Nicole Neubauer
CEO metaBeratung, eine Managementberatung mit Fokus auf Persönlichkeit,
Unternehmerin und Career Development Manager
Bescheidenheit & Engagement
Es kommt heute eine Generation in Top-Positionen, die nicht prinzipiell an Karriere und Geld interessiert ist, sondern an einem inspirierenden Umfeld, das ihren individuellen Purpose erfüllen kann. Dafür braucht es Führungskräfte mit einem hohen Mass an emotionaler Intelligenz, das es erlaubt, sich über die eigenen Emotionen im Klaren zu sein und die anderer zu erkennen, um ein stabiles und inspirierendes Arbeitsumfeld zu schaffen. Es geht heute weniger um Top-down-Führung als um Führung auf Augenhöhe. Das bedeutet motivieren und fördern – sich selbst und andere.
In unserer Studie zur digitalen Transformation (metaBeratung & IMD Business School, 2016) haben wir erkennen können, dass Bescheidenheit und Engagement zwei soziale Kompetenzen sind, die Führungskräfte heute brauchen, um Teams für den Wandel zu begeistern und mitzuziehen. Mit Bescheidenheit meinen wir weniger die Tugend selbst, sondern die Fähigkeit, einen Schritt zurück zu machen und anzuerkennen, dass in meinem Team jemand mehr weiss als ich. Covid hat diese Entwicklung in den letzten zwei Jahren noch massiv verstärkt – insbesondere die Zusammenarbeit in Teams wurde im Homeoffice schwieriger, und Führungskräfte waren und sind mehr denn je gefordert, ihre Mitarbeitenden zu fördern.
In der virtuellen Welt geht die Unmittelbarkeit der emotionalen Erfahrung verloren.
Die Doppelbelastung auf beiden Seiten durch Homeschooling, gesundheitliche Sorgen und die Verantwortung für ein Business/einen Job erhöht zusätzlich das Stresslevel. Darum müssen Führungspersönlichkeiten eine hohe Selbstführungsfähigkeit besitzen, damit Energie und Motivation in ihren Teams hoch bleiben.
Veränderungsbereitschaft beginnt immer auf der Führungsebene. Wer führen will, muss den Mut haben, sich selbst infrage zu stellen, und sich dadurch weiterentwickeln zu können. In meiner täglichen Arbeit liegt der Fokus zunächst auf der Förderung der strategischen Selbsterkenntnis des Einzelnen. Selbsterkenntnis bedeutet, eigene Schwächen und Stärken zu kennen und richtig einzuschätzen. Sich mit sich selbst und seinen Emotionen auseinanderzusetzen kann ein durchaus schmerzhafter Prozess sein. Dieser Prozess ist aber unabdingbar, weil jemand die eigenen Emotionen nur dann gezielt steuern kann, wenn er sich selbst kennt. Zu oft tendieren Führungskräfte dazu, ihre eigenen Emotionen in den Mittelpunkt zu stellen oder anderen überzustülpen.
EI kann man trainieren, indem man offen ist für Fremdeinschätzungen und kritisches Feedback.
Es geht darum, sich und seine Emotionen zu hinterfragen, damit das Fremd- und Eigenbild am Ende möglichst übereinstimmen. In meinem Team nutzen wir auch Persönlichkeitsassessments, die u. a. die emotionale Intelligenz analysieren. Dabei werden Dimensionen wie Bewusstsein, Selbstkontrolle, das Erkennen von Emotionen anderer und Empathie gemessen.
So kann ich besser verstehen, was andere fühlen und warum sie sich auf eine bestimmte Art verhalten. Ich lerne, besser mit Druck umzugehen und auch in stressigen Situationen gelassen zu bleiben. Gerade in Berufen mit einer hohen sozialen Interaktion – und diese nehmen in einer global vernetzten Welt überproportional zu – sind das Verständnis der eigenen Emotionalität und das Erkennen der emotionalen Befindlichkeiten anderer essenziell.
Mein Rat an andere Leaderinnen:
Der EQ weit mehr als der IQ entscheidet am Ende, ob meine Persönlichkeit als bereichernd und inspirierend empfunden und dadurch der Wandel befördert wird. Für die nächste Generation wird nicht Geld oder eine bestimmte Position als erstrebenswert betrachtet werden, sondern ein Umfeld, in dem Selbstentfaltung und eine ausgeglichene Work-Life-Balance geboten werden. Ohne einen hohen EQ wird das nicht zu erreichen sein.
Weitere Foto-Interviews in der Serie „Emotionale Intelligenz“: