelle unbequeme Fragen und streite gern um Inhalte. Gleichzeitig hoffe ich, persönlich kritikfähig zu sein – und bin bereit, andere zu coachen, wachsen zu lassen. Fachliche Anerkennung validiert, dass man liefert. Persönliche Wertschätzung zeigt, dass man dabei nicht zum Drachen mutiert ist. Beides ist wichtig. Aber wenn ich mich entscheiden müsste: lieber als gute Architektin in Erinnerung bleiben denn als nette Kaffeepartnerin.

Wann fühlst du dich wirklich gesehen – jenseits von Preisen, Panels und Pressefotos?

Durch meine Arbeit. Wenn ein System funktioniert, ein Produkt lebt, ein Text zündet – dann spüre ich: Ich habe etwas in die Welt gebracht, das trägt. Werkstücke sind nicht fake.

Du hast das Fernsehen verändert – wie hat sich das auf die Branche ausgewirkt?

Wir haben den Schlauch verändert, nicht den Wein. Also die Art, wie Inhalte übertragen werden – nicht was übertragen wird. Noch nicht. Aber allein das hat gereicht, um viele Branchenvertreter nervös zu machen. Wir haben ihnen vorgeführt: IT ist kein Add-on mehr – sie ist das Fundament. Plötzlich mussten sie lernen, dass Innovation auch aus der Seitenlinie kommen kann.

Big Swinging Dicks versus Big Swinging Brains – was unter­scheidet sie?

Beide drücken ab, statt zu zaudern. Das ist gut – Innovation braucht Risiko, fail fast, try better. Aber der Unterschied liegt im Treiber: Die einen tun’s aus Geltungssucht, die anderen aus Neugier. Das eine ist Pose, das andere Substanz. Dass die Pose wieder Konjunktur hat, liegt auch daran, dass viele lieber an Helden glauben als an Prozesse.

Was können Cis-Männer in Machtpositionen von dir lernen, wenn es um ehrliche Innovation ohne Ego geht?

Es muss um die Sache gehen, nicht um die Macht. Wer Innovation mit seinem Status verknüpft, wird nie bereit sein, sich irren zu dürfen. Aber ohne Irrtum keine Entwicklung. Ich habe Teams erlebt, in denen jeder Recht behalten wollte – und nichts voranging. Und andere, in denen niemand das letzte Wort brauchte – und plötzlich floss es. Echte Innovation ist eine Teamleistung, kein Schwanzvergleich.

Hattest du je das Gefühl, dass du dich in der Businesswelt „männlich“ inszenieren musstest?

Nicht inszenieren. Aber ich muss gelegentlich darauf bestehen, dass ich überhaupt angehört werde. Das ist ernüchternd – aber lehrreich. Man lernt, Klarheit mit Charme zu verbinden. Und Beharrlichkeit mit Haltung.

Welcher Satz ist dir bis heute in Erinnerung geblieben?

„Früher, also vor deiner Transition, warst du irgendwie cleverer.“ Aber das Gegenteil ist der Fall: Ich habe mein Hirn behalten – und ein paar neue Perspektiven dazugewonnen.

Gab es einen Moment, in dem du gespürt hast: Jetzt bin ich ich – beruflich wie privat?

Ja. Als wir den Tech Emmy gewannen. Ich dachte: Das ist nicht nur beruflicher Erfolg – das bin ich, meine Vision, mein Weg. Mit all seinen Kurven. In diesem Moment war ich voll bei mir.

Wie viel Mut kostet Authentizität in einer Welt, die lieber normiert als neugierig ist?

Authentizität ist keine Pose. Sie kostet Mut, weil sie dich verletzlich macht. Aber sie zahlt sich aus – in Glaubwürdigkeit, innerer Ruhe und in besseren Entscheidungen. Wer ständig eine Rolle spielt, verbrennt Energie. Ich investiere sie lieber in echte Ideen.

Wie sieht dein Gegenmodell zu patriarchaler Macht aus?

Mein Modell ist kooperativ, neugierig, integrativ. Führung ist für mich: Räume schaffen, in denen andere glänzen. Macht teilen, nicht horten. Fragen stellen, nicht dominieren. Entscheidungen treffen – ja. Aber nicht im Alleingang, sondern im Dialog.

Was ist die radikalste Entscheidung, die du je getroffen hast?

Ich habe viele getroffen: Studium in den USA. Gründung von Zattoo. Meine Transition. Jede für sich war ein Sprung. Und jede hat mich weitergebracht.

Was möchtest du jungen Frauen mit auf den Weg geben?

Lest meinen Essay dazu, er ist online. Kurzfassung: Seid mutig. Lernt schnell. Baut Netzwerke. Ignoriert toxische Meinungen. Und glaubt an eure Wirksamkeit.


Creator
Claudia Gabler
Beitragsautorin

Quelle: Claudia Gabler: „Ein Komma, kein Punkt.“, Ladies Drive Magazin, Nr. 70 (2025), S. 24-25.

Veröffentlicht online am 20 Juni, 2025
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