Topmanagerinnen Müssen eine art méc-femme sein

Text: Sandra-Stella Triebl

Die 43-jährige Barbara Castegnaro wurde am 1. Januar 2011 zum Managing Director an die Spitze von Moët Hennessy (Suisse) SA berufen.

Barbara Castegnaro sagt über sich selbst, dass sie Dinge faszinieren, die sich an der Grenze des Unmöglichen bewegen. Fordernd sind Veränderungen. Weniger reizvoll indessen ist alles, was mit Routine zu tun hat. Entsprechend versuchte sie sich auch beruflich immer wieder neu zu erfinden. Zumindest bisher. Denn sie scheint ihren Traumjob gefunden zu haben.

Die 43-Jährige legte eine beachtenswerte Karriere hin: drei Jahre bei der Swatch Group, drei bei Wander, im Anschluss zwölf Jahre in den Reihen von Lindt&Sprüngli, dies in insgesamt drei Ländern. Zurück in der Schweiz wurde sie 2009 von der zum LVMH-Konzern gehörenden Moët Hennessy (Suisse) SA zur Verkaufsdirektorin berufen. Zu Beginn des Jahres folgte ihre Ernennung zum neuen Managing Director.

Wir treffen Barbara Castegnaro zum Frühstück in einem Zürcher Café.

Als Managing Director an der Spitze von Moët Hennessy (Suisse) SA wacht die charmante Thunerin nun über Marken wie Veuve Clicquot, Ruinart, Dom Pérignon, Moët & Chandon, Hennessy oder Glenmorangie – insgesamt sind es aktuell 19 verschiedene Champagner-, Wein- und Spirituosen-Brands. Die Komplementarität, die Vielschichtigkeit dieser verschiedenen Marken kommen der umtriebigen Topmanagerin bestens entgegen.

Obwohl die Frau an der Spitze von Moët Hennessy so zielstrebig erscheint, war ihre Karriere in dieser Form alles andere als geplant. „Ich hatte schon als Kind keine klare Vorstellung, wo und wie ich mal sein werde“, erzählt sie uns. Laufbahn-Coaching? – Fehlanzeige. „Ich war immer ehrgeizig. Das hat mich angetrieben. Aber ich wusste schon früh, dass ich gerne etwas beeinflusse. Ich stehe auch gerne vorne. Nicht hinten.“ Barbara Castegnaro sagt dies ohne Pathos, ohne jeglichen Anflug von Eitelkeit, vielmehr frisch von der Leber. Authentisch. Ehrlich. In ebensolchem Tonfall fährt sie fort: „Ich muss immer einen Sinn in den Dingen sehen, die ich tue. Das war schon als Kind so. Ich habe mir unendlich viele Strafaufgaben eingebrockt, weil ich mich geweigert habe, Dinge zu tun, deren Sinn ich nicht erkannte.“ Ihr Talent, die grossen Zusammenhänge zu spüren und zu erkennen, fiel schon früh in ihrer Karriere auf. Entsprechend verantwortungsvolle Aufgaben wurden ihr in der Folge zuteil.

Als wir sie bitten, ihre Stärken aufzuzählen, brauchen wir nicht lange zu warten. Zu ihren Stärken zählt die Managerin ihr Verkaufsgeschick – und ihren natürlichen Führungsstil. „Ich bin ein sehr intuitiver Mensch und so betrachtet vermutlich ein atypischer Leader. Das birgt natürlich auch gewisse Gefahren … aber Sie wollten ja wissen, was ich gut kann.“ Barbara Castegnaro lacht herzhaft und ihre blauen Augen blitzen verschmitzt im Morgenlicht. „Ich lobe mich nicht gerne selbst. Ich hole mir aber gerne ein Feedback bei den Mitarbeitern ein. Das ist mir wichtig, zu spüren, wie die Geschäfte laufen. Das nimmt gut und gerne die Hälfte meiner Zeit im Business ein.“ Wenig Zeit bleibt indessen für Aktivitäten ausserhalb des Jobs, obwohl sich die Managerin als gute Netzwerkerin bezeichnet. Doch nebst ihrem Engagement bei Moët Hennessy wartet auch noch ein fünfjaÅNhriger Sohn zu Hause in Thun auf seine Mamma. „Das Einzige, was ich noch pflegen kann, sind meine Runden auf dem Golfplatz sowie im Winter Ski fahren in meinem geliebten Zermatt. Das ist pure Inspiration für mich.“

Vorangebracht hat mich meine Offenheit gegenüber Menschen, konstatiert Barbara Castegnaro ihren bisherigen Berufsweg. Man müsse als Frau in einer Topposition so etwas wie eine „Méc-Femme“ sein. Dies bedeute nicht, dass man wie ein Mann auftreten müsse, ganz im Gegenteil. Vielmehr ginge es darum, sich nicht an den Logiken von Männern zu stossen, offen und tolerant zu sein. Und: Fast jeder brauche einen Sponsor, der einem den Weg nach oben ermögliche. Als wir nachfragen, ob sie selbst auf solch einen Sponsor hat zählen können, nickt sie zustimmend und erzählt unumwunden: „Ich hatte das immer wieder in meiner Karriere. Ohne Netzwerk wird es schwierig. Aber man muss Dinge auch geschehen lassen.“ Sie selbst habe ihre Karriere nie im Detail geplant oder vehement auf ein bestimmtes Ziel, auf eine spezifische Position hingearbeitet. Aber sie habe sehr wohl bemerkt, dass ihr Tun, ihr Handeln zunehmend politische Dimensionen aufzeigen mussten, je höher sie auf der Karriereleiter stieg. „Es ist wichtig, trotzdem immer sich selbst zu sein. Man muss ehrlich, transparent sein – und sich hin und wieder überlegen, wann der politisch beste Moment ist, Dinge mit Vorgesetzten anzusprechen.“ Deswegen seine Meinung hinter dem Berg zu halten, sei indessen nicht zielführend, davon ist Barbara Castegnaro überzeugt.

Die derzeitigen Quotendiskussionen gehen indessen relativ spurlos an ihr vorbei. Sie sind weder inspirierend noch nervend, wenn sie auch am eigenen Leibe erfahren hat, wie es ist, wenn man aufgrund seines Geschlechts benachteiligt wird: „Ich habe selbst erlebt, wie mir ein Vorgesetzter gewisse Dinge nicht zugetraut hat, schlicht aufgrund der Tatsache, dass ich eine junge Mutter war. „Du hast ja ein Kind – du kannst das ja nicht machen“, hat er damals zu mir gesagt. Und so denke ich heute, dass es diese Frauen-Männer-Diskussion so lange braucht, wie es auch noch solche Meinungen in den Köpfen der Menschen gibt.“

Die Thematik scheint unsere Interview-Partnerin doch zunehmend nachdenklich zu stimmen, und so gibt sie zu bedenken, dass man den Männern häufig intuitiv mehr zutraut als den Frauen. Entsprechend überrascht war sie auch, dass sie nach ihrem Weggang von Lindt&Sprüngli in Italien ohne Weiteres ein Engagement bei Moët Hennessy erhielt. „Als ich in den ersten Interviews sass, sagte ich zu mir: Das wird spannend. Ich sitze hier, bewerbe mich für einen führenden Job und habe ein dreijähriges Kind zu Hause.“ Doch es wurde nicht ein einziges Mal zum Thema – was sie tief beeindruckte.

Nun ist Barbara Castegnaro selbst an der Spitze des Unternehmens, und so sind wir neugierig zu erfahren, ob sie nach ihrer Ernennung zum Managing Director auch damit begonnen habe, neuralgische Positionen mit ihr vertrauten Personen zu besetzen. Auch hier müssen wir nicht lange auf eine Antwort warten: „Ja natürlich! Aber viel wichtiger ist es, ein gutes Team zu haben mit Menschen, die sich verstehen, denen Text: Sandra-Stella Triebl | Fotos: Moët Hennessy ich vertrauen kann. Solche Schritte darf man nicht scheuen.“ Nur so könne man das Unternehmen auch in diesen schwierigen wirtschaftlichen Zeiten in eine gesunde Zukunft führen. Dabei lässt sich Castegnaros Vision kurz und bündig zusammenfassen: Kontinuität sichern und keine voreiligen, zu kurzsichtig ausgelegten Entscheide vorlegen, einen Weg mit festem Schritt gehen und ihn gleichzeitig ständig hinterfragen. Bei Produkten, die weniger Innovationskraft bieten, sei dies auch dringend nötig. Entsprechend innovativ müsse deshalb das Marketing- und Eventkonzept sein. „Man muss immer einen Schritt voraus sein, das heisst, den Markt stimulieren und gleichzeitig die Traditionen unserer Marken hochhalten.“

„Als ich in den erst en Int erviews sass , sagt e ich zu mir : Das wird sp ann end . Ich sitz e hier, bewerb e mich für ein en führend en Job und habe ein dr eij ährig es Kind zu Hause“

„Die Zukunft zu lesen“, sagt sie leise und fast etwas geheimnisvoll, während sie an ihrem Espresso nippt, das sei das Wichtigste in ihrer Branche. Der Quell der Inspiration erhält die Businesslady beim Zuhören. Bei Gesprächen und Diskussionen mit Kunden, bei der Lektüre von Magazinen aus anderen Branchen, insbesondere aus den Bereichen Sport und Fashion. Zudem trifft man sich bei Moët Hennessy häufig zu „out of the box“-Workshops, wo bewusst versucht werde, innovativen, manchmal auch ganz verrückten Ideen Raum und ein Ohr zu geben. „Der Vorteil ist unsere kleine Struktur: In einem kleinen Team gelingt es öfters, nach dem Prinzip „why not“ zu leben. Wir versuchen was – wenns nicht funktioniert, gehts eben anders. Es ist „trial and error“. Man muss manchmal etwas Mut beweisen!“ Die intuitiv arbeitende Barbara Castegnaro ist überzeugt, dass man so selbst Traditionsmarken zu neuem Glanz verhelfen kann. Voraussetzung sei, messbare Ziele zu setzen und Instrumente zu schaffen, um diese zu analysieren.

Mit neuem Schwung soll beispielsweise auch der Veuve-Clicquot- Unternehmerinnenpreis daherkommen. „Wir haben den Preis grundlegend überarbeitet. Es wird einige Änderungen geben, die zeitgenössischer sind und dem heutigen Frauen-Businessprofil besser entsprechen!“

Inspiration findet die ambitionierte Topmanagerin im Übrigen vor allem im Bereich der Mode, während die grossen Namen unter den Trendforschern sie eher unberührt lassen. Alle sechs Wochen gehts nach Milano, wo sie die neuesten Trends im Bereich Architektur, Design und Mode unter die Lupe nimmt, wobei sie ihr Augenmerk vornehmlich auf Formen, Farben und Lichtspiele legt. Eingang finden die Impressionen später insbesondere bei der Inszenierung der Moët-Hennessy-Produkte. „Begehrlichkeit für unsere Produkte schaffen wir praktisch ausschliesslich über Events, zum Beispiel über Wine&Dine-Veranstaltungen, denn unsere Kunden sind unter anderem auch Gastronomen und Sommeliers, die wir mit Weinreisen und Ähnlichem versuchen mit unseren Produkten noch vertrauter zu machen.“ An diesem Punkt kommt auch die Stärke eines LVMHKonzerns zum Tragen: insbesondere das Know-how zum konsequenten Luxusmarken-Aufbau. Die 43-Jährige sprudelt nur so vor Ideenreichtum und scheint kaum zu bremsen.

Viel Kraft und Inspiration findet sie bei ihrem fünfjährigen Sohn. „Für mich war klar: Ich arbeite, aber ich will auch eine Mutter sein. Es ist unglaublich, wie inspirierend es ist, in die Welt eines Kindes einzutauchen! Und man kriegt endlich eine absolut ehrliche Meinung!“ Barbara Castegnaro lacht erneut herzhaft. „Zeigen Sie ihm auch ab und zu neue Kampagnen oder Ideen, um eine ehrliche Meinung zu erhalten?“ – Sie schüttelt ihren dunkelblonden Haarschopf und grinst übers ganze Gesicht. „Nein – er ist noch zu jung, um mit der Alkoholkategorie konfrontiert zu werden, und zudem ist er derzeit ein schlechter Ratgeber. Ihm gefällt einfach alles, was rot ist oder glänzt!“

Als wir abschliessend wissen wollen, wie lange sie sich vorstellen könnte, in exakt derselben Position zu sein, nachdem sie in ihrer Vita doch eine grosse Vielseitigkeit bewiesen hatte, wird Barbara Castegnaro fast schon besinnlich ernst. „Ich glaube, den Job könnte ich für immer so machen. Er ist einfach auf mich zugeschnitten. Er ist visionär und gleichzeitig traditionell. Ich habe das Gefühl, zusammen mit meinem Team etwas beeinflussen zu können, etwas bewegen zu können. Es ist unglaublich faszinierend.“ «

 

Weiterführende Informationen: www.moet-hennessy.ch

 

Veröffentlicht am April 13, 2012

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