Yaël Meier ist 24 Jahre alt, Mamma, betreibt gemeinsam mit ihrem Mann Jo Dietrich das Unternehmen ZEAM und ist eine der visibelsten Vertreterinnen der Gen Z. Sie erlebt einen veritablen Hype – sei es im In- oder Ausland, sei es in den sozialen oder den klassischen Medien – und das seit geraumer Zeit. Angefangen hat alles mit ihrer Hauptrolle in einem SRF-Film. Damals war sie 14. Als der Regisseur sie fragt, was sie mal werden wolle, soll sie geantwortet haben: „Ich will etwas bewirken.“
Mit 19 folgte die Unternehmensgründung, mit 20 das erste Kind, kurz darauf das zweite. Irgendwie läuft bei ihr alles etwas glatter, aber auch schneller als gewöhnlich. Nun gut – was ist „gewöhnlich“ und was wäre „normal“? – Sie spiele mit ihrer Naivität, wird ihr nachgesagt. Und das sei Teil ihres Erfolgs. Doch so einfach ist Erfolg nie. Auch mit ihrem frühen, bewussten Kinderwunsch geht die Schauspielerin, Unternehmerin und Journalistin offen um und wischt alle Kritik und Anfeindungen scheinbar locker zur Seite. Wohlmöglich ist es ihre kindlich-naiv wirkende Nonkonformität, die manche so arg triggert, weil sie unser Rollenbild einer jungen Frau hinterfragt. Einfach weil sie ist, wie sie ist.
Ich erlebe sie zum ersten Mal live auf einem Panel in Interlaken im Rahmen einer Konferenz und beobachte eine junge Frau, die unaufgeregt spricht, gut vorbereitet ist, auf den Punkt kommt und dabei stets eine verständliche Sprache nutzt. Kein Hauch von Abgehobensein. Keine Wischi-waschi-Floskeln mit vielen Anglizismen. Sie ist einfach da. Yaël Meier. In all ihrer natürlichen Schönheit und mit ganz viel Selbstverständlichkeit, die ihresgleichen sucht. Eine Erfolgsstory, die überrascht und zum Nachdenken anregen darf. Über unsere Rollenstereotype. Alter. Gender. Unternehmertum und vieles mehr.
Ladies Drive: Liebe Yaël, du hast so einen mega Erfolg. Hättest du das erwartet?
Yaël Meier: Ich habe es mir nie konkret ausgemalt oder vorgestellt. Ich lebe im Moment und handle daraus. Natürlich habe ich an unsere Idee geglaubt und war überzeugt, dass es funktionieren würde, aber ich hatte kein klares Bild davon, wie es aussehen würde, wenn ich hier bin. Deshalb kann man nicht von Erwartungen sprechen, aber Zweifel hatte ich nie.
Das heisst, du hattest einfach eine ganz starke Idee gehabt, vom Bauchgefühl, dass es funktionieren würde?
Ja, genau.
Das hatten wir auch. Ich habe mir einfach von Tag eins von Ladies Drive eingebildet, dass die Welt genau das braucht. Dann lässt man sich auch nicht so beirren.
Genau. Zudem merkt man es dann an der Resonanz und an den Projekten, die man macht. Es funktioniert, und es ist etwas, das die Wirtschaft tatsächlich braucht.
Wir sind auf LinkedIn connected, und ich finde es spannend, denn ich habe das Gefühl, wenn ich den Leuten erzähle, dass ich dich treffe, sind sie entweder total hin und weg von dir, total verzückt, oder die Leute sagen mit hochgezogenen Augenbrauen: „Wie findest du die?“.
Ich glaube, sobald man mich kennt, kommen die Fragen: „Und wie ist sie in echt?“ Das ist recht lustig.
Wie empfindest du das? Ist das Neid, oder wie liest du das?
Ich denke, es liegt daran, dass man in der Schweiz nicht gewohnt ist, dass jemand laut ist und Strukturen aufbricht. Wir sind ein eher ruhiges Volk. Auf Social Media ist es anders, und vor allem auf LinkedIn treffen Generationen aufeinander, die nicht immer an diese Offenheit gewöhnt sind. Das kann positive oder negative Reaktionen hervorrufen.
Manchmal muss man die Leute auch etwas aufregen, um sie anzuregen.
Ja, genau. Ich meine, ich mache es gerne. Ich mache es auch ja aus einem Grund.
Geht es dir nie nach, wenn du merkst, jetzt kommt negatives Feedback? Gerade in den sozialen Medien. Du hast eine grosse Reichweite, da sind auch nicht immer alle nett mit einem.
Das hängt vom Thema ab. Bei der Mutter-Thematik, als ich meine zweite Schwangerschaft angekündigt habe, wurde es teilweise persönlich und absurd. Das hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, darüber zu sprechen, weil es offensichtlich noch nicht normal ist, dass auch eine Mutter solche Dinge öffentlich äussern kann. Meinungen von anderen sind mir ehrlich gesagt ziemlich egal.
Welches Tabu möchtest du aufbrechen? Was ist dir wichtig?
Am wichtigsten ist mir, dass man jungen Menschen in der Wirtschaft auf Augenhöhe begegnet und ihnen Verantwortung gibt. Wir arbeiten seit fünf Jahren daran und sehen, dass junge Menschen zunehmend ernst genommen werden.
Dass die Leute ein bisschen mehr zuhören, meinst du?
Genau, mehr miteinander sprechen. Ich glaube auch, man sollte junge Leute nicht abstempeln, nur weil sie jung sind. Das ist etwas, was in der Wirtschaft immer normal war – Glaubenssätze wie: „Du bist jung, du musst erst mal älter werden, bevor du dich irgendwie einbringen kannst.“
Was ich immer wieder höre im Zusammenhang mit dir, und ich möchte dir das ganz wertfrei so weitergeben, ist, dass die Leute sagen „Sie kommt halt aus einem reichen Elternhaus, sie kann sich das leisten“. Und wenn sie sagt „Ja, das kann jeder, Kind und Karriere, und ihr könnt das ja auch“, dann sei das doch weltfremd. Wenn ich Kritik höre, dann geht es eher in diese Richtung. Kannst du mit dieser Kritik etwas anfangen?
Es ist lustig. Man sagt mir das schon lange nach, dass ich aus einem reichen Elternhaus komme – das stimmt gar nicht. Ich glaube, das ist bloss eine einfache Erklärung.
Woher kommt denn das?
Ich glaube, man versucht, vielleicht speziell bei einer jungen Frau wie mir, sich meinen Erfolg irgendwie zu erklären. Indem man davon ausgeht, dass ich aus einem reichen Elternhaus komme. Es fällt schwer zu akzeptieren, dass ich meinen Erfolg selbst erarbeitet habe. Das ist besonders schwierig, wenn man die Tendenz hat, sich selbst zu vergleichen, und dann Leute sieht, die an einem Punkt sind, wo man sich selbst vielleicht auch ganz gern sehen würde. Dass dies ein Trigger ist, das verstehe ich.
Bekommst du denn vor allem von Frauen Kritik oder eher von Männern? Man sagt, Frauen gehen manchmal mit Frauen sehr hart ins Gericht.
Ich denke, die Kritik kommt gleichermassen von beiden. Doch wir legen zunehmend Wert darauf, unsere Projekte inhaltlich zu kommunizieren. Das gibt Tiefe und beeinflusst unsere Wahrnehmung positiv. Man merkt: Junge Leute können laut sein, fordernd sein – und liefern, Substanz haben.
Manchmal ärgert mich diese ganze Diskussion, wie die Generationen sein sollen. Wie geht es dir dabei?
Spannend ist, dass es ja eigentlich nicht um Generationen geht – sondern es geht um junge Menschen. Die waren schon immer anders und sind auch jetzt anders. Sie sind in der Wirtschaft eine wichtige Kundenzielgruppe. Und wegen des Fachkräftemangels kämpfen Unternehmen um junge Talente, die andere Anforderungen haben als ältere Generationen. Sie müssen ihnen zuhören, und das verursacht eine Verschiebung der Macht auf dem Arbeitsmarkt.
Absolut. Seid ihr eigentlich verheiratet?
Nein.
Ist das ein bewusster Entscheid? Oder hattet ihr noch keine Zeit?
Teils, teils. Es würde auch finanziell keinen Sinn machen. Aber grundsätzlich ist es schon geplant.
Würdest du sagen, du bist jemand, der sehr modern ist? Oder bist du jemand, der sagt, ich bin eigentlich auch ganz konservativ?
Das ist eine gute Frage. Ich bin widersprüchlich wie meine Generation. Einerseits modern, andererseits vertrete ich auch traditionelle Rollenbilder. Zum Beispiel bin ich früh Mutter geworden. Das ist auch nicht so modern, wenn man sich die junge Generation anschaut. Trotzdem vertrete ich viele sehr moderne Werte.
Was wünschst du dir denn für die nächste Generation, die auch zusammen mit dir aufwächst?
Eine offene Welt, in der man frei sein kann, unabhängig von Hintergründen.
Zu welchem Preis kommt diese Freiheit, was denkst du?
Es gibt noch viele gesellschaftliche Baustellen, und ich hoffe, dass die Freiheit nicht auf Kosten grösserer Spaltungen geht.
Du hast von Baustellen gesprochen. Was sind die grössten Baustellen?
Schwierig (überlegt). Die Altersvorsorge ist sicher eine grosse Baustelle, die auch auf einem Generationenvertrag beruht, auf Solidarität, und man weiss, dass das System aktuell nicht funktionieren wird. Das ist ein Thema, das auch statistisch gesehen sehr viele Junge beschäftigt.
Zukunftsängste?
Genau, es gibt Zukunftsängste, die durch politische Unsicherheiten und gesellschaftliche Spaltungen verstärkt werden. Als Gefahr sehe ich, dass die Meinungen immer radikaler werden, keinen Raum für andere Sichten zulassen: Es spaltet die Gesellschaft.
Spürst du auch für dich diese Unsicherheit manchmal?
Ich bin grundsätzlich positiv, aber es gibt Momente, in denen ich mich unsicher fühle. Das Privileg, in der Schweiz zu leben, gibt mir die nötige Sicherheit, und ich möchte hier etwas verändern.
Man sagt eurer Generation ganz viele Dinge nach, unter anderem hört man auch, dass ihr politisch nicht interessiert seid. Hast du das Gefühl, dass das wirklich so ist?
Ich sehe eine sehr engagierte junge Generation. Das ist also ein Vorurteil. Unsere Generation ist sehr politisch, und durch soziale Medien können wir Gleichgesinnte viel einfacher finden und mobilisieren.
Früher musste man einen Verein gründen, Mitglieder finden.
Heute ist das viel einfacher. Man kann man durch Social Media Tausende Menschen erreichen mit einem Thema.
Machst du dort manchmal ein wenig Digital Detox?
Ich müsste mehr.
Wieso müsstest du? Wer sagt, dass du müsstest?
Es würde mir guttun. Ich lege immer wieder das Handy für ein ganzes Wochenende weg. Digital Detox wird schwieriger, wenn man auch am Handy arbeitet.
Was wünschst du dir von älteren Frauen wie von mir? Gibt es etwas, das du dir wünschen würdest?
Offenheit und Austausch. Ich schätze tiefe Gespräche mit erfahrenen Frauen sehr und wünsche mir Offenheit in beide Richtungen.
Man muss sich immer wieder gegenseitig Fragen stellen. Nicht einfach etwas annehmen, weil man es irgendwo mal gelesen hat.
Ja. Und offen sein. Unvoreingenommen sein. Das ist eine negative Sache, die ich an meiner Generation sehe. Viele von uns sind voreingenommen, was die Themen angeht. Sie wollen nicht zuhören und konstruktiv miteinander umgehen. Es ist ein schnelles Verurteilen.
Auch ein Radikalisieren vielleicht.
Ja, vielleicht. Viele sind extrem in ihren Meinungen.
Man sieht das nur schon bei Ernährung. Vegetarier gegen Fleischesser.
Ja, genau.
Ich beobachte das so wie du, dass ganz viele Themen an diesen Polen, in den Extremen stattfinden. Es ist gar nicht mehr so ein gesundes Miteinander.
Stimmt. Das ist etwas, was uns aktuell etwas verloren geht.
Hat das vielleicht auch mit Social Media zu tun? Dass man merkt, was Likes gewinnt, was funktioniert?
Auch. Du sagst etwas, und dann hörst du von hundert Leuten, dass sie das genauso sehen. Weitere hundert betrachten es aber komplett anders. Durch die Algorithmen in der sozialen Medien sieht man die Kommentare, die die eigene Meinung vertreten, und man denkt automatisch, man hat also recht, wenn das so viele Leute gleich sehen. Dann ist es schwarz-weiss, man bildet extremere Meinungen.
Wenn ich dich frage, wer ist Yaël Meier, was antwortest du darauf?
Ich denke nicht, dass ich das so kurz und bündig sagen kann … Ich würde sagen, ich bin ein Mensch, den man kennenlernen kann, und nicht nur die Person auf Social Media.
Das heisst, du bist offen, wenn man dich auf der Strasse anspricht?
Immer, immer. Ich liebe das. Es ist doch eher komisch, wenn jemand nur rübersieht und nichts sagt (lächelt).