Ladies Drive: Sarah, bei Bananenschalen und Schuhen sehe ich sofort eine klassische Slapstickszene mit dem berühmten Ausrutscher vor mir. Was hat es damit genau auf sich, und wie ist daraus eine Geschäftsidee entstanden?
Sarah Harbarth: Ich war damals im Studium als Produktdesignerin, und wir sollten etwas entwickeln, das auch in einer Welt ohne fossile Brennstoffe als Ausgangsmaterial funktioniert. Eine knifflige Aufgabe! Ich hab dann zu Hause auf der Suche nach Inspiration zuerst in den Abfalleimer geschaut und dort per Zufall eine Menge Bananenschalen entdeckt. Ein toller Faserverbund, dachte ich sofort, wenn auch etwas klebrig. In den folgenden Wochen hab ich fleissig gebastelt, gekocht, geleimt, um ein ganz kleines Stück Biokunststoff, einen noch sehr unausgereiften Prototypen, herzustellen. Bei der späteren Präsentation stiess dieses kleine Fitzelchen auf grosses Interesse. So kam dann eines zum anderen.
Was macht ihr denn genau?
Wir entwickeln Kunststoffalternativen, die aus biologischen Materialien hergestellt sind, elastische Eigenschaften besitzen und wieder biologisch abbaubar sind. Vor allem die Elastizität ist für sehr viele Endprodukte wichtig. Unsere wichtigsten Rohstoffe sind aktuell Olivenkerne und Walnussschalen, die bei der industriellen Produktion als Abfall anfallen. Gemeinsam mit unseren Entwicklern tüfteln wir an den Materialeigenschaften herum und beobachten, was passiert, wenn wir sie beispielsweise mit anderen Materialien mischen. Das Ziel ist, die bestmöglichen Eigenschaften zu bekommen, um diese Kunststoffe verwenden zu können. Wir finden laufend neue Möglichkeiten für Anwendungen.
Hat sich Plastik als Material zu Recht von hui zu pfui entwickelt?
Nehmen wir als Beispiel mal Schuhsohlen: Jährlich werden über 1000 Tonnen Mikroplastik in der Schweiz durch das Herumlaufen abgerieben. Diese Partikel landen anschliessend an vielen Orten, beispielsweise in unseren Gewässern, der Nahrung oder sogar in unserem Blut. Ja, Kinder kommen heute sogar schon mit Plastik im Körper zur Welt! Natürlich entstehen Mikroplastikpartikel nicht nur beim Abrieb von Schuhsohlen, sondern bei allen möglichen Produkten, die wir im Alltag nutzen. Wo auch immer diese Plastikpartikel landen, sie bleiben auch dort, weil sie sich nicht zersetzen. Stell dir vor, wir würden all das ersetzen durch Materialien, die man bedenkenlos in den Bioabfall werfen kann. Unser Ziel bei KUORI ist aber nicht, ein finales Endprodukt herzustellen. Wir möchten der Industrie das Granulat zur Verfügung stellen, das sie dann nutzen kann.
Was genau ist an euren Produkten zirkulär?
Wir nehmen nicht mehr benötigte Ressourcen und Abfallstoffe aus der Umwelt oder industriellen Herstellungsprozessen und machen daraus ein sogenanntes Upcyling, geben ihnen also eine neue Bestimmung. Am Ende ihres Lebenszyklus können diese Stoffe problemlos kompostiert werden – aber da wir nicht darauf zählen können, dass es in der Biogasanlage landet, zersetzt es sich eben unschädlich, etwa nach dem Abrieb vom Schuh. Upycling wird in der Schweiz übrigens noch extrem selten genutzt, dabei gäbe es auch in diesem Bereich riesiges Potenzial.
Warum braucht es denn Kreislaufwirtschaft an sich überhaupt?
Wir sind lange davon ausgegangen, dass unser Planet unendlich viele Ressourcen hat. Wie in einem Rausch haben wir einfach sorglos immer weiter konsumiert. Jetzt wachen wir ordentlich verkatert mitten im Klimawandel mit immer extremeren Auswirkungen auf, und es ist klar, dass die Ressourcen zu Neige gehen. Schlimmer noch: Wir haben den grössten Teil einfach weggeworfen und unwiderruflich verschwendet. Am Beispiel Plastik siehst du das. Es gibt über 500 Plastikarten, die allerwenigsten sind recycelbar, wie wir das von PET kennen. Deshalb braucht es jetzt eine zukunftsfähige Kreislaufwirtschaft, die die Wegwerfwirtschaft ersetzen wird. Wir werden auch in Zukunft konsumieren dürfen, aber wir werden besser aufpassen müssen, dass wir in unserem eigenen Interesse so viel wie möglich regenerieren. Und da liegen enorm viele kreative Chancen für Innovationen.
Kannst du als Unternehmerin eines profitorientierten Start-ups deine Werte im Businesalltag integrieren und leben?
Ich liebe es, gemeinsam in einem Team Grosses und Wichtiges zu bewegen. Dieses Sinnhafte in unserem Tun verbindet uns bei KUORI. Wir kommen aus ganz unterschiedlichen Ecken, haben verschiedene Ausbildungen und sind auch sonst ganz unterschiedlich, aber dieser Purpose schweisst uns fest zusammen. In meiner Rolle habe ich die Freiheit, unser Start-up so zu gestalten und zu führen, dass am Ende des Tages nicht nur ein monetärer Mehrwert entsteht, sondern auch Lebensqualität und attraktive Zukunftsperspektiven.
Wie schaffst du es, dich nicht aufzureiben, sondern deine Energie zu behalten?
Energie bekomme ich, wenn ich an Vorträgen wieder merke, wie das, was ich tue, auch andere inspiriert, über den eigenen Tellerrand hinauszudenken. Oder wenn ich mit unserem Team zusammen bin. Was wir machen, macht Sinn und Spass zugleich! Ich versuche immer wieder ganz bewusst abzuschalten und sorge für Ausgleich.
Nimm uns doch mal mit auf deinen Alltag als Start-upperin, wie sieht so ein Tag aus?
Der ist extrem vielseitig. Wir sind aktuell ein Team von zehn, das bringt einiges an Planung und Organisation mit sich. Heute morgen hatte ich Kreativzeit, im Anschluss ein Sales-Gespräch. Später treffe ich mich mit einer Investorin zum Lunch, und heute Abend sitze ich auf einem Panel. In den Pausen dazwischen löse ich mit dem Team kleine und grössere Herausforderungen. Ich bin das Bindeglied zwischen den Entwicklern, den InvestorInnen und unseren KundInnen. Kurz: Ich bin eine Impulsgeberin und Bewegerin von Menschen. Zusammen bringen wir bei KUORI Kreativität und Wissenschaft zusammen!
Das klingt gar nicht so technisch, wie ich mir das vorgestellt habe. Hast du das Wissen schon mitgebracht, als du KUORI gestartet hast?
Nein, absolut nicht! Ich hatte kaum Vorwissen, aber man lernt in so einem Start-up sehr schnell schwimmen. Entgegen der Aussenwahrnehmung ist es übrigens in so einem Start-up sehr wenig kompetitiv, und enorm viele schlaue Köpfe und Organisationen stehen uns mit Rat und Unterstützung zur Seite.
Wie glaubst du, dass Impact-driven-Unternehmen die Welt verändern können?
Sie spielen eine ganz wichtige Rolle! Sie senden wichtige Impulse in Gesellschaft und Wirtschaft, weil sie viel agiler sind und auch mehr ausprobieren können. Sie können Sachen entwickeln, die grosse, traditionell weniger agile Firmen dann übernehmen können. Für uns ist auch klar die Skalierung das Ziel. Denn wenn grosse Hersteller umschwenken, dann haben wir richtig viel Wirkung – und genau das wollen wir.
Wo willst du hin mit deinem Unternehmen?
Ich wünsche mir, dass KUORI auf etwa 40 Teammitglieder wächst, damit wir die Entwicklung von Innovationen im Bereich Bioplastik von der Schweiz aus vorantreiben können. Produziert werden kann der Bioplastik aber weltweit – zum Beispiel in Asien. Dort gibt es vielleicht keine Olivenkerne, aber wir würden mit den dort vorhandenen lokalen „Abfallprodukten“ einen geeigneten Bioplastik entwickeln.
Frederike Asael
setzt sich mit ihrem Team dafür ein, Kreislaufwirtschaft im Raum Basel und in der Schweiz bekannter zu machen und Firmen dabei zu unterstützen, kreislauffähig zu werden. Sie findet: Wenn aktuell über 90 Prozent aller Ressourcen nur einmal genutzt werden, dann gibt es noch unendlich viele Möglichkeiten für Unternehmen mit Impact – und rückt hier Frauen ins Licht, die diese Chancen schon nutzen.