Wir haben uns mit Sarah Müller, Country Lead MedTech Switzerland bei Johnson & Johnson, darüber unterhalten, wie sie an die Spitze gekommen ist und was ihr daran gefällt. So viel vorweg: Superkräfte sind keine im Spiel.
Ladies Drive: Sarah, du belegst eine Spitzenposition bei Johnson & Johnson. Bist du eine Superwoman?
Sarah Müller: Nein, sicher nicht! Ich glaube grundsätzlich, man ist nie Superwoman oder Superman, sondern man ist nur so stark wie sein Umfeld. Das kann das Team sein, die Peers, aber auch die Familie und Freunde. Wir sind also immer auch das Resultat von dem, was uns umgibt. Gerade in einer Zeit, die von grosser Komplexität und schnellen Veränderungen geprägt ist, ist man nie allein unterwegs. Um erfolgreich zu sein und etwas zu bewegen, ist die Zusammenarbeit essenziell.
Muss man wie eine Superwoman an der Spitze wirken?
Im Gegenteil, es ist sehr wichtig, Authentizität zu zeigen. Wenn ich eine Kultur fördern will, in der Menschen etwas bewegen und aus ihrer Komfortzone heraustreten, muss ich selbst auch bereit sein, meine Learnings zu teilen. Dazu gehört etwa auch zuzugeben, wenn etwas nicht geklappt hat. Meine Mitarbeitenden sollen die Gewissheit haben, dass sie Rückendeckung haben, wenn sie etwas Neues wagen wollen. Das ist mir ein grosses Anliegen. Eine gute Fehlerkultur ist enorm wichtig. Das ist eigentlich das pure Gegenteil einer Superwoman.
Du hast dich persönlich im Rahmen der Advance-Konferenz zum diesjährigen Internationalen Frauentag engagiert mit einem Video, das Frauen inspirieren will, die positiven Seiten an Macht und Einfluss zu entdecken. Was erlebst du persönlich als positiv daran?
Mich fasziniert es, Menschen zu motivieren und neue Ideen oder Strategien zu entwickeln und gemeinsam umzusetzen. Ausserdem kann man Entscheidungen treffen und das Geschäft massgeblich mitgestalten. Es ist für mich persönlich sehr erfüllend, in Zusammenarbeit über verschiedene Organisationen und Interessengruppen hinweg Menschen fördern zu können und prägende Veränderungen einzuschlagen, die weiter gehen als nur das Unternehmen selbst.
Hast du ein konkretes Beispiel dafür?
Wir haben etwa in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Stakeholdern neue Lösungen über den ganzen Patientenpfad erarbeitet, von denen Patienten, Spitäler und das gesamte medizinische Personal profitieren. Gerade im Gesundheitswesen, das stark unter Druck steht, sind neue Allianzen wichtig. Und solche Projekte sind für alle Beteiligten sehr motivierend und können nachhaltigen Nutzen schaffen.
Kann es sein, dass viele Frauen kein Interesse an einflussreichen Positionen haben, weil ihnen der „Command and Control“-Führungsstil nicht behagt, der mit diesen Positionen in Verbindung gebracht wird?
Das ist sicher je nach Industrie und Unternehmen sehr unterschiedlich. Ich bin eine grosse Befürworterin von diversen Teams – es ist gar nicht möglich, auf einem hohen Niveau Erfolg zu haben, wenn die Teams nicht verschiedene Backgrounds und Erfahrungen zusammenbringen. Mit einem „Command and Control“-Führungsstil wird man nur einen begrenzten Teil der Menschen ansprechen können. Darum ist echte Leadership eigentlich das Gegenteil von „Command and Control“, denn es braucht Empathie, um auf die verschiedenen Ansprechpersonen einzugehen. Es ist eine grosse Versatilität nötig, um echte, inklusive Führung zu leben.
Wann bist du dir deinen Ambitionen bewusst geworden und wie hast du den Mut gefunden, sie zu verwirklichen?
Ich habe als Kind nicht gedacht, ich will Chefin werden. Aber ich bin immer bestärkt worden in meinen Schritten und es wurden mir nie Steine in den Weg gelegt oder Grenzen aufgezeigt. Das eine ergibt das andere, man wächst an jeder Aufgabe. Ich habe bald einmal gemerkt, ich kann gut mit anderen zusammenarbeiten, und ich will etwas bewegen. Die Erfolge haben mich wiederum bestärkt, und so hat sich meine Karriere ergeben.
Was gibst du Frauen mit auf den Weg, die ihre Ambitionen leben wollen und sich für Machtpositionen interessieren?
Hab Mut! Warte nicht darauf, dass du „entdeckt“ wirst: Packe die Chancen, die sich auf deinem Weg ergeben, und verlasse deine Komfortzone. Am besten funktioniert das in einem Umfeld, das stimulierend wirkt und dir vorlebt, wie das geht. Und vor allem auch, das dir die nötige Rückendeckung gibt, wenn du ein Risiko eingehst und etwas wagst. Daraus ergibt sich mein zweiter Tipp: Suche dir ein Umfeld, in dem du Chancen bekommst und dich entfalten kannst. Ich hatte das grosse Glück, immer Leute um mich zu haben, die mich begeistern konnten, mir den Mut gaben, neue Ideen einzubringen und etwas zu wagen. Sehr wichtig sind auch die Selbstreflexion und ein starkes Wertesystem: Was ist dir wichtig, wo sind deine Prioritäten? Bleibe dir treu und entfremde dich nicht von dir selbst.
Das im Interview erwähnte Video #SwitchOnYourPower findest du hier:
Sabrina Durante ist seit 2022 Kommunikationsspezialistin bei Advance – Gender Equality in Business.
Advance ist mit über 140 Unternehmensmitgliedern der führende Wirtschaftsverband für Gleichstellung in der Schweiz und setzt sich aktiv für mehr Frauen im Kader ein. Mehr dazu unter