Geben Sie’s zu: Die Arbeit der leider letzten im September verstorbenen rumänischen Kunstschaffenden Geta Bratescu hat man nicht gerade vor Augen. In einem schwierigen, immer wieder von politischen Wirren gebeutelten Land lebend, schaffte es die Vielseitige, einerseits unkonventionell zu arbeiten, anzuecken und doch zu überleben. Textiles Schaffen gehörte auch zu ihrem Repertoire, es gibt Stoff-Collagen, die sie weltweit berühmt gemacht haben. „Meine Mutter sammelte schon Stoffreste“ erzählte die 1926 geborene Geta Bratescu in einem Interview für das „ARTMargins online“ im Dezember 2013, sie habe dann die Reste für sich verwertet, auch aus Kleidern ihrer verstorbenen Mutter, und damit eine intensive Nachfrage nach ihren Collagen kreiert.
Kunst kommt von Können
Albert Kriemler hat ein Händchen für ganz besondere Künstler. Seit Jahren entdeckt er immer wieder Effekte, Details, Linien oder einfach nur eine Vision bei Kunstschaffenden aller Couleur, die ihn dann zu Entwürfen inspirieren, die in die Kollektionen ein- fliessen oder sogar eigene Capsule-Linien bilden. Nie sind Trends im Spiel, Akris ist immer einen eigenen Weg gegangen. „Im Februar 2018 hat mich Geta Bra- tescu in ihr Studio in Bukarest eingeladen“, erzählt Albert Kriemler von der Entstehung der aktuellen Kollektion „Magnets in the City“. „Sie wollte mit mir Ideen über eine Zusammenarbeit austauschen. Ich war fasziniert von dem Licht in ihren Augen. Sie sprühte vor Spirit und verkörperte die Kraft der Jugend für mich.“ Kriemler fühlte sich sofort wohl im Atelier der damals 91-Jährigen: „Ihr ganzes Leben lang war Getas Studio für sie ein Ort der Ruhe, aber auch ein Ort, wo Neues entsteht, wo experimentiert wird, wo sie sich ausdrücken kann. Eine sehr persönli- che Sache, die ich sehr gut nachvollziehen kann. In meinem Atelier in St. Gallen ist alles möglich und wird alles, was ich lanciere, entwickelt.“
Anziehend
Die Künstlerin hatte ganz konkrete Ideen, womit Albert Kriemler für Akris arbeiten könnte, und das waren ihre „Magnete“. Eine revolutionäre Arbeit in Getas Heimatland Rumänien, weiss Albert Kriemler: „,Magnete‘ ist eine Fotomontage, mit der Geta die Bürger von Bukarest daran erinnern wollte, welche Willenskraft sie haben und wie verbunden sie mit ihrer Stadt sind. Sie war überhaupt fasziniert von der Anziehungskraft zwischen Menschen, etwas, was sich durch ihr ganzes Werk zieht.“ „Magnete“, das 1974 entstand, ist eine der berühmtesten Arbeiten von Geta Bratescu, mit der sie Kunstgeschichte schrieb, weil es das erste konzeptionelle Kunstwerk Rumäniens war.
Verspielt
Albert Kriemler hat dieser bahnbrechenden Arbeit mit seiner Kollektion „Magnets in the City“ eine Hommage dargebracht, die sicher in die Modegeschichte eingehen wird. Die Art und Weise, wie er respektvoll mit den Ideen der Künstlerin umgegangen ist und doch seine eigene unverwechselbare Handschrift konsequent verfolgt, ist bewundernswert und zeugt von dem angeborenen Respekt, den Kriemler für Frauen hat. Er ist einer der ganz wenigen Couturiers, der es versteht, die Frauen wirklich anzuziehen, und sie nicht einfach nur als Kleiderständer für seine Vorstellungen nutzt. Augenzwinkernde Details im wahrsten Sinne des Wortes sind bei „Magnets in the City“ funktionale Magnete als Verschlüsse und Schmuck, die die Intention der Künstlerin widerspiegeln und ihre verspielte Seite zum Ausdruck bringen. „Geta Bratescu hat es geliebt, zu experimentieren und zu erforschen“, erzählt Albert Kriemler, „sie schuf die ‚magic form‘, ein archaisches Symbol, das sie in drei Varianten zusammen- setzte, um seine Vielseitigkeit zu verdeutlichen. Sie wollte, dass der Aspekt der Freude hinzukommt. Wir haben versucht, diese Verspieltheit und Freude zu manifestieren, indem wir mit Print, Lasercut und Verzierungen mit Steinen in 3D gearbeitet haben. Getas Verspieltheit ist total feminin.“
Total zufrieden
„Magnets in the City“ sind in der typischen klaren Linienführung der Akris-Kollektionen gearbeitet. Es sind Jacken, Taschen, Strick, Kleider, die man tagsüber und im Ausgang tragen kann, Mäntel, Parkas. „Scheren können zeichnen“, hat Geta im oben bereits erwähnten Interview 2013 gesagt, Albert Kriemler hat genau das im Sinne der Künstlerin schon sein Leben lang gemacht, Mode gezeichnet mit der Schere, Stoff und Schnitt als Grundlage nie enden wollender Kreativität mit dem Ergebnis von Kleidern, die zu tragen eine unbändige Zufriedenheit ist.
Hintergrundinformationen:
AKRIS wurde 1922 in St.Gallen von Alice Kriemler-Schoch als Schürzenmanufaktur gegründet. Den Namen bekan das Haus erst, als Alices Sohn Max das Business übernahm und die Anfangsbuchstaben des Namens seiner Mutter zusammenfügte. Der heutige Creative Director Albert Kriemler trat mit 20 Jahren unerwartet früh in die Firma seiner Familie ein. Er hatte gerade als Lehrling bei Hubert de Givenchy in Paris begonnen zu arbeiten, als der Geschäftspartner des Vaters starb. Albert überlegte nicht lange und kehrte nach St.Gallen zurück, um seinen Vater zu unterstützen. Akris zeigt seine Kreationen an den Schauen in Paris und New York und verkauft weltweit, unter anderem in 19 eigenen Boutiquen in Europa, Asien und Nordamerika.